Google macht sich in Brüssel für Regulierung stark

Konzernchef fordert Grenzen für künstliche Intelligenz - EU bringt Verbot von Gesichtserkennung ins Spiel

Google macht sich in Brüssel für Regulierung stark

Von Stefan Paravicini, BerlinDer britische Informatiker Stuart Russell vergleicht die Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI) in seinem jüngsten Buch mit der Ankunft einer neuen Spezies auf der Erde. Doch die Gesellschaft sei auf diese Ankunft schlecht vorbereitet, schreibt der renommierte Berkeley-Professor in “Human Compatible – Artificial Intelligence and the Problem of Control”. Würde man heute wissen, dass innerhalb der nächsten 50 Jahre Außerirdische auf der Erde landen, würden die Vorbereitungen seiner Meinung nach jedenfalls bereits auf Hochtouren laufen. Anders verhalte es sich hinsichtlich der nötigen Vorkehrungen für den immer wahrscheinlicher werdenden Fall eines Durchbruchs auf dem Gebiet der KI in der gleichen Zeitspanne, ist Russell überzeugt.Die Erfolge auf dem Feld der künstlichen Intelligenz treiben auch diejenigen um, die die Entwicklung mit Nachdruck nach vorn treiben. So hat sich der gerade an die Konzernspitze von Alphabet beförderte langjährige Google-Chef Sundar Pichai auf dem Weg zum Weltwirtschaftsforum in Davos bei einem Zwischenstopp in Brüssel für eine Regulierung von KI stark gemacht. “Es steht meiner Meinung nach außer Frage, dass wir KI regulieren müssen”, erklärte Pichai bei einem Auftritt im Rahmen einer Veranstaltung der Denkfabrik Bruegel, bevor er sich kurz darauf mit Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager traf. “Unternehmen können nicht einfach neue Technologie entwickeln und es den Marktkräften überlassen, wie sie genutzt werden”, schreibt Pichai in einem Gastbeitrag, für die “Financial Times” (Montagausgabe).In Brüssel steht die Regulierung von künstlicher Intelligenz bereits auf der Agenda. Bis Ende Februar will die EU-Kommission ein Weißbuch vorstellen. Kurz vor dem Wochenende machte ein Entwurf die Runde, aus dem unter anderem hervorgeht, dass die Kommission den Einsatz von KI-gestützter Gesichtserkennung an öffentlichen Orten für drei bis fünf Jahre verbieten könnte, bis die Bedingungen für den Einsatz der Technologie bestimmt sind. Der Einsatz von KI für massentaugliche Überwachungssoftware gehört auch bei Google zu den Gebieten, die der US-Konzern in unternehmenseigenen Richtlinien ausgeschlossen hat.Auch in Deutschland läuft die Debatte über den Einsatz von KI auf Hochtouren. Erst in der vergangenen Woche diskutierten die Mitglieder der Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz des Bundestages über die gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche Potenziale von KI. Im Zentrum standen dabei die Anforderungen des Datenschutzes. Die Datenethikkommission der Bundesregierung hat ihre Empfehlung zur Regulierung von KI im Herbst abgegeben. Beide Kommissionen wurden im Zuge der “Strategie Künstliche Intelligenz” der Bundesregierung im Sommer 2018 eingesetzt. DIHK betont ChancenWährend die Überlegungen zur Regulierung von KI in Europa gedeihen, gibt es gerade in Deutschland Sorgen, dass die Industrie bei der Zukunftstechnologie international den Anschluss verpasst. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) haben deshalb gerade wieder dazu aufgerufen, die Chancen von KI in den Unternehmen stärker zu betonen. Die Ankunft von KI-gestützter Konkurrenz könnte für viele Firmen sonst ebenfalls zu einer Begegnung der anderen Art werden.