Push-Out-Score

Frostiger Jahresauftakt für CEOs

Intel, Synchrony Financial und Qualcomm gehören zu den US-amerikanischen Unternehmen, die im Januar einen Führungswechsel angekündigt haben. Untersuchungen mit dem Analysemodell Push-out Score zeigen, dass zu Beginn des Jahres erzwungene CEO-Wechsel überwogen haben.

Frostiger Jahresauftakt für CEOs

ds Frankfurt

Im Januar hat der Druck auf CEOs ein deutlich erhöhtes Niveau erreicht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Forschungsdienstleisters Exechange*, der 278 CEO-Abgänge von börsennotierten Unternehmen im marktbreiten US-Aktienindex Russell 3000 aus den vergangenen zwölf Monaten mit dem Analysemodell Push-out Score bewertet hat. Der CEO Push-out Index, der monatlich berechnet wird und den durchschnittlichen Push-out Score für CEO-Abgänge in den USA widerspiegelt, stieg von Dezember auf Januar von 4,6 auf 5,9 und kletterte damit von einem leicht reduzierten auf ein deutlich erhöhtes Niveau. Der Index stieg den zweiten Monat in Folge und zudem so stark wie seit neun Monaten nicht mehr. Zum ersten Mal seit fünf Monaten erreichte der Index die obere Hälfte der Skala. Indexwerte über 5 signalisieren, dass offenbar unfreiwillige CEO-Abgänge überwiegen.

Es war ein frostiger Jahresauftakt für CEOs. Im Januar wurde der CEO Push-out Index vor allem von erzwungenen Fluktuationsereignissen und Führungswechseln mit hohen Push-out Scores beeinflusst, darunter die angekündigten CEO-Ab­gän­ge bei Intel, Apollo, Byline Bancorp, Limelight Networks, Select Energy, Global Indemnity und Daseke. Freiwillige Führungswechsel und Ereignisse mit niedrigen bis mittleren Push-out Scores hatten im Januar einen deutlich geringeren Einfluss auf den Index, darunter die CEO-Wech­sel bei Qualcomm, VMware, Synchrony Financial, Cargurus und Associated Banc-Corp.

„Sorgfältige Abwägung“

Mit einem Push-out Score von 8 liegt der CEO-Abgang bei Intel im oberen Viertel der Skala und wirkt steinig. Wie am 13. Januar angekündigt, verlässt Robert H. (Bob) Swan zum 15. Februar seinen Posten als CEO des Halbleiterriesen. Nachfolger ist Patrick (Pat) Gelsinger, der derzeit CEO des Cloud-Softwarespezialisten VMware ist. Fast alle Kriterien des Analysemodells legen nahe, dass Swan unter starkem Abtrittsdruck stand. Die Vorlaufzeit von 33 Tagen ist knapp. Das ist der erste Punkt für den Push-out Score. Die Dauer von Swans Amtszeit als CEO von zwei Jahren und acht Monaten ist kurz. Punkt Nummer 2. Die Ankündigung folgt auf einen Rückgang des Aktienkurses um 12% seit Januar 2020 – während viele Chipwerte an der Börse boomen. Punkt 3. Der Grund für den Führungswechsel ist nicht vollständig transparent. Punkt 4. Chairman Omar Ishrak, der erst seit zwölf Monaten im Amt ist, erklärte: „Nach sorgfältiger Abwägung ist der Board zu dem Schluss gekommen, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für diesen Führungswechsel ist, um in dieser kritischen Phase der Transformation bei Intel auf Pats Technologie- und Ingenieurswissen zurückgreifen zu können.“ Das klingt ganz so, als halte der Board einen CEO mit anderen Fähigkeiten für dringend nötig.

Die Umstände des Managementwechsels sind herausfordernd. Punkt 5. Intel steht unter Druck des aktivistischen Investors Dan Loeb, der im Dezember 2020 den Board aufforderte, strategische Alternativen für das Unternehmen zu prüfen, einschließlich einer möglichen Aufspaltung und eines Verkaufs von Teilen. Die Nachfolgeregelung wirft Fragen auf. Punkt 6. Die Tatsache, dass Swans Nachfolger von außen geholt wird, spricht dafür, dass der Board frischen Wind will. Zugleich kennt Gelsinger Intel gut, denn dort hatte er seine Karriere begonnen.

