Evonik macht den Lachs zum Vegetarier
Von Annette Becker, EssenDie beiden Spezialchemiekonzerne Evonik und DSM können einen Forschungserfolg vermelden und krönen diesen mit der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens Veramaris. Seit 2015 forschen die beiden Konzerne, die sich in anderen Arbeitsgebieten als Wettbewerber gegenüberstehen, gemeinsam an der nachhaltigen Gewinnung von den für die (Fisch-)Ernährung wichtigen Omega-3-Fettsäuren. In dieser Zeit wurde jedoch nicht nur das Produkt entwickelt und am Herstellungsprozess gefeilt. Auch die Vermarktungsmöglichkeiten seien ausgelotet worden, erläutert Reiner Beste, Chef der Evonik-Sparte Nutrition & Care.”Ein wichtiger begrenzender Faktor in der Fischzucht ist das Fischöl”, sagt der studierte Agrarwissenschaftler und verweist auf die seit Jahren steigenden Preise für Fischöl, das bis dato fast ausschließlich aus Meeresquellen stammt. Kostete die Tonne Fischöl 2005 erst 500 Euro, würden seit ein paar Jahren 2 000 bis 2 500 Euro je Tonne Fischöl ausgerufen – Tendenz steigend. Zwar werde das “künstlich” hergestellte Öl nicht zu diesem Preis angeboten werden können, doch seien die Futtermittelhersteller an dieser Stelle auch wenig preissensibel, da das Fischöl nur ein kleiner Bestandteil des Fischfutters sei, der die Qualität des Zuchtfischs jedoch maßgeblich beeinflusse, ist Beste überzeugt.Nachdem der Durchbruch in der Forschung gelungen ist – Evonik und die niederländische DSM haben einen Weg gefunden, die langkettigen, ungesättigten Omega-3-Fettsäuren EPA (Eicosapentaensäure) und DHA (Docosahexaensäure) aus bestimmten Meeresalgen im industriellen Maßstab herzustellen -, soll nun eine Produktionsanlage an einem Evonik-Standort in den USA errichtet werden. Die Standortwahl ist eng verknüpft mit den für die Algenzucht benötigten Nährstoffen, allen voran Stärke, die aus Mais gewonnen wird.Das Investitionsvolumen taxiert Beste auf etwa 200 Mill. Dollar, das die Veramaris-Partner in dem 50 : 50-Joint-Venture je hälftig zur Verfügung stellen. Mit der Inbetriebnahme wird 2019 gerechnet. Die jährliche Produktionskapazität soll anfänglich etwa 15 % der weltweiten Nachfrage nach EPA und DHA in der Lachszucht entsprechen. “Mit dem Algenöl von DSM und Evonik lässt sich der steigende Bedarf an EPA und DHA decken, ohne dass dabei Fischbestände gefährdet werden”, stellt Beste heraus.Werden in der konventionellen Aquakultur heute drei Kilogramm Fisch, der die Omega-3-Fettsäuren enthält, zur Produktion von einem Kilogramm Zuchtlachs benötigt, glaubt Beste, dass dieses Verhältnis absehbar deutlich gesenkt werden kann. “Wir machen den Lachs sozusagen zum Vegetarier”, schmunzelt Beste. Last but not least enthält das aus Algen gewonnene Öl etwa zweimal so viel EPA und DHA, so dass mengenmäßig weniger an Zuchtlachse verfüttert werden muss. Industriestandard setzenAlleinstellungsmerkmal des Algenöls ist, dass die beiden relevanten Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA in einem einzigen Prozess hergestellt werden und das Endprodukt dem natürlichen Fischöl insoweit gleicht, als es in der Futtermittelherstellung genauso eingesetzt werden kann wie das aus Fischen gewonnene Fischöl. Zwar will sich Beste zu diesem frühen Zeitpunkt nicht zu den Wirtschaftlichkeitsberechnungen äußern. Doch zeugt es nach seiner Einschätzung von einem wohl begründeten Selbstbewusstsein, wenn aus einer Entwicklungsvereinbarung nach so kurzer Zeit ein konkretes Projekt erwächst, in das ein dreistelliger Millionenbetrag gesteckt wird. “Wir wollen den Industriestandard setzen und haben noch ein paar Jahre Vorsprung”, sagt Beste mit Verweis auf den Patentschutz, ohne sich jedoch auf Jahreszahlen festzulegen. Patentrechtlich geschützt sind nach den Angaben der Algenstamm, das Produkt sowie der Prozess.Das große Potenzial für den Futterstoff lässt sich auch daran ermessen, dass die Nachfrage nach Fisch seit 1950 kontinuierlich wächst, der Fang von Wildfisch jedoch durch Fangquoten begrenzt ist. Folglich stammt immer mehr Fisch aus Aquakulturen. 2015 entfiel bereits die Hälfte der weltweiten Fischproduktion auf Zuchtfisch, 2030 dürften es nach Einschätzung der UN-Gesundheitsorganisation FAO schon 75 % sein. Evonik setzt nun darauf, die Grenzen der Fischzucht, die Ergebnis des begrenzt verfügbaren Fischöls sind, niederreißen zu können.