Kampf um neues Millionenpublikum

Europas Fußballclubs drängen in Wachstumsmarkt USA

Die Klub-Weltmeisterschaft in den USA soll für Europas Fußball zur Mega-Vermarktungschance werden. Der Dortmunder Mitgeschäftsführer Carsten Cramer will nun die Stärken der Bundesliga herausstellen.

Europas Fußballclubs drängen in Wachstumsmarkt USA

Fußballclubs drängen in Wachstumsmarkt USA

Borussia Dortmund sieht kommerzielle Möglichkeiten in Deutschland am Limit – WM der Vereine soll Feuer beim amerikanischen Publikum entfachen

Von Alex Wehnert, New York

In der Hitze von Cincinnati liefern die Spieler von Borussia Dortmund ihre bisher beste Leistung des Turniers ab. Gegen den südkoreanischen Meister Ulsan HD lässt der BVB in seinem letzten Vorrundenspiel bei der Fifa Klub-Weltmeisterschaft am Mittwoch dennoch zu viele Chancen liegen, setzt sich aber letztlich mit 1:0 durch und zieht als Gruppensieger ins Achtelfinale ein. Statt großer Namen des Weltfußballs wie Inter Mailand oder River Plate aus Buenos Aires wartet dort der mexikanische Vertreter Monterrey – die Hoffnungen ruhen dennoch darauf, dass dann in den USA endlich Fußballfieber aufkommt.

Gähnende Leere auf den Tribünen

Denn während der Fußball-Weltverband für die erstmals in einem erweiterten Format mit 32 Mannschaften ausgerichtete WM der Vereine die Marketing-Maschine angeschmissen hat und rund 1 Mrd. Dollar an Preisgeldern ausschüttet, prägt bisher das Desinteresse des Publikums das Bild. Gerade in den großen Spielstätten wie dem MetLife Stadium in New Jersey, in denen normalerweise die American-Football-Liga NFL ihre Partien abhält, herrscht gähnende Leere auf den Tribünen. Die Fifa, kritisieren Analysten, habe die Nachfrage überschätzt und die Ticketpreise zu hoch angesetzt. Beim Duell der Dortmunder Gruppengegner Ulsan und Fluminense mussten Zuschauer im Vorverkauf 75 Dollar für eine Karte im Oberrang hinblättern, am Spieltag waren dann plötzlich Sitze deutlich näher am Spielfeld für 30 Dollar verfügbar.

Versöhnlicher Saisonabschluss: BVB-Mitgeschäftsführer Carsten Cramer (rechts) mit seinem für Sport zuständigen Kollegen Lars Ricken nach dem 34. Bundesliga-Spieltag.
Versöhnlicher Saisonabschluss: BVB-Mitgeschäftsführer Carsten Cramer (rechts) mit seinem für Sport zuständigen Kollegen Lars Ricken nach dem 34. Bundesliga-Spieltag.
picture alliance / Maximilian Koch | Maximilian Koch

Der mangelnde Enthusiasmus des US-Publikums passt schlecht zu den Ambitionen europäischer Vereine. „Wenn wir wachsen wollen, dann geht das nur im Ausland“, sagt Carsten Cramer, Mitgeschäftsführer von Borussia Dortmund, gegenüber der Börsen-Zeitung. Der Verein sei in Deutschland hinsichtlich der kommerziellen Möglichkeiten am Limit und strebe in Märkte mit einem noch wachsenden Fußballinteresse. Neben Asien stünden die USA mit einem Publikum von rund 340 Millionen Menschen im Fokus. „Egal, welchen geopolitischen und volkswirtschaftlichen Schwankungen die USA unterliegen, haben Sport, Medien und Entertainment eine herausragende Bedeutung – in diesem prosperierenden Markt wollen wir mitspielen und eine Nische besetzen“, führt Cramer aus.