Form und Sprache der Ankündigung liefern die Punkte 7 und 8. In der Mitteilung von Intel aus Santa Clara, Kalifornien, erhält Bob Swan Lob und Dank, aber keine Anerkennung für konkrete und quantifizierte Erfolge, kein Wort des Bedauerns und keine guten Wünsche. Pat Gelsinger erklärt unterdessen, er freue sich darauf, bei Intel „Innovationen zu beschleunigen“, was als indirekte Kritik an dem scheidenden CEO gelesen werden kann. Fazit: Ankündigungsfrist, Amtszeit, Aktienkursentwicklung, offizieller Grund, Umstände, Nachfolgeplan, Form der Ankündigung und Sprache in der Mitteilung lassen acht rote Fahnen wehen. Nur Swans Alter von 60 Jahren verhinderte, dass die Punktzahl höher kletterte.

Mit einem Push-out Score von 4 liegt der CEO-Abgang bei Synchrony Financial in der unteren Hälfte der Skala und erscheint ehrenhaft. Wie am 12. Januar angekündigt, verlässt Margaret M. Keane, eine der wenigen weiblichen CEOs in der nordamerikanischen Finanzwelt, zum 1. April 2021 ihren Posten als CEO des größten US-Anbieters von Kundenkreditkarten. Auf den ersten Blick sieht alles glatt aus. Erstens ist Keane mit 61 Jahren langsam pensionsreif. Zweitens ist die Vorlaufzeit von 79 Tagen angemessen. Drittens ist die Dauer von Keanes Amtszeit als CEO von sieben Jahren und zwei Monaten (per 1. April 2021) einwandfrei. Viertens deutet der Nachfolgeplan auf einen reibungslosen Stabswechsel hin. Neuer CEO wird Brian D. Doubles, der seit 2019 als President von Synchrony tätig ist. Keane wird in die Rolle des Executive Chair wechseln. Fünftens ist die Sprache in der Mitteilung angemessen. Keane spricht in den höchsten Tönen von Brian Doubles, den sie als „natürlichen Nachfolger“ bezeichnet. Bei näherer Betrachtung hat das glatte Bild Kratzer. Die Ankündigung folgt auf einen Aktienkursverfall von 7% seit Januar 2018. Das ist der erste Punkt für den Push-out Score. Der Grund für den Führungswechsel ist nicht ganz klar. Punkt Nummer 2. Keane sagt: „Da sich Synchrony in einer Position der Stärke befindet, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um diesen geplanten Führungswechsel einzuleiten.“

Position der Stärke? Diese Aussage ist gelinde gesagt Interpretationssache. Die Umstände des Führungswechsels sind herausfordernd. Punkt 3. Synchrony, die Kreditkarten für Gap, Sam’s Club und andere große Händler ausgibt, muss über den stationären Handel hinaus diversifizieren, da die Verbraucher zunehmend online einkaufen. Synchrony verweist in der Abtrittsmeldung sicher nicht zufällig darauf, dass Doubles im Jahr 2020 daran arbeitete, die Prioritäten „schnell zu verschieben, um dem sich verändernden Wirtschafts- und Arbeitsumfeld gerecht zu werden“. Die Form der Ankündigung zeigt Anomalien. Punkt 4. In der Meldung von Synchrony aus Stamford, Connecticut, erhält Keane Lob und Dank, aber keine Auszeichnungen für konkrete und quantifizierte Erfolge. Fazit: Aktienkursentwicklung, offizieller Grund, Umstände und Form der Ankündigung lassen vier rote Fahnen wehen. Der Push-out Score von 4 trägt der Tatsache Rechnung, dass der Abtritt nicht ganz einwandfrei zu sein scheint.

Oberflächlich glatt

Mit einem Push-out Score von 5 liegt der CEO-Abgang bei Qualcomm genau in der Mitte der Skala und wirkt zweischneidig. Wie am 5. Januar angekündigt, hat Steve Mollenkopf den Board des Mobilfunkchipspezialisten über „seine Entscheidung informiert, als CEO nach 26 Jahren im Unternehmen in den Ruhestand zu treten“. Er soll am 30. Juni zur Seite treten, und bei oberflächlicher Betrachtung wirkt vieles glatt. Erstens ist die Vorlaufzeit von 176 Tagen angemessen. Zweitens ist die Dauer von Mollenkopfs Amtszeit als CEO von sieben Jahren und vier Monaten (zum 30. Juni 2021) tadellos. Drittens folgt die Ankündigung auf einen Aktienkursanstieg von 67% seit Januar 2020. Viertens deutet der Nachfolgeplan auf eine geordnete Stabsübergabe hin. Mollenkopfs Aufgaben als CEO werden von Cristiano Amon, derzeit President von Qualcomm, übernommen.

