Goldman Sachs erlebt Boom für Platzierungen großer Aktienpakete
Boom bei Platzierung großer Aktienpakete
Goldman Sachs erwartet nach Quartalssaison wieder besseres Umfeld für Börsengänge – Kein Exodus in die USA
Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt
Finanzinvestoren, Konzerne und Milliardärsfamilien nutzen die hohen Kurse an den Aktienmärkten, um Kasse zu machen und sich von Beteiligungen zu trennen. „Im laufenden Jahr haben wir deutlich mehr Platzierungen großer Aktienpakete in Europa gesehen – die sogenannten Accelerated Bookbuilding Offers (ABO)“, sagte Philipp Suess, der bei Goldman Sachs das Aktienkapitalmarktgeschäft in Deutschland und Österreich verantwortet, der Börsen-Zeitung. „Das Volumen ist in Europa um mehr als 40% auf 24,1 Mrd. Euro nach oben gesprungen.“ Im Durchschnitt lag die Größe der ABO-Transaktionen bei 650 Mill. Euro, und der Abschlag auf den jüngsten Kurs vor der Platzierung betrug 5,7%.
„Vor allem einige langfristige Aktionäre haben teilweise die hohen Kurse genutzt, ihre Investments zu diversifizieren“, benennt Suess die Motive der Verkäufer. „In einigen Fällen haben sich Familien nach etlichen Jahrzehnten partiell von Unternehmensbeteiligungen getrennt.“ In anderen Fällen seien es Finanzinvestoren oder Konzerne gewesen, die ausgestiegen sind.
Ausstieg bei Haleon
Die größte Aktienpaketplatzierung startete mit 3 Mrd. Euro Volumen der Pharmakonzern GlaxoSmithKline, der sich von Anteilen am Hersteller rezeptfreier Medikamente Haleon trennte. Zudem stieß die Sandoz-Familienstiftung Novartis-Aktien im Wert von 2,8 Mrd. Euro ab. Und die Agnelli-Familie reduzierte ihren Anteil an Ferrari durch den Verkauf von Aktien im Wert von 2,7 Mrd. Euro. Die Discounts auf den Kurs lagen bei 2,8% (Haleon), 2,5% (Novartis) und 6,9% (Ferrari).
Die Nachfrage kam laut Suess vor allem von angelsächsischen Investoren, die zum Teil von den niedrigeren Bewertungen der europäischen Aktien angelockt werden. „Ab April war aber auch das ABO-Geschäft – ebenso wie das IPO-Geschäft – deutlich schwächer“, konstatiert der Banker. „Die Unsicherheit aufgrund der US-Zölle führte zu einer abwartenden Haltung.“
Aktienmärkte erholt
Die Aktienmärkte haben sich in den vergangenen Wochen wieder deutlich erholt. „Daher sollte es nach Vorlage der Quartalszahlen wieder ein positives Umfeld für Aktienplatzierungen geben“, glaubt Suess. „Zumal wir weiterhin Mittelzuflüsse von angelsächsischen Investoren in europäische Aktienfonds sehen.“
Die Pipeline für Börsengänge für das zweite Halbjahr sei gut gefüllt. Das Investoreninteresse nach profitablen Unternehmen mit guten Wachstumsaussichten sei ungebrochen.
Kein Exodus in die USA
Allerdings gibt es in Deutschland bisher nur zwei angekündigte Börsengänge im weniger stark regulierten Freiverkehr, die IPOs der Stromnetzfirma Pfisterer und der Softwarefirma Innoscripta. In den USA sieht es auch nicht allzu viel besser aus: Dort haben Goldman Sachs und Citigroup mit dem Unternehmen Yuanbao einen Börsengang an der Nasdaq mit einem Volumen von nur 30 Mill. Dollar übernommen – zum ersten Mal seit 2018 kümmern sie sich um ein so kleines IPO.
Die Angst vor einem „Exodus“ europäischer Unternehmen, die eine Notierung in den USA einem Listing in ihren Heimatmärkten vorziehen, ist jedenfalls übertrieben. Das geht aus einer Studie der britischen Denkfabrik New Financial hervor. Vielmehr zeigt das Tempo der Delistings über Take-Private-Deals, dass eine Reform der europäischen Aktienmärkte dringend notwendig wäre.
Die Volatilität der Aktienmärkte bremst das IPO-Geschäft der Investmentbanken. Von einem „Exodus“ europäischer Börsengänge oder Notierungen in die USA kann jedoch keine Rede sein. Zudem gibt es einen Boom der großen Aktienpaketplatzierungen in Europa, wie aus Daten von Goldman Sachs hervorgeht.
„Europa kann es sich zwar nicht leisten, selbstgefällig zu sein, aber das Gerede von einem Exodus ist übertrieben, und das Gras ist in den USA nicht immer grüner“, meint William Wright, einer der Autoren der Studie. Die 130 europäischen Unternehmen, die in den letzten zehn Jahren eine Erstnotierung in den USA vorgenommen haben, sei es durch einen Börsengang, eine direkte Notierung, einen Wechsel ihrer Erstnotierung oder eine Fusion mit einem in den USA notierten Spac (Special Purpose Acquisition Company), machen nur 2% der börsennotierten Unternehmen in Europa aus. Ein Fünftel der Unternehmen, die in die USA auswanderten, sind nicht mehr börsennotiert, und die verbliebenen machen nur 6% des Gesamtwerts der europäischen Aktienmärkte aus.