Coreweave unter Druck

Euphorie um Amerikas Börsendebütanten flaut ab

Nach dem Kapitalmarkt-Aufschwung der vergangenen Monate verlieren einige der heißesten jungen Namen auf dem New Yorker Parkett Momentum. Insbesondere der Cloud-Dienstleister Coreweave steht unter Druck.

Euphorie um Amerikas Börsendebütanten flaut ab

Euphorie um Amerikas Börsendebütanten flaut ab

Insider steigen bei gebeuteltem Cloud-Dienstleister Coreweave aus – Stablecoin-Emittent Circle droht Druck durch Zinsvolatilität

xaw New York

Nach dem großen Andrang an Amerikas Börsen im bisherigen Jahresverlauf zieht die Wall Street erste Bilanz – und die fällt trotz ursprünglicher Euphorie eher gemischt aus. Denn wenngleich zahlreiche der größten Börsendebütanten um den seit Juni an der New York Stock Exchange (Nyse) gelisteten Stablecoin-Anbieter Circle Internet oder den Ende Juli ans „Big Board“ gesprungenen Designsoftware-Entwickler Figma gegenüber den Ausgabepreisen ihrer Aktien gewaltige Kursgewinne vorweisen können, zweifeln Investoren zunehmend an den fundamentalen Aussichten vieler heiß gehandelter Namen. Dies zeigt sich derzeit vor allem bei der bereits im März an der Nasdaq gestarteten Coreweave.

Harte Börsenrealität

Denn bei dieser verabschieden sich nach dem Ende der sogenannten Lockup-Periode in der vergangenen Woche zahlreiche Insider-Investoren. Dabei galt das Unternehmen aus New Jersey, das Cloud-basierte Dateninfrastruktur für Tech-Unternehmen bereitstellt und eine eigene Chipmanagement-Software entwickelt, eigentlich als Profiteur des Booms um künstliche Intelligenz. Doch bereits vor dem IPO kam das 2017 von drei Rohstoffhändlern als Atlantic Crypto gegründete Startup in der harten Realität der öffentlichen Börsenwelt an. So musst es den Ausgabepreis ihrer Aktien deutlich herunterschrauben und die Zahl der angebotenen Anteilsscheine reduzieren.

Börsen-Zeitung, ben/iGrafik.de

Hatte das Unternehmen beim Börsengang zunächst 4 Mrd. Dollar einsammeln wollen, schrumpfte das Ziel schnell auf 2,7 Mrd. Dollar zusammen – letztlich wurden es nur 1,5 Mrd. Dollar. Für die Wall Street wurde der Deal damit zu einem weiteren öffentlichkeitswirksamen Fehlschlag nach dem verpatzten Riesen-Debüt des Erdgasexporteurs Venture Global: Die Underwriting-Erlöse der am Coreweave-Deal beteiligten Banken um Morgan Stanley, Goldman Sachs und J.P. Morgan beliefen sich auf lediglich 2,8% der aufgenommenen Mittel – also auf 42 Mill. Dollar, einem für Tech-IPOs enorm niedrigen Wert.

Sorge um hohen Kapitalbedarf

Seither haben Analysten wiederholt Sorgen um die Abhängigkeit der auf High-Performance-Computing fokussierten Firma von einer kleinen Kundengruppe Luft gemacht. Die Wertpapierfirma Citizens JMP Securities warnt trotz anhaltend milliardenschwerer Investitionsausgaben von Technologieriesen für künstliche Intelligenz beispielsweise vor fallenden durchschnittlichen Verkaufspreisen für Cloud-Dienstleister bei steigenden Kosten für Immobilien und die Bereitstellung von Infrastruktur. Zudem warnen Beobachter davor, dass Coreweave – trotz starken Umsatzwachstums – auch infolge explodierender Zinsaufwendungen noch immer heftige Verluste schreibt. Im vergangenen Quartal belief sich der Fehlbetrag auf 290,5 Mill. Dollar und fiel damit nahezu 100 Mill. Dollar höher aus als erwartet.