Zugleich leuchten fünf Warnlampen auf. Mit 52 Jahren scheint Mollenkopf für den Ruhestand noch etwas jung. Das ist der erste Punkt für den Push-out Score. Der Grund für den Führungswechsel ist nicht ganz klar. Punkt Nummer 2. Mollenkopf sagte: „Mit (…) unserer Führungsrolle im Bereich 5G ist dies der richtige Zeitpunkt für Cristiano, die Führung des Unternehmens zu übernehmen.“ Der richtige Zeitpunkt für Cristiano? Mollenkopfs Aussage wirft Fragen auf. Braucht das Unternehmen einen CEO mit anderen Fähigkeiten? Ist die Qualität des CEOs unter das Niveau gefallen, das von einem Nachfolger zu erwarten ist? Hat der scheidende CEO das Gefühl, dass es der richtige Zeitpunkt zum Gehen ist, weil er zu seinen eigenen Bedingungen abtreten möchte?

Pandemie ändert den Markt

Mit 50 Jahren ist der neue CEO nur zwei Jahre jünger als der scheidende. Ein Generationswechsel an der Spitze würde anders aussehen. Die Umstände des Wechsels sind herausfordernd. Punkt 3. Die Chipindustrie steckt in einem tiefgreifenden Wandel angesichts der durch die Pandemie ausgelösten Nachfrage nach Digitaltechnik. Zugleich stellen große Kunden wie Apple und Samsung ihre Chips zunehmend selbst her. Form und Sprache der Ankündigung liefern die Punkte 4 und 5. In der Meldung von Qualcomm aus San Diego, Kalifornien, erhält Mollenkopf Lob und Dank, aber keine Anerkennung für konkrete und quantifizierte Erfolge, kein Wort des Bedauerns und keine guten Wünsche. Der erst seit 17 Monaten amtierende Chairman Mark McLaughlin erklärt, Cristiano Amon sei die „klare Wahl“ als nächster CEO. Fazit: Alter, offizieller Grund, Umstände, Form der Ankündigung und Sprache in der Mitteilung lassen fünf rote Fahnen wehen. Der Push-out Score von 5 zeigt an, dass der Abgang in vielerlei Hinsicht vom Ideal abweicht.

*) Inhaber von Exechange ist Daniel Schauber, der auch Redakteur bei der Börsen-Zeitung ist. Börsen-Zeitung und Exechange sind voneinander unabhängig. Die Inhalte dieser Seite basieren auf einer Studie von Exechange.

Ausgewählte CEO-Abgänge in den USA
angekündigtUnternehmenNamePush-out Score
13.01.21IntelBob Swan8
12.01.21Synchrony FinancialMargaret Keane4
05.01.21QualcommSteve Mollenkopf5
15.12.20Mettler-ToledoOlivier Filliol4
10.12.20Philip MorrisAndré Calantzopoulos5
03.12.20Curtiss-WrightDave Adams1
24.11.20Dick’s Sporting GoodsEd Stack0
12.11.20EnergizerAlan Hoskins7
06.11.20CVS HealthLarry Merlo2
26.10.20AIGBrian Duperreault3
22.10.20Moody’sRay McDaniel0
05.10.20WelltowerTom DeRosa6
21.09.20Howard HughesPaul Layne8
10.09.20CitigroupMike Corbat5
04.09.20ON SemiconductorKeith Jackson1
20.08.20AgcoMartin Richenhagen0
04.08.20FordJim Hackett6
03.08.20CloroxBenno Dorer5
22.07.20New York TimesMark Thompson1
21.07.20CarlyleGlenn Youngkin6
14.07.20AutonationCheryl Miller9
26.06.20NavistarTroy Clarke4
17.06.20AmkorSteve Kelley5
17.06.20WatersChris O’Connell6
18.05.20HertzKathy Marinello6
07.05.20FiservJeff Yabuki1
06.05.20DanaherTom Joyce0
24.04.20AT&TRandall Stephenson5
17.04.20AltriaHoward Willard8
06.04.20SeaworldSerge Rivera10
25.03.20GrouponRich Williams10
16.03.20American TowerJim Taiclet0
12.03.20United Parcel ServiceDavid Abney5
28.02.20Harley-DavidsonMatt Levatich10
25.02.20Walt DisneyBob Iger4
20.02.20L BrandsLes Wexner6
Quelle: ExechangeBörsen-Zeitung