Europa hält Umgang mit Nord Stream 2 offen

Debatte um Reaktion auf Vergiftung Nawalnys - Spitzenpolitiker aus Deutschland stehen zum Bau der russischen Gaspipeline

Europa hält Umgang mit Nord Stream 2 offen

cru Frankfurt – EU-Ratspräsident Charles Michel hat den Giftanschlag auf den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny verurteilt und eine Debatte über Konsequenzen angekündigt. Befasst würden damit zunächst die EU-Außenminister und womöglich auch die Staats- und Regierungschefs, sagte Michel. Auf die Frage nach einem möglichen Moratorium für das deutsch-russische Pipelineprojekt Nord Stream 2 sagte er: “Ich habe nicht die Absicht, heute dazu eine Meinung zu äußern.” Es sei seine Aufgabe, sich zunächst mit den EU-Staaten zu beraten und anschließend eine gemeinsame Linie vorzuschlagen.Nawalny war nach Erkenntnissen der Bundesregierung in Russland mit dem militärischen Nervengift Nowitschok vergiftet worden und wird derzeit in der Berliner Charité behandelt. “Wir verurteilen diesen Mordversuch und den Einsatz von Nowitschok”, sagte Michel. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe mit Unterstützung anderer EU-Politiker Nawalny sofort Hilfe gewährt. “Diese Initiative ist auch ein starkes europäisches Statement”, sagte Michel. “Doppelzüngige Diskussion”Spitzenpolitiker aus SPD und CDU wollen auch nach dem Giftanschlag auf Nawalny an Nord Stream 2 festhalten. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte, die heimische Diskussion sei “ein bisschen doppelzüngig”. Neben Russland gebe es auch mit anderen Gaslieferanten Probleme. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sprach sich dafür aus, den Fall Nawalny von der Energieversorgung Deutschlands und Europas zu trennen. Auch in der Bundesregierung wird nach Angaben aus Regierungskreisen davor gewarnt, sich nun zu schnell gegen Nord Stream 2 zu stellen. Die Pipeline sei im deutschen und europäischen Interesse. Man dürfe sich mit einem Abbruch nicht selbst schaden. Die Grünen fordern dagegen eine Bundestagsberatung über die Vergiftung von Nawalny und die Zukunft der Gaspipeline.Zuvor war die Regierung unter Druck geraten, mit Sanktionen und einem Aus für die Gaspipeline aus Russland auf die Vergiftung Nawalnys zu reagieren. Unionspolitiker und die Wirtschaft warnten dagegen vor einem Aus für Nord Stream 2. Eine Debatte über die Pipeline allein bringe Deutschland in der Energiepolitik kein reines Gewissen, sagte SPD-Fraktionschef Mützenich mit Blick auf politische Probleme auch in anderen Gas- und Ölförderstaaten. “Wir haben keine energiepolitisch weiße Weste, wenn Sie sich Libyen nehmen, Saudi-Arabien.”Sprecher der deutschen Firmen, die an dem Projekt beteiligt sind, forderten ebenfalls eine Fertigstellung. “Wir sind von der Notwendigkeit des Projekts Nord Stream 2 sowie des Aufbaus von LNG-Kapazitäten überzeugt”, sagte ein Sprecher des Energieversorgers Uniper. Europas Produktionsmengen gingen zurück, und sowohl die Pipeline als auch Infrastruktur für Flüssiggas würden dringend benötigt, um eine sichere, flexible und kostengünstige Versorgung Europas mit Erdgas zu sichern. “Von den insgesamt 2 460 Kilometern der Pipeline sind bereits mehr als 2 300 Kilometer verlegt worden.” Ein Sprecher von Wintershall Dea sagte nur, dass man die Entwicklung im Fall Nawalny sehr eng beobachte. Milliarden im FeuerAn der Finanzierung der Röhre beteiligen sich fünf westliche Konzerne: Neben Uniper und Wintershall Dea OMV aus Österreich sowie Engie aus Frankreich und die britische Shell. Die Gesamtkosten werden auf 10 Mrd. Euro beziffert, von denen eine Hälfte Gazprom übernimmt und die andere Hälfte die europäischen Partner mit jeweils knapp 1 Mrd. Euro pro Unternehmen.