Hitzige Debatte um Steuerberatungsgesetz
Hitzige Debatte um Steuerberatungsgesetz
Referentenentwurf birgt Sprengstoff für Beteiligung von Finanzinvestoren – Fremdbesitzverbot könnte deutlich verschärft werden
Eine Überarbeitung des Steuerberatungsgesetzes könnte eine gängige Beteiligungspraxis unterbinden. Die Regelung des Referentenentwurfs würde Fremdbesitz durch Finanzinvestoren drastisch einschränken. Juristen kritisieren den Entwurf ungewohnt scharf. Sie sehen Konflikte mit EU-Recht.
Von Sabine Reifenberger, Frankfurt
Dass ein Referentenentwurf zur Steuerberatungsgesetzgebung für hitzige Diskussionen sorgt, hat Seltenheitswert. Derzeit passiert aber genau das. Denn der kürzlich vorgelegte Referentenentwurf zum „Neunten Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes“ des Bundesministeriums der Finanzen enthält einen Zusatz, der einer gern genutzten Beteiligungsform durch Finanzinvestoren einen Riegel vorschieben würde.
Die Investoren bedienen sich derzeit komplexer Strukturen, um bei Steuerberatungen einzusteigen. Der Markt ist für sie interessant, weil er sehr mittelständisch geprägt und kleinteilig ist. Investoren setzen auf Bündelung und versprechen ihren Beteiligungen zugleich Geld für Investitionen in künstliche Intelligenz und Digitalisierung.
Das sogenannte Fremdbesitzverbot legt allerdings fest, dass „berufsfremde Dritte“ hierzulande nicht Gesellschafter einer Steuerberatung sein und auch keine reine Kapitalbeteiligung eingehen dürfen. Ähnliche Regelungen gibt es für Wirtschaftsprüfer und Kanzleien.
Das Fremdbesitzverbot soll die Unabhängigkeit der Berufsgruppen sicherstellen. „Mandanten müssen sich darauf verlassen können, dass Beraterinnen und Berater, die tiefen Einblick in vertrauliche Unternehmensinterna haben, frei von Interessenkonflikten sind. Das Eindringen von Private-Equity in den Steuerberatungsmarkt lehnen wir daher ab“, erklärt Hartmut Schwab, Präsident der Bundessteuerberaterkammer, auf Anfrage der Börsen-Zeitung.
Private Equity ist angekommen
Trotz dieser Hürde ist Private Equity in der deutschen Steuerberaterlandschaft angekommen. Der Finanzinvestor EQT ist bei WTS investiert, KKR ist an der Finanzierung der Steuerberatergruppe ETL beteiligt, und hinter Afileon steht die Partners Group aus der Schweiz. Den Investoren hilft es, dass die rechtlichen Regelungen europaweit nicht einheitlich sind. Die Investoren können sich daher ohne weiteres an einer Prüfungsgesellschaft in einem EU-Land beteiligen, in dem es kein Fremdbesitzverbot gibt, beispielsweise in Luxemburg. Diese ausländische Prüfgesellschaft kann wiederum Teilhaberin einer deutschen WP-Gesellschaft werden, die sich dann ihrerseits an einer deutschen Steuerberatung beteiligen darf.
Der Referentenentwurf will solche Formen der mittelbaren Beteiligung nun stoppen, durch einen auf den ersten Blick harmlosen Zusatz, der – wie es heißt – „Unklarheiten“ beseitigen soll, welche Voraussetzungen Gesellschafter von Steuerberatungen sowie bei mehrstöckigen Gesellschaften die Beteiligten auf den weiteren Ebenen erfüllen müssen. „Solche Unklarheiten bestanden jedoch nie“, sagt Rechtsanwalt Dirk Uwer, Partner bei Hengeler Mueller. Er kritisiert den Entwurf scharf: „Die Begründung des Referentenentwurfs für die Neuregelung kommt einer schriftlichen Lüge gleich“, findet er.
Die Begründung des Referentenentwurfs für die Neuregelung kommt einer schriftlichen Lüge gleich.
