Bayer

Glyphosat-Vergleich ist vom Tisch

Bayer muss im Zusammenhang mit den Glyphosatklagen erneut eine Schlappe vor dem zuständigen US-Gericht in San Francisco einstecken. Reagiert wird nun mit einem Maßnahmenbündel außerhalb der Gerichtssäle. Finanziell ändert sich vorerst aber nichts.

Glyphosat-Vergleich ist vom Tisch

ab Köln

Eine Woche hat Richter Vince Chhabria gewartet, um den nachgebesserten Vergleichsvorschlag von Bayer zum Umgang mit möglichen künftigen Klagen zurückzuweisen. Aus Sicht von Bayer ist der vorgeschlagene Vergleichsmechanismus damit endgültig vom Tisch. „Jetzt sind wir in der Pflicht und haben die Kontrolle“, gab sich Bayer-Chef Werner Baumann in einer Telefonkonferenz kämpferisch. An dem Vergleichskonzept hatte Bayer mit den Klägerkanzleien knapp ein Jahr lang herumgedoktert und wurde vom Gericht ein ums andere Mal zu Nachbesserungen verdonnert. Nochmalige Änderungen wären nicht im Bayer-Interesse gewesen, sagte Baumann. Richten soll es jetzt ein Maßnahmenpaket.

Hinsichtlich der finanziellen Belastungen im Zusammenhang mit den Klagen werde sich zunächst nichts ändern. Insgesamt hat Bayer für die Causa Glyphosat 11,6 Mrd. Dollar zurückgestellt. Mit 9,6 Mrd. Euro entfällt der größte Brocken auf das Abarbeiten der anhängigen Klagen. Für den Umgang mit künftigen Klagen hatte Bayer bislang 2 Mrd. Dollar reserviert. Daran werde zunächst festgehalten, denn die langfristigen Haftungsrisiken seien der Höhe nach noch nicht absehbar und hingen von verschiedenen Faktoren ab. Allerdings bringe das Scheitern des Vergleichs in diesem und dem kommenden Jahr Verbesserungen für den Cash-flow. Bislang war Bayer für den laufenden Turnus von einem Mittelabfluss von 3 bis 4 Mrd. Euro ausgegangen.

Diese Aussicht reichte den Investoren jedoch nicht. Sie sorgen sich vielmehr um den Aufbau einer zweiten Klagewelle mit unkalkulierbaren Kosten. Die Aktie brach am Donnerstag in der Spitze um über 5% ein. Zum Handelsende stand mit 52,20 Euro ein Tagesverlust von 5% zu Buche. Damit ist die Aktie auf das Niveau von Anfang März zurückgeworfen.

Der vorgeschlagene Lösungsmechanismus sei der fairste und effizienteste Weg gewesen, um die Risiken möglicher künftiger Klagen zu minimieren, sagte Baumann. „Aber es ist auf keinen Fall der einzige Weg.“ Konkret will Bayer mit rechtlichen und kommerziellen Maßnahmen ein vergleichbares Niveau an Risikominimierung mit Blick auf mögliche künftige Klagen erreichen. Geprüft wird ein sogenannter 5-Punkte-Plan.

Privatkunden im Blick

Dabei geht es zum einen um die Möglichkeit, alle Roundup-Nutzer mit Informationen und wissenschaftlichen Studien zu versorgen, auf Basis derer sie selbst eine Risikoabwägung vornehmen können. Der Link zu dieser noch einzurichtenden Internetseite soll – sofern es die US-Umweltbehörde EPA genehmigt – auch auf die Etiketten der glyphosathaltigen Produkte gedruckt werden. Zum anderen werde geprüft, Glyphosat in den Produkten für den US-Privatkundenmarkt durch alternative Inhaltsstoffen zu ersetzen. Nicht gerüttelt wird allerdings an der Marke Roundup. Zudem wird an der Zusammensetzung der Roundup-Produkte für die Landwirtschaft und andere professionellen Anwendungen festgehalten. Die Überlegungen beschränken sich auf den Privatkundenmarkt in den USA, weil mehr als 90 % der eingegangenen Klagen von nichtprofessionellen Anwendern stammen. In diesem Segment erlöst Bayer jährlich etwa 300 Mill. Euro. Zum Vergleich: Vom Herbizidumsatz von 5 Mrd. Euro entfällt mehr als die Hälfte auf Roundup-Produkte.

Zudem will Bayer auch alternative Lösungswege für den Umgang mit künftigen Klagen suchen. Spruchreif sei derzeit aber noch nichts. Die Überlegungen kreisten um ein unabhängiges wissenschaftliches Beratungsgremium, das die Sicherheit der Produkte mit Fokus auf die zentralen Fragen in den bisherigen Verfahren untersuchen soll. Zugleich kündigt Bayer an, die Vergleichsbemühungen beim Abarbeiten der aktuellen Klagen auf den Prüfstand zu stellen. Bislang haben die Leverkusener etwa 96 000 der anhängigen 125 000 Klagen im Vergleichsweg endgültig beigelegt.

Last, but not least setzt Bayer darauf, vom obersten Gericht (Supreme Court) eine Entscheidung zu bekommen, die dem gesamten Klagekomplex eine neue Richtung geben könnte. Im Zentrum der Diskussion steht die Frage, ob Bundesrecht vor Staatenrecht geht. Ein Urteil des Supreme Court könnte, wenn alles nach Plan läuft, Mitte nächsten Jahres gefällt werden, so Baumann. Der Supreme Court ist die letzte Instanz, vor die Bayer die drei bislang gesprochenen Urteile tragen kann. Während zwei dieser Verfahren auch in der Berufung scheiterten, befindet sich der Fall Carson aktuell im Berufungsprozess.