Für Covestro-CFO ist Zoll-Deal „ein ganz wichtiger Schritt“
IM INTERVIEW: Christian Baier
„Zoll-Deal ist ein ganz wichtiger Schritt“
Covestro-CFO: Handelsbeziehungen zwischen USA und China entscheidend – Keine zusätzlichen Investitionen für „Made for Germany“
Covestro bekommt die Zweitrundeneffekte des Zollkonflikts „USA gegen den Rest der Welt“ massiv zu spüren. Im Interview mit der Börsen-Zeitung erläutert Finanzchef Christian Baier, warum das Abkommen mit der EU gut ist. Wichtiger sei jedoch, wie es in den Beziehungen zwischen China und den USA weitergehe.
Herr Baier, hat sich die deutsche Chemieindustrie und damit Covestro zu lange in die eigene Tasche gelogen mit der Aussage, dass die direkte Betroffenheit durch Zölle gering ist, weil in der Region für die Region produziert wird? Sprich: Haben Sie die indirekten Auswirkungen unterschätzt?
Die indirekten Folgen haben definitiv eine hohe Relevanz. Wenn wir auf das zweite Quartal schauen, kann jeder einschätzen, inwieweit die Zölle und auch die Psychologie einen großen Unterschied machen. Die Planbarkeit ist mit der Art und Weise und dem Umfang der Zölle massiv heruntergegangen. Es war uns bewusst, dass es relevante Auswirkungen geben kann. Die Massivität der Produkte, die in einzelnen Regionen verbleiben, und der Druck auf die Marge sind umfangreich. Wir arbeiten daran, unsere globalen Produktströme zu optimieren, so dass sie Zoll-konform sind und uns möglichst wenig beeinträchtigen. Gleichzeitig können wir uns nicht komplett von der Weltwirtschaft abkoppeln.
Sie haben die Prognose vor Abschluss des Zoll-Abkommens zwischen der EU und den USA reduziert. Droht jetzt eine weitere Revision?
Planbarkeit ist in diesen Zeiten ein extrem hohes Gut. Deswegen ist der Zoll-Deal ein ganz wichtiger Schritt. Aus unserer Perspektive kann man darauf aufbauen, um die transatlantischen Beziehungen weiterzuentwickeln und zu stärken. Genauso wichtig ist aber, wie die Beziehungen zwischen den USA und China künftig aussehen. Der tollste Zoll-Deal zwischen Europa und den USA nutzt nichts, wenn die Schranken zwischen China und den USA extrem hoch sind. Dann kommen große Teile der Produkte nach Europa. Die müssen dann zunächst durch zusätzliche Nachfrage absorbiert werden, um Margenattraktivität zu sichern.
Die Kapazitäten im Markt sind so groß, dass es momentan einen Angebotsüberhang gibt.
Christian Baier
Wie gehen Sie mit dem Überangebot am Weltmarkt um?
Trotz der angespannten Situation sind unsere Absatzmengen im zweiten Quartal stabil geblieben. Das gilt insbesondere für unser Segment Specialties & Solutions. Der Preisdruck ist aber natürlich relevant, gerade im Commodity-Bereich. Mittelfristig ist die Nachfrage nach unseren Produkten weiter hoch. Allerdings sind die Kapazitäten im Markt so groß, dass es momentan einen Angebotsüberhang gibt.
Wie kann der aufgelöst werden?
Die Lösung ist so simpel wie kompliziert. Wir brauchen ein attraktives Nachfrageumfeld, in dem Menschen Lust darauf haben, beispielsweise ihr Haus zu isolieren. Dafür benötigen sie Sicherheit hinsichtlich ihrer persönlichen wirtschaftlichen Situation. Dann würde sich mittelfristig zeigen, dass die Kapazitäten im Markt tatsächlich gebraucht werden.
Sollten die Standortbedingungen an Attraktivität gewinnen, sind wir natürlich gewillt, weiter zu investieren.
Christian Baier
Psychologie und Stimmung sind entscheidende Faktoren, wie Sie sagen. Covestro nimmt daher auch an der Initiative „Made for Germany“ teil. Können Sie sagen, was Covestro an zusätzlichen Investitionen beisteuert?
„Made für Germany“ ist eine Kombination aus faktischen Investitionen, die über die teilnehmenden 61 Unternehmen noch einmal erhöht wurden, und dem Vertrauen in den Standort Deutschland. Das ist der psychologische Aspekt. Wir als Covestro haben unsere Investitionsplanungen für bereits bestehende Projekte an unseren deutschen Standorten für die Jahre 2025 bis 2028 für die Initiative bereitgestellt.
Was bringt die Initiative dann tatsächlich?
Sollten die Standortbedingungen an Attraktivität gewinnen, sind wir natürlich gewillt, kontinuierlich weiter zu investieren. Wir investieren jährlich dreistellige Millionenbeträge in unsere deutschen Standorte. Inwieweit wir zusätzlich investieren, hängt von den regulatorischen Rahmenbedingungen und der Nachfragesituation in Deutschland und vor allem in Europa ab.
Jetzt stehen noch drei Genehmigungen aus – eine aus Berlin, ausländische Direktinvestition betreffend, eine wie beschrieben in Brüssel und eine in Vietnam.
Christian Baier
Regulatorik ist ein gutes Stichwort. Anfang der Woche hat die EU-Kommission unter der neuen Subventionsregelung (FSR) die vertiefte Prüfung der Covestro-Übernahme durch Adnoc eingeleitet. Was heißt das für die Transaktion und für Covestro?
Wir sind weiterhin sehr zuversichtlich, dass wir den Deal in der zweiten Jahreshälfte abschließen können. Wir sind davon ausgegangen, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Phase-II-Prüfung gibt. Für uns ist wichtig, dass wir – und das inkludiert Adnoc bzw. XRG – von Tag eins an in intensivem und konstruktivem Dialog mit der EU-Kommission stehen. Wir benötigen rund 30 regulatorische Freigaben. Jetzt stehen noch drei Genehmigungen aus – eine aus Berlin, ausländische Direktinvestition betreffend, eine wie beschrieben in Brüssel und eine in Vietnam. Wir sind guter Dinge, dass wir in den vorgegebenen Fristen vorankommen.
Vertiefte Prüfungen münden häufig in Freigaben unter Auflagen. Wie könnten in Ihrem Fall Auflagen aussehen?
Es ist a) zu früh, darüber zu spekulieren, und b) sind wir sehr zuversichtlich, dass wir mit unseren Argumenten eine Freigabe erhalten.
Sehen Sie die Gefahr, dass der Deal am Ende noch platzt?
Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir die Transaktion umsetzen werden.
Das Interview führte Annette Becker.