Gilead stemmt dritten Milliardendeal

Biotechkonzern stärkt Krebsmedikamentensparte durch Übernahme von Immunomedics für 21 Mrd. Dollar

Gilead stemmt dritten Milliardendeal

cru Frankfurt – Gilead Sciences will den Konkurrenten Immunomedics für rund 21 Mrd. Dollar übernehmen und so den Fokus auf die Onkologie verstärken. Der kalifornische Biotechkonzern bietet das Doppelte vom Börsenwert des Anbieters einer vielversprechenden Brustkrebstherapie – ein beträchtlicher Aufschlag, um sich in dem Rennen gegen potenzielle andere Interessenten schon vorab durchzusetzen. Gilead geht mit dem Deal zum dritten Mal in drei Jahren eine Milliardenwette ein, dass ein innovatives Tumorbekämpfungsmedikament den Wert des Unternehmens steigert. Hoher AufschlagDie vorgeschlagene Transaktion für 88 Dollar pro Aktie bewertet Immunomedics mehr als doppelt so hoch wie der Schlusskurs von 42,25 Dollar am Freitag. Das in New Jersey ansässige Unternehmen stellt ein Brustkrebsmedikament namens Trodelvy her, das im April von der Aufsichtsbehörde US Food and Drug Administration (FDA) zugelassen wurde. Seitdem ist der Kurs von Immunomedics aufgrund der Erwartung der Investoren, dass das grüne Licht der FDA für das Medikament das Unternehmen zu einem attraktiven Übernahmeziel machen könnte, in die Höhe geschnellt.Die Zulassung von Trodelvy erfolgte, nachdem Daten aus klinischen Studien gezeigt hatten, dass es bei Patientinnen, die das Medikament als dritte Therapielinie erhielten, den dreifach negativen Brustkrebs fast vier Monate länger zurückschlug als eine Chemotherapie. Die schwer zu behandelnde Erkrankung – die etwa 10 bis 15 % aller Brustkrebsfälle ausmacht – spricht auf viele der derzeitigen Behandlungsschemata nicht an. Immunomedics plant, das Medikament noch 2020 auf den Markt zu bringen.Gilead wurde in der Biotech-Branche beneidet für eine einträgliche Hepatitis-C-Behandlung, bei der eine Tablette zeitweise bis zu 1 000 Dollar kostete. Jetzt erklärte CEO Daniel O’Day zur Offerte für Immunomedics: “Diese Übernahme stellt einen bedeutenden Fortschritt in Gileads Aufbau eines starken und vielfältigen Onkologie-Portfolios dar.” Aktienkurs verdoppeltDer Immunomedics-Kurs hat sich im vorbörslichen New Yorker Handel auf 87,77 Dollar mehr als verdoppelt. Ebenfalls vorbörslich gab Gilead um 0,5 % auf 64,60 Dollar nach.Das Medikament Immunomedics ist eine Art von Therapie, die Wissenschaftler seit Jahrzehnten erforschen und die als Antikörper-Wirkstoff-Konjugat oder ADC bezeichnet wird. Die Idee besteht darin, ein sichereres, zielgerichteteres Krebsmedikament mit einem Antikörper herzustellen, der sich selektiv an einen Tumor bindet und ein Gift freisetzt, um ihn abzutöten. Theoretisch könnte die Technologie potenziell bei fast allen Tumorarten funktionieren.CEO O’Day sagte, Gilead sei an dem Medikament wegen der potenziell weitreichenden Auswirkungen interessiert. “Es steckt gleichsam eine ganze Pipeline in nur einem Produkt”, sagte O’Day. Zusätzlich zur nachgewiesenen Wirksamkeit bei dreifach negativem Brustkrebs habe Trodelvy Potenzial bei Blasenkrebs, hormonrezeptorpositivem Brustkrebs, Lungenkrebs und verschiedenen anderen Tumorarten.Nachdem die Aufsichtsbehörde FDA Trodelvy im Frühjahr genehmigt hatte, habe Gilead mit Immunomedics über eine Partnerschaft zu sprechen begonnen, sagte O’Day. Gilead sei eines von mehreren Unternehmen, die an Gesprächen mit