THYSSENKRUPP

High Noon in Essen

Endlich kommt Thyssenkrupp in Bewegung. Noch vor einem Jahr hätte der Vorstand vielleicht erwägen können, ungefähr so weiterzumachen wie bisher. Doch inzwischen gerät Konzernchef Heinrich Hiesinger so sehr unter den Druck des Kapitalmarkts, dass er...

High Noon in Essen

Endlich kommt Thyssenkrupp in Bewegung. Noch vor einem Jahr hätte der Vorstand vielleicht erwägen können, ungefähr so weiterzumachen wie bisher. Doch inzwischen gerät Konzernchef Heinrich Hiesinger so sehr unter den Druck des Kapitalmarkts, dass er Ergebnisse liefern muss. Thyssenkrupp ist derart hoch verschuldet und derart schwach mit Eigenkapital ausgestattet, dass nur in das Nötigste investiert wird. Einen Wirtschaftsabschwung würde der Konzern nicht verkraften. Deshalb braucht Hiesinger – sechs Jahre nach seinem Amtsantritt – dringend den Befreiungsschlag: Die Fusion der Stahlsparte mit dem Europageschäft des indischen Konkurrenten Tata Steel muss gelingen, damit Thyssenkrupp die schwierige Sparte samt Pensionslasten entkonsolidieren kann.Ein heftiger Schlagabtausch mit der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat ist programmiert. Rund 25 000 Stahlarbeiter aus Deutschland sollen unter das Dach eines indischen Konzerns wechseln, auf den Thyssenkrupp nach der Fusion als Minderheitseigner keinen großen Einfluss mehr hätte. Vor diesem Hintergrund kündigen die Gewerkschafter der IG Metall an, dass der Tata-Deal gegen sie nur unter Anwendung des Doppelstimmrechts durch den Aufsichtsratsvorsitzenden durchzusetzen wäre. Als Alternative zum Stahl-Exit werden die Abtrennung und der Börsengang der lukrativen Sparten für Aufzüge, Automobilkomponenten und Großanlagenbau ventiliert.Aufsichtsratschef Ulrich Lehner wird nichts anderes übrig bleiben als anzudrohen, dass er von seinem Doppelstimmrecht Gebrauch macht, um den Tata-Deal durchzuboxen. Lehner gilt als Wahrer der Interessen der Krupp-Stiftung, die der Einheit des Unternehmens verpflichtet ist – wenngleich er kein direkter Vertreter der Stiftung im Aufsichtsrat ist. Er wird wohl die Tata-Fusion als das geringere Übel im Vergleich zu einer Aufspaltung samt Börsengang ansehen.Am Ende könnte es so laufen, dass sich die Vertreter von Arbeitnehmern und Anteilseignern an einen Tisch setzen, um einen Kompromiss auszuhandeln. Der kann nur so aussehen, dass der Konzern weitreichende Zugeständnisse für Standorte und Arbeitsplätze der Stahlsparte in Deutschland macht. Doch dann geriete der Deal zum rein bilanziellen Befreiungsschlag – ohne die angestrebte Kostensenkung durch Synergien mit Tata. Der Kapitalmarkt dürfte das im Vergleich zum Stillstand begrüßen. Lieber wäre den Investoren jedoch die Aufspaltung samt Börsengang. Eine solche Kapitalspritze hat der Konzern bitter nötig.