Harte Konkurrenz

Der Analysedienst Ken Research sieht gewaltige Potenziale für den US-Fußballmarkt, dessen Volumen er bereits auf 1,2 Mrd. Dollar beziffert. Gerade bei der Jugend in Großstädten wie New York, Los Angeles und Miami werde „Soccer“ beliebter, was große Deals für Medienrechte ermögliche. Die WM der Nationalmannschaften, die 2026 in den USA, Kanada und Mexiko stattfindet, soll das Feuer noch anfachen. Dennoch: „Wir sind uns bewusst, dass wir uns in einem enorm harten Konkurrenzumfeld bewegen“, sagt Cramer. Schließlich müssten sich der BVB und der deutsche Fußball nicht nur gegen Sportorganisationen wie die NFL, NBA (Basketball), MLB (Baseball) und NHL (Eishockey) behaupten, sondern auch gegen andere europäische Ligen.

Die englische Premier League sei unglaublich finanzstark und verfüge über eine größere natürliche Nähe zum US-Zuschauer, während die Primera División mit Real Madrid und dem FC Barcelona über große Strahlkraft verfüge und zudem einen Zugang zum großen spanischsprachigen Publikum in den Vereinigten Staaten besitze. Laut der in Alabama ansässigen Samford University kommt die Premier League in den USA bisher auf ein Gesamtpublikum von 36,2 Millionen Zuschauern.

Starke Fankultur als Vorteil für Bundesliga

Spaniens Oberhaus erreicht 13,7 Millionen Amerikaner vor den TV-Bildschirmen und kam zwischen 2022 und 2024 auf eine durchschnittliche Wachstumsrate von 22,1% – übertroffen wurde diese nur von Italiens Serie A, die von niedrigeren Niveaus kommt und große Ressourcen in eine Ausweitung der TV-Übertragungen in Sendungen wie „CBS Sports Golazo“ gesteckt hat. Die Bundesliga kam zuletzt auf eine Zuschauerzahl von 8,6 Millionen US-Fans bei einem Wachstum von 13% pro Jahr.

„Wir verfügen als Bundesliga aber auch über einige Vorteile, die wir nicht aus dem Auge verlieren sollten“, sagt Cramer. Der Dortmunder Mitgeschäftsführer hebt dabei vor allem die starke Fankultur hervor. „Bei uns ist das Stadion mit über 80.000 Plätzen bei jedem Heimspiel ausverkauft, und die Stimmung dort prägt auch das Image und Interesse an Borussia Dortmund im Ausland“, sagt Cramer. Gerade der Ruf des BVB als „Underdog“ sei entscheidend für den Erfolg in den USA.

Schlägt gleich ein: BVB-Top-Transfer Jobe Bellingham trifft gegen die Mamelodi Sundowns.
Schlägt gleich ein: BVB-Top-Transfer Jobe Bellingham trifft im Gruppenspiel der Klub-WM gegen Südafrikas Meister Mamelodi Sundowns.
picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Jeff Dean

„Wir müssen auch in den Vereinigten Staaten unsere Authentizität wahren – das hat entscheidenden Einfluss darauf, welche Partnerschaften wir eingehen“, betont der Sportmanager. Die börsennotierte Borussia kooperiert mit dem NFL-Franchise Pittsburgh Steelers – und nicht nur, weil dessen schwarz-goldene Uniformen gut zu den Dortmunder Vereinsfarben passen. „Pittsburgh als alte Stahl- und Industriehochburg haben wir uns bewusst ausgesucht, da wir starke Parallelen zum Ruhrgebiet sehen“, sagt Cramer. Auch infolge dieser Imagepflege sei die Zahl der Dortmunder Fanclubs in den USA auf 45 gewachsen, wo vor der Coronakrise noch weniger als zehn existierten.

Auch der FC Bayern München, der 2023 eine neue Repräsentanz im New Yorker Rockefeller Center bezogen hat, erhöht seine Sichtbarkeit durch Partnerschaften mit dem Los Angeles FC und dem American-Football-Franchise Kansas City Chiefs. Zudem wird Interesse des deutschen Rekordmeisters kolportiert, Bundesliga-Spiele oder den DFL Supercup im Ausland abzuhalten – Fernando Carro, Geschäftsführer von Rivale Bayer Leverkusen, bezeichnete eine Austragung in den USA im vergangenen Jahr als „möglich“.

