EUROPA RÜSTET AUF

Europäer wollen in den USA landen

Rüstungsfusion bei schrumpfenden Wehretats im Westen und stärkerem Export

Europäer wollen in den USA landen

Von Walther Becker, FrankfurtSo scharf geschossen wird denn doch nicht. Nachdem die Nachricht vom Schulterschluss zwischen EADS und BAE Systems zunächst einschlug wie eine Bombe, sind Investoren nicht der Ansicht, dass der Megadeal auch wirklich zündet. Das zeigt die negative Kursreaktion für beide Emittenten. Aber auf eine Gegenofferte von Lockheed Martin oder Northrop Grumman für BAE Systems wetten Anleger, wie es scheint, bisher aber auch nicht. Die Karten in der Branche werden neu gemischt. Dabei dürfte auch die italienische, hoch verschuldete Finmeccanica eine Rolle spielen. Die Übernahme hat das Zeug, sich dieses Jahr in den M & A-Listen nach vorn zu schieben und mit 37 Mrd. Euro die Rohstoff-Megafusion Xstrata/Glencore vom Sockel zu stoßen.Fest steht: Mit der Fusion beziehungsweise Übernahme von BAE Systems durch EADS greifen die Europäer im Wehrtechnikgeschäft die den Weltmarkt beherrschenden US-Rivalen an. Und EADS versucht, über die Briten in Amerika selbst stärker an Präsenz zu gewinnen. Denn die Briten sind dort gern gesehene Auftragnehmer. Und mit BAE wird EADS mehr Boeing und stünde künftig auf zwei etwa gleich großen Beinen: Zivil und Militär. Fraglich ist allerdings, ob es gelingt aus dem Zusammenrücken der beiden Europäer Synergien zu ziehen.Jenseits des Großen Teichs ist der Staat der größte Auftraggeber für die Industrie und diese der dominierende Exporteur von Kriegsgerät. Das zeigt sich am Militärbudget, das in diesem Haushaltsjahr bei 531 Mrd. Dollar liegt. Knapp die Hälfte der Firmen auf der Top-100-Rüstungsliste des Friedensforschungsinstituts Sipri stammen aus dem Land. Kleine unter DruckDiese Bastion zu knacken, ist eines der Hauptziele eines fusionierten europäischen Rüstungsgespanns aus BAE und EADS. Die Briten, die etwa die Drohne “Taranis” bauen, machen in den USA angesichts der traditionell engen politischen Bindungen zwischen den beiden Ländern schon gute Geschäfte. BAE steckt etwa hinter dem Schützenpanzer Bradley und arbeitet am Kampfflugzeug F-35 Lightning II mit. EADS hingegen ging bei dem jahrelang umkämpften Auftrag für neue Tankflugzeuge für die US-Airforce leer aus. Den 35 Mrd. Dollar schweren Order zog Boeing an Land. Eine Fusion mit BAE könnte der Airbus-Mutter insofern die Tür zum US-Markt aufstoßen. In dem lukrativen US-Rüstungsmarkt erwarten Beobachter bisher keine Blockade des Deals durch die Wettbewerbsbehörden dort.Das neue Bündnis könnte auch dazu führen, dass kleinere Konzerne der Wehrtechnik unter Druck geraten und enger zusammenrücken. So gab es schon wiederholt Pläne über einen gemeinsamen Kurs der Panzerbauer Rheinmetall und Krauss Maffei Wegmann. Auch bei Finmeccanica, Italiens größtem Rüstungs- und Luftfahrtkonzern. muss etwas passieren. Die mit 4,6 Mrd. Euro in der Kreide stehende Gruppe dürfte zumindest ihren angekündigten Verkauf von Assets bis Jahresende durchziehen. Siemens interessiert sich schon länger für den Kauf von Ansaldo Energia.Die Umstrukturierungen vollziehen sich vor dem Hintergrund von schrumpfenden Wehretats im Westen aufgrund klammer Staatskassen, während in Asien und im Nahen Osten aufgerüstet wird. Das treibt auch Europas Waffenhersteller dazu, verstärkt im Export zu expandieren. Und in der Bundesregierung schwindet zunehmend der Widerstand gegen Lieferungen in politisch brisante Abnehmerländer. So hatte ein Konsortium aus EADS, BAE Systems und Finmeccanica lange darum gekämpft, den Eurofighter nach Indien liefern zu dürfen. Inzwischen macht das Konkurrenzmodell des französischen Herstellers Dassault das Rennen um den 40 Mrd. Dollar wiegenden Großauftrag. Boeing, die infolge des riesigen Wehrhaushalts Washingtons lange auf den Export nicht angewiesen war, hat den Auslandsanteil in der Rüstung auf 25 % verdreifacht.Für Deutschland ist die Luft- und Raumfahrtindustrie nicht zuletzt wegen ihrer Innovationskraft von strategischer Bedeutung, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel gerade erst gesagt. Ähnlich sieht es Frankreich, wobei es zwischen beiden Ländern aber seit EADS-Gründung immer wieder Knatsch gegeben hat.——Die Berater- BAE: Goldman Sachs, Morgan Stanley. Rechtlich Gleacher Shacklock- EADS: Perella Weinberg, Evercore, BNP Paribas, Lazard——