Unternehmertum

Europa ist stark bei Biotech- und Pharma-Spinouts

Europas Universitäten und Forschungsinstitute sind im Biotech- und Pharmabereich besonders gründungsstark. Pharmakonzerne schauen sich für Übernahmen dennoch lieber in den USA um.

Europa ist stark bei Biotech- und Pharma-Spinouts

Europa ist stark bei Biotech- und Pharma-Spinouts

Studie: So viele akademische Ausgründungen wie in keinem anderen forschungslastigen Bereich – Große Übernahmen dennoch hauptsächlich in den USA

Europas Universitäten und Forschungsinstitute sind im Biotech- und Pharmabereich besonders gründungsstark. Seit 2022 kam es in der Branche zu 244 akademischen Spinouts, seit 1990 waren es laut dem Datenanbieter Dealroom mehr als 2.000. Große Pharmakonzerne schauen sich für Zukäufe trotzdem lieber in den USA um.

kro Frankfurt

Während Europas Pharmakonzerne in den USA einen Milliarden-Zukauf nach dem anderen tätigen, macht ein Bericht des Datenanbieters Dealroom auf das reichlich vorhandene Angebot an akademischen Ausgründungen auf dem Heimatkontinent aufmerksam. Im Life-Science- und Deeptech-Bereich – also dort, wo tiefgehende wissenschaftliche Forschung zwingend vonnöten ist – gibt es keine Branche, die in den vergangenen Jahren so viele Ausgründungen aus Universitäten oder Forschungseinrichtungen hervorgebracht hat wie die Biotech- und Pharmabranche. Seit 2022 sind 244 sogenannte Spinouts und seit 1990 ganze 2.086 Biotech- und Pharma-Spinouts entstanden, die von Investoren mit Wagniskapital finanziert wurden, heißt es in dem Bericht.

Die Branche steht auch in der Gesamtfinanzierung und beim kombinierten Unternehmenswert an erster Stelle. Demnach haben universitäre Pharma- und Biotech-Spinouts seit 1990 insgesamt gut 38 Mrd. Dollar an Kapital eingesammelt und kommen zusammengerechnet auf eine Bewertung von gut 221 Mrd. Dollar. Zum Vergleich: Aus Universitäten und Forschungseinrichtungen ausgegründete KI-Startups kommen derzeit auf einen kombinierten Wert von knapp 76 Mrd. Dollar. An dritter Stelle steht der Bereich Medizintechnik mit knapp 29 Mrd. Dollar.

Mit Blick auf das weltweite M&A-Geschehen im Life Science-Sektor kommt die Stärke europäischer Universitäten bei Pharma- und Biotech-Ausgründungen allerdings nicht zum Tragen. Stattdessen seien es die USA, die das Übernahmegeschehen in der Branche auf „überwältigende“ Weise dominieren würden, heißt es in einem Bericht des Schweizer Datenanbieters Biotechgate, der zum Beratungsunternehmen Venture Valuation gehört. Demnach waren in diesem Jahr bislang 91% aller zugekauften Life-Science-Unternehmen in den Vereinigten Staaten ansässig. 2024 sei die geografische Verteilung noch diverser gewesen – die USA hätten als Heimatmarkt aller Lifescience-Übernahmeziele 81% ausgemacht. Dabei sei es auch in verschiedenen europäischen Ländern wie in Deutschland, Großbritannien oder Dänemark zu großvolumigen Übernahmen gekommen.

Ein komplizierter Markt

In diesem Jahr haben unter anderem bereits Novartis, Sanofi, Roche, Novo Nordisk und Merck milliardenschwere Übernahmen in den USA getätigt. Der Darmstädter Pharmakonzern Merck hat sich im Sommer für rund 3 Mrd. Euro den 2017 gegründeten Krebsspezialisten Springworks Therapeutics aus Connecticut einverleibt. Jüngst kündigte er zudem eine milliardenschwere Partnerschaft mit dem Bostoner Startup Valo Health an, um gemeinsam ein Medikament gegen Parkinson zu entwickeln. Unter dem Druck von US-Präsident Donald Trump haben mehrere europäische Pharma-Konzerne in diesem Jahr zudem Investitionen im zweistelligen Milliardenbereich angekündigt, um ihre Produktionskapazitäten in den Vereinigten Staaten auszubauen.

Dass die USA als Zielmarkt für große Pharmazukäufe deutlich attraktiver daherkommen als Europa, begründen hiesige Branchenverbände mit der komplexen Gesetzeslage auf dem Kontinent. Diese führt unter anderem dazu, dass die länderübergreifende Durchführung klinischer Studien trotz eines EU-weiten Informationssystems oft noch recht kompliziert ist. Auch die Zulassung neuer Medikamente dauert in der EU deutlich länger als in anderen Regionen der Welt. 2024 hat es im Schnitt 434 Tage gedauert, bis ein neues Medikament in der EU die Zulassung erhalten hat. Laut dem europäischen Pharmaverband EFPIA belief sich die Zulassungsdauer in den USA dagegen zuletzt auf 244 Tage. Wenn ein Medikament dann in der EU zugelassen ist, erschweren die 27 Gesundheitssysteme mit ihren unterschiedlichen Erstattungspolitiken zusätzlich die Preisgestaltung.

Um die Branche wettbewerbsfähiger zu machen, arbeitet die EU-Kommission derzeit unter anderem am sogenannten EU Biotech Act, der den Marktzugang von solchen Innovationen beschleunigen und die Finanzierungsbedingungen verbessern soll. Die Branche selbst fordert in dem Zusammenhang die Einrichtung eines auf Biotechnologie und Life Science spezialisierten Börsenplatzes – eine „europäische Nasdaq“, wie Bayers Pharma-Chef und EFPIA-Präsident Stefan Oelrich es im Juli formuliert hat. Der Forderung hat sich jüngst auch der europäische Biotech-Verband EuropaBio angeschlossen.