Der hohe Kapitalbedarf, unter anderem für die Rückzahlung teurer Kredite, ist Aktionären ebenfalls ein Dorn im Auge. Coreweave kündigte zum Debüt an, rund zwei Drittel der IPO-Erlöse von 1,5 Mrd. Dollar aufwenden zu wollen, um die Schuldenlast von 8 Mrd. Dollar zu lindern, die das Unternehmen Stand Ende 2024 drückte. Infolge der wachsenden Skepsis um den Cloud-Dienstleister befanden sich zum Ende der Sperrfrist für Insiderverkäufe am vergangenen Donnerstag laut dem Analysedienst S3 Partners 46% der handelbaren Coreweave-Aktien in den Händen von Leerverkäufern.

Verwaltungsrat stößt Aktienpaket ab

Die Aktie brach mit der Vorlage der Ergebnisse zum zweiten Quartal ein, und der Druck verschärfte sich in der Folge noch. Denn mit dem Ende der Lockup-Periode wurden 84% der ausstehenden Coreweave-Anteilsscheine erstmals zum Handel verfügbar – und J.P. Morgan, Goldman Sachs und Morgan Stanley organisierten laut Berichten der „Financial Times“ gleich Block Trades im Umfang von mehr als 1 Mrd. Dollar.

Zu den Insidern, die in solchen privat arrangierten Transaktionen Aktien abstießen, gehört laut Pflichtveröffentlichungen des Unternehmens auch Jack Cogen, einst CEO des Assetmanagers Natsource und bereits seit 2017 im Verwaltungsrat von Coreweave. Über Block Trades können Großaktionäre Anteile verkaufen, ohne den breiten Markt zu fluten und damit direkt für zusätzlichen Druck auf den Titel zu sorgen. Doch tragen Nachrichten über die Veräußerung voluminöser Aktienpakete in der Regel nicht dazu bei, das Vertrauen anderer Aktionäre in das jeweilige Unternehmen zu stärken.

Zinsvolatilität trifft Circle Internet

Auch andere hoffnungsvolle Börsendebütanten müssen laut Analysten nun fürchten, in der harten Börsenrealität anzukommen. Auch bei Chime Financial ist von der Euphorie des ersten Handelstags an der Nasdaq derzeit nicht mehr viel übrig: Sprang die Aktie zum Debüt im Juni um 37%, hat sie gegenüber dem damaligen Schlusskurs rund 20% an Wert verloren. Zwar übertraf der Finanzdienstleister bei der ersten Zahlenvorlage seit dem IPO Anfang August mit seiner Erlösentwicklung die Erwartungen der Wall Street. Doch reichte dies nicht mehr, um die zuvor von nach Deals hungernden Investoren angetriebene Aktie noch zu stützen.

Während Chime von der Verdrossenheit gerade junger Sparer hinsichtlich der Gebührenstruktur und mangelnden Flexibilität von Großbanken profitieren will, ritt Circle Internet auf der Welle einer Krypto-freundlicheren Politik in den USA an die Börse. Der Stablecoin-Emittent ist indes von Zinseinnahmen auf kurz laufende Treasuries abhängig, durch die seine angeblich wertstabile Cyberdevise besichert sind. Die hohe Volatilität an den Anleihemärkten infolge der Handels- und Haushaltspolitik von US-Präsident Donald Trump bergen laut Analysten damit erhebliches Rückschlagspotenzial für Circle.

Heftiger Gegenwind

Allgemein warnt Goldman Sachs angesichts Zoll-bedingten Gegenwinds für Konjunktur und Unternehmensgewinne vor einer deutlichen Korrektur am amerikanischen Aktienmarkt. Auch die Beratungsgesellschaft EY fürchtet, dass anhaltende geo- und handelspolitische Spannungen in der zweiten Jahreshälfte noch für Verunsicherung an den Finanzmärkten sorgen – und damit schwierigere IPO-Bedingungen für andere heiße Börsenkandidaten schaffen werden.