Absage an Supercup-Spiele im Ausland

Gerade aufgrund der hohen Bedeutung der Authentizität und Fanbindung seien im Ausland ausgetragene Bundesliga- oder Supercup-Spiele aber „der völlig falsche Weg“, betont Cramer. „Die gelbe Wand im Signal Iduna Park darf nie zum Mäuerchen verkommen, sonst fällt für uns ein internationales Alleinstellungsmerkmal weg“, sagt der Dortmunder Managing Director. In den USA wolle der BVB vielmehr über Sommertourneen, Jugendprogramme, Turniere wie die Klub-WM und über die Vergabe von durch die Deutsche Fußball-Liga zentral vermarkteten Bundesliga-Übertragungsrechten an amerikanische Sender die Präsenz steigern. 

In den USA zur Marke geworden: Die Duelle zwischen Bayern München und Borussia Dortmund.
In den USA zur Marke geworden: Die Duelle zwischen Bayern München und Borussia Dortmund.
picture alliance / Bahho Kara/Kirchner-Media | Bahho Kara

Gemeinsam mit den Bayern sei es gelungen, die Duelle zwischen den deutschen Top-Clubs zum Großereignis zu machen, das auch in den USA gewaltiges Zuschauerinteresse anziehe. Zudem hätten sich Dokuserien, die Sponsoring-Partner Amazon über seine Plattform Prime ausstrahlen könne, als vielversprechend erwiesen. Die Bundesliga prüfe gerade, inwiefern sich ein zusätzliches gemeinsames Format umsetzen lasse. „Dass zur Klub-WM der Puma-Flaggschiffstore auf der New Yorker Fifth Avenue ganz in Schwarzgelb ausstaffiert ist, setzt schon ein Zeichen“, unterstreicht Cramer. Für Sportartikler würden Sponsorendeals umso interessanter, wenn sie einen Anstieg der Trikotverkäufe in neuen Märkten in Aussicht hätten.

Hoher Ressourcenaufwand

Der BVB erzielt 15% der Erlöse – die sich exklusive Transfereinnahmen im Geschäftsjahr 2023/24 auf 509,11 Mill. Euro summierten – außerhalb Deutschlands. „Wir können diesen Umsatzbeitrag natürlich nicht vollständig in die internationale Expansion reinvestieren, da wir als Fußballverein auf einen hohen kurzfristigen Cashflow angewiesen sind“, sagt der Dortmunder Managing Director. Gerade während der Klub-WM wende der BVB aber große Ressourcen auf, um seinen Bekanntheitsgrad zu erhöhen – ‚auch über gezielte Social-Media-Kampagnen von den Austragungsorten aus. 

So ist der langjährige Dortmunder Stammtorhüter Roman Weidenfeller mit in die Vereinigten Staaten gereist und repräsentiert den Verein dort bei zahlreichen Veranstaltungen und auf Instagram. „Wir können unsere verdienten Ehemaligen für Aufgaben einsetzen, für die aktive Spieler aufgrund des vollen Spielplans gar keine Zeit haben“, sagt Cramer. „Dafür bekommen die Legenden zwar auch Geld, aber sie spielen das Vielfache dessen wieder ein.“ Es hält sich die Hoffnung, dass sich der hohe Ressourcenaufwand ab dem Achtelfinale der Klub-WM auch in den Stadien auszahlt.

Die Klub-Weltmeisterschaft in den USA soll für Europas Fußball zur Mega-Vermarktungschance werden. Das Faninteresse hält sich bisher allerdings in Grenzen, trifft „Soccer“ in Amerika doch auf harte Konkurrenz. Der Dortmunder Mitgeschäftsführer Carsten Cramer will nun die Stärken der Bundesliga herausstellen.

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