Immunomedics beteiligt seien. In den vergangenen zwei Wochen hätten sich die Gespräche in Richtung einer Übernahme gewendet, da Gilead und Immunomedics erkannt hätten, dass sie das volle Potenzial des Medikaments besser gemeinsam nach einer Fusion ausschöpfen.Angesichts der rückläufigen Verkäufe der bislang sehr einträglichen Blockbuster-Hepatitis-C-Behandlungen hat Gilead seit mehreren Jahren Anstrengungen unternommen, die Onkologie zu erweitern. Im Jahr 2017 zahlte Gilead 11,9 Mrd. Dollar für die Übernahme von Kite Pharma, dem Hersteller des CAR-T-Krebstherapeutikums Yescarta. Aber diese Behandlung hat nicht die Art von Spitzenumsätzen gebracht, die sich Analysten erhofft hatten, und der langsame Start hat den Druck auf Gilead erhöht, eine herausragende Krebsbehandlung zu finden.Gilead hat sich seither auf Medikamente konzentriert, die das Immunsystem zur Bekämpfung von Tumoren nutzen. Anfang 2020 zahlte der Konzern rund 4,9 Mrd. Dollar für den Arzneimittelhersteller Forty Seven und sein experimentelles Immuntherapeutikum Magrolimab. Gilead hat auch Vereinbarungen mit Unternehmen wie Arcus Biosciences und Jounce Therapeutics getroffen, die ebenfalls an experimentellen immunoonkologischen Behandlungen arbeiten.Gilead, die in Foster City, Kalifornien, ansässig ist, stand 2020 wegen der Antivirustherapie Remdesivir im Rampenlicht, dem ersten Medikament, das die Zulassung für die Behandlung von Covid-19 erhalten hat. Die Aufregung um dieses Medikament ließ den Gilead-Kurs von März bis Mai in die Höhe schnellen – und im Juni wurde berichtet, dass Gilead Gespräche über einen Zusammenschluss mit AstraZeneca führt. Der britische Arzneimittelhersteller hatte 2019 ebenfalls auf Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADCs) gesetzt und in eine Lungen- und Brustkrebstherapie des japanischen Unternehmens Daiichi Sankyo investiert.Seither ist der Enthusiasmus der Investoren verflogen. Gilead erlitt im August einen Rückschlag, nachdem die US-Regulierungsbehörden ein Medikament gegen rheumatoide Arthritis nicht genehmigt hatten, das Gilead mit dem belgischen Biotech-Unternehmen Galapagos entwickelt. Auch das Vertrauen der Investoren in das kommerzielle Potenzial von Remedesivir hat abgenommen. 82 Mrd. Dollar MarktwertBis zum Börsenschluss am Freitag stiegen die Aktien von Gilead seit Jahresbeginn um etwa 1 %, so dass das Unternehmen einen Marktwert von 82,2 Mrd. Dollar hatte. Die Übernahme von Immunomedics verschafft Gilead eine sofortige Präsenz auf dem enormen Markt für Medikamente zur Behandlung von soliden Tumoren wie Brustkrebs und ergänzt die auf Bluttumore ausgerichteten Medikamente wie Yescarta.”Dies ist ein wirklich wichtiger Moment für Gilead. Der Deal ermöglicht uns, ein klareres Wachstumsprofil für das Unternehmen außerhalb der Virologie zu haben”, sagte CEO O’Day. “Dies ist ein klarer nächster Wachstumsmotor für uns.” Es sei sehr sicher, dass das Medikament ein Umsatzpotenzial von mehreren Milliarden Dollar habe. Die Offerte von Gilead, die nicht an eine Finanzierungsbedingung geknüpft ist, wird mit 15 Mrd. Dollar in bar und 6 Mrd. Dollar an neu ausgegebenen Anleihen finanziert. Es wird erwartet, dass der Deal 2023 Gileads bereinigten Gewinn pro Aktie nicht schmälert und danach zum Gewinn beiträgt. Lazard und Morgan Stanley beraten Gilead. Centerview Partners und Bank of America Securities wurden von Immunomedics engagiert.