Im DatenraumEuropäische Batteriezellfertigung

Ernüchterung statt Goldgräberstimmung

Bleibt die Elektromobilität in Europa abhängig von Zellimporten aus Asien? Gescheiterte Batterieproduktionsprojekte wie bei Northvolt sorgen für Ernüchterung.

Ernüchterung statt Goldgräberstimmung

Europäische Batteriezellfertigung

Ernüchterung statt Goldgräberstimmung

ste Hamburg

Zum 30. Juni soll die Produktion von Batteriezellen im zentralen Werk des insolventen Batterieherstellers Northvolt im nordschwedischen Skellefteå eingestellt werden. Mit dem Aus für „Northvolt Ett“ endet die Geschichte eines Hoffnungsträgers, der in Finanzierungsrunden Milliarden einsammelte und als Börsenkandidat galt. Das 2016 in Stockholm gegründete Startup sollte dazu beitragen, die Abhängigkeit der europäischen Autoindustrie von Batterieproduzenten aus Asien beim Hochlauf der Elektromobilität zu reduzieren.

Das Scheitern von Northvolt, das auf Qualitätsprobleme, den Verlust von Aufträgen und den Rückzug von Investoren zurückzuführen ist, wirft die Frage auf, welche Perspektiven Europa als Standort für Zellproduktion hat. Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung hat die verzögerten oder gescheiterten Produktionsprojekte in Europa gemessen an den Produktionskapazitäten mit bereits mehr als 700 Gigawattstunden (GWh) beziffert. Davon entfielen allein 240 GWh auf Projekte in Deutschland.

Aktuell schwerfällig

Angekündigt waren Kapazitäten in Europa von mehr als 2 Terrawattstunden (TWh) bis 2030. Die vergangenen Jahre hätten aber gezeigt, dass eine Umsetzung aller avisierten Vorhaben äußerst unwahrscheinlich ist, so das Institut. Ernüchterung statt Goldgräberstimmung, auch weil sich der Markthochlauf der Elektromobilität langsamer vollzieht als erwartet. Die Forscher gehen dennoch davon aus, dass sich Europa „trotz der aktuellen Schwerfälligkeit“ als zukunftsfähiger Standort für die Batteriezellproduktion positionieren kann. Ein positives Zeichen gäbe es, sollte es gelingen, Investoren für die Umsetzung des 2024 gestarteten Fabrikprojekts „Northvolt Drei“ im schleswig-holsteinischen Heide zu gewinnen.

Laut einer Sprecherin der zuständigen Northvolt Drei Project GmbH, die als eigenständige Gesellschaft in Deutschland nicht unmittelbar vom Insolvenzverfahren der schwedischen Northvolt AB betroffen ist, gehen die Arbeiten an dem Fabrikprojekt und auf der Baustelle weiter. Alle aktuellen Maßnahmen erfolgten in enger Abstimmung mit der KfW. Für das Vorhaben wurden bislang neben eigenen Finanzmitteln Gelder aus einer 600-Mill.-Euro-Wandelanleihe der staatlichen Förderbank verwendet. Letztere sind nicht Teil der Insolvenzmasse. Der Fokus, so die deutsche Northvolt-Gesellschaft, liege vor allem auf wertsteigernden Infrastrukturarbeiten. Northvolt AB befinde sich weiterhin in intensiven Gesprächen mit potenziellen Investoren. Es bestehe „großes Interesse am Standort bei Heide“.

Im strategischen Interesse

Dass die Bauarbeiten in Schleswig-Holstein fortgesetzt werden und Northvolt den Angaben zufolge Gespräche mit potenziellen Investoren führt, nimmt man in Berlin wohlwollend zur Kenntnis. „Beides begrüßen wir“, heißt es aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Die neue Koalition aus Union und SPD will den Aufbau der Batteriezellfertigung inklusive der Rohstoffgewinnung, des Recyclings und des Maschinen- und Anlagenbaus fördern. Batterien, so das Ministerium, seien das Herz von E-Autos und in Zeiten zunehmender Elektrifizierung für viele andere Bereiche als Energiespeicher zentral, so auch als Teil eines sicheren und zuverlässigen Stromnetzes. Der Aufbau einer Batteriezellfertigung sei daher im strategischen Interesse Deutschlands und Europas.

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