Dirk Uwer, Hengeler Mueller
Würde der Entwurf wie derzeit formuliert umgesetzt, müssten künftig bei mehrstöckigen Beteiligungsstrukturen auf jeder Ebene die Gesellschaften sowie ihre Gesellschafter, auch die Prüfgesellschaften im EU-Ausland, die im deutschen Steuerberatungsgesetz geltenden Voraussetzungen an Kapital- und Gesellschafterstruktur erfüllen – was sie üblicherweise etwa mit Blick auf die hierzulande geltenden Vorgaben zum Fremdbesitzverbot nicht tun. „Der Vorschlag würde das geltende Recht massiv verschärfen und könnte den bisherigen Kooperationsmodellen ein abruptes Ende bereiten“, bilanziert Uwer.
Worum geht es wirklich?
Ähnlich sieht das Christian Alexander Mayer von der Kanzlei Noerr. „Die geplante Regelung würde eine aktuell mögliche und berufsrechtlich zulässige Gestaltung faktisch unterbinden“, schreibt er in einem Beitrag. Er wertet den Entwurf als „offenbar mit heißer Nadel gestrickt“ und vermutet ebenfalls, dass eine Präzisierung nicht das eigentliche Ziel war: „Der Widerstand der Bundessteuerberaterkammer gegen die skizzierten Transaktionsstrukturen und das Bestreben, diese zeitnah zu unterbinden, dürfte der Impetus hinter diesem Entwurf sein – mehr als es vermeintlich einer Präzisierung oder Klarstellung berufsrechtlicher Vorgaben bedarf, denn die Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes und der Wirtschaftsprüferordnung lassen mehrstöckige Beteiligungsstrukturen ausdrücklich zu.“
Die geplante Regelung würde eine aktuell mögliche und berufsrechtlich zulässige Gestaltung faktisch unterbinden.
Christian Alexander Mayer, Noerr
Die Fremdbeteiligung hat in der Branche auch Fürsprecher. Unter dem Logo der Private-Equity-gestützten Afileon und der Kommunikationsberatung TWP findet sich im Lobbyregister des Bundestags ein Schreiben vom Mai, das die Vorzüge darstellt. „In kürzester Zeit haben sich unter dem Dach der Afileon knapp 100 Berufsträger in 22 Partnerkanzleien versammelt; aktuell haben mehr als 80 weitere Kanzleien ein Interesse an einer Zusammenarbeit signalisiert“, heißt es darin. Die geplanten Investitionen in Ausbildung und Digitalisierung hätten zu einer Verbesserung und Verbreitung des Angebots geführt, durch Skalenerträge könne man Kosten senken. Afileon erhält externes Kapital im Rahmen einer EU-Holding und warnt vor einem Ausbau des „deutschen Sonderwegs“ beim Fremdbesitz. „Zwar ist es nachvollziehbar, wenn die aktuelle Rechtslage als unbefriedigend angesehen wird. Die Lösung kann hier aber nur darin liegen, auch im deutschen Berufsrecht der Steuerberater neue Möglichkeiten für die Beteiligung von berufsfremdem Eigenkapital vorzusehen.“
Laut Noerr-Jurist Mayer drohen beim aktuellen Referentenentwurf rechtliche Konflikte. So unterliege die Gesellschafter- und Kapitalstruktur von EU-Abschlussprüfungsgesellschaften dem Recht des jeweiligen Herkunftsstaates. Müssten diese Gesellschaften aus dem EU-Ausland hierzulande das deutsche Berufsrecht der Steuerberater erfüllen, um sich an Steuerberatungen beteiligen zu können, wäre dies ein Widerspruch.
Kein Bestandsschutz
Auch für Florian Hirschmann, Partner bei Ashurst, birgt der Entwurf „Sprengkraft“ für Investoren. Denn eine ausdrückliche Bestandschutzregelung für bestehende Beteiligungen sei nicht vorgesehen. Mögliche Widersprüche zu europarechtlichen Vorgaben sieht er etwa bei Dienstleistungsfreiheit, Kapital- und Niederlassungsfreiheit und Gleichbehandlungsgrundsatz. Allerdings hält er „substanzielle Änderungen“ am Entwurf für sehr wahrscheinlich.
In einem Anhörungsverfahren können nun Verbände, Kammern und Länder Stellung zu dem Entwurf nehmen, auch Brüssel werde auf die Endfassung Einfluss nehmen, erwartet Hirschmann. Mit einem Inkrafttreten rechnet er frühestens Mitte 2026. „Und das Ergebnis wird deutlich anders ausschauen als der jetzt vorliegende Entwurf.“