ExxonMobil will Aktivisten kalt stellen
ExxonMobil will Aktivisten kalt stellen
ExxonMobil will Aktivisten kalt stellen
Aufsicht nickt neues Stimmrechtssystem bei Ölkonzern ab – Auch andere US-Unternehmen dürften Aktionäre übervorteilen
ExxonMobil hat sich im Kampf gegen Nachhaltigkeitsaktivisten aufgerieben. Nun macht sich der Ölriese aber das zunehmend ESG-feindliche Umfeld in den Vereinigten Staaten zunutze, um sich strukturelle Vorteile gegenüber unbequemen Minderheitsaktionären zu verschaffen. Andere Firmen dürften dem Beispiel folgen.
xaw New York
Amerikas führender Energiekonzern erhält eine starke Waffe im Kampf gegen unbequeme Minderheitsaktionäre. ExxonMobil, in den vergangenen Jahren Ziel kritischer Shareholder-Initiativen zu Klimaschutz und Corporate Governance, darf ein umstrittenes Abstimmungssystem einführen. Die US-Börsenaufsicht SEC signalisierte durch ein „No Action“-Schreiben zu Wochenbeginn, dass sie sich den Plänen des Ölriesen nicht in den Weg stellt, die Ausübung der Stimmrechte von Privatanlegern zu automatisieren. Unter dem neuen System sollen die Vota registrierter Retail-Investoren auf Hauptversammlungen künftig im Sinne des Verwaltungsrats ausgezählt werden, sofern die Aktionäre nicht ausdrücklich widersprechen.
ExxonMobil beruft sich darauf, die Teilhabe von Anteilseignern stärken zu wollen. Der Großteil der Aktionärsbasis des Ölkonzerns besteht aus institutionellen Investoren, rund 40% entfallen auf Privatanleger. Davon stimmen nach Unternehmensangaben rund drei Viertel nicht bei Hauptversammlungen ab, da es für sie zu zeitaufwendig erscheine, sich durch die Aktionärsinitiativen zu arbeiten. Der durchschnittliche Retail-Investor hätte das gesamte Vollzeit-Arbeitsjahr 2024 investieren müssen, um die Proxy-Unterlagen im Russell 3000 zu sichten, selbst wenn er für jeden Punkt nur fünf Minuten aufgewandt hätte. Institutionellen Investoren stünden hingegen Dienste offen, die ihnen die Abstimmung erleichterten.
Kontrolle erschwert
„Das ist eine Lücke, die wir schließen wollen“, heißt es auf der Investor-Relations-Seite von ExxonMobil. Denn Aktivisten nutzten die „Lücke“ häufig aus, um „politische Ziele zulasten des Shareholder Value“ voranzutreiben. Governance-Experten sehen das neue Stimmrechtssystem indes eher als Versuch von Verwaltungsrat und Management, noch größeren Einfluss als ohnehin auf Konzernseite zu konzentrieren. Schließlich hatte ExxonMobil vor vier Jahren überraschend einen Stimmrechtskampf gegen den Hedgefonds Engine No. 1 verloren, der die Abhängigkeit des Energieriesen von fossilen Brennstoffen als „existenzielles Geschäftsrisiko“ kritisiert hatte und sich drei Sitze im Verwaltungsrat sicherte.
Die SEC hatte Versuchen von Unternehmen, „Opt-in“-Prozesse für das Stimmrecht einzuführen, zuvor im Weg gestanden – mit Verweis darauf, dass diese die Unternehmensführung zu mächtig werden ließen und die Kontrolle des Managements durch Aktionäre erschwerten. Nun jedoch schafft der Deregulierungskurs von US-Präsident Donald Trump die Voraussetzungen zur Einführung von Stimmrechtssystemen, die Einflussmöglichkeiten von Shareholder-Aktivisten begrenzen. Nach dem „No Action“-Schreiben der SEC steht laut Wirtschaftskanzleien zu erwarten, dass auch andere US-Unternehmen danach trachten werden, Minderheitsaktionäre zu übervorteilen.
Harter Gegenwind für Nachhaltigkeit
Das grüne Licht durch die Börsenaufsicht kommt dabei zu einem Zeitpunkt, zu dem republikanisch dominierte Bundesstaaten und die Regierung in Washington bereits hart gegen Aktionärsinitiativen für Umweltschutz, sozialeres Wirtschaften und eine gute Governance (ESG) vorgehen. Texas legte 2022 eine Liste mit 350 Fonds vor, die angeblich auf unlautere Weise Energieunternehmen boykottierten, und untersagte staatlichen Pensionskassen Investitionen in diese Vehikel. Florida zog mit ähnlichen Maßnahmen nach.
Assetmanager wie Blackrock und Vanguard mussten darauf verkraften, dass ihnen Milliardenmittel einer finanzstarken institutionellen Anlegergruppe abflossen – und knickten ein. Sie beendeten ihre Mitgliedschaft in Bündnissen wie der Net Zero Asset Managers Initiative, die ihre Aktivitäten ohne ihre größten Mitglieder ausgesetzt hat, und unterstützen auf Hauptversammlungen nur noch einen geringen Anteil der ESG-Initiativen.
Dauerkonflikt um ESG
ExxonMobil suchte sich das ESG-feindliche Umfeld bereits 2024 zunutze zu machen. So verklagte der Ölriese den Investmentberater Arjuna Capital und die niederländische Aktivistengruppe Follow This, die sich für Emissionsreduktionen der Texaner einsetzten. Diese hätten ihre Beteiligungen nur aufgebaut, „um das bestehende Geschäft des Unternehmens zu schmälern“. Das zuständige Gericht wies die Klagen zwar unter anderem mit Verweis auf den Sitz von Follow This außerhalb der USA ab – Arjuna musste sich aber verpflichten, ihre Klima-Petitionen nicht erneut einzureichen. Die Aktivisten äußern sich nun kritisch zu dem neuen System bei ExxonMobil. Es handle sich um einen weiteren Versuch, die „Stimmen kritischer Investoren zu unterdrücken“.