Hohe Kosten belasten Nordex
Teure Altaufträge belasten Nordex
Windturbinenhersteller arbeitet frühere Bestellungen bei gestiegenen Kosten noch immer unrentabel ab
cru Frankfurt
Nordex gehörte einst der BMW-Erben-Familie Klatten. Doch steigende Zinsen und die schwächelnde Wirtschaft setzen dem Windturbinenbauer zu und machen das Hamburger Unternehmen zum Anhängsel des spanischen Mischkonzerns Acciona. Weil die Kosten steigen, sind alte Aufträge unrentabel geworden.
Dem Windturbinenbauer Nordex setzen hohe Kosten zu. Das Unternehmen aus Hamburg macht Verlust und hat mit der am Freitag vorgelegten Bilanz für das erste Quartal die Analysten und Investoren enttäuscht. Die ganze Branche leidet bereits seit vielen Monaten unter Lieferkettenproblemen und hohen Kosten und muss momentan viele unrentable Aufträge abarbeiten, bei denen die Ausgaben nicht ausreichend weitergegeben werden können.
Dabei installierte Nordex im ersten Quartal sowohl mehr Windenergieanlagen als auch leistungsstärkere Turbinen. Das trieb zwar den Umsatz um etwa 30% auf 1,22 Mrd. Euro nach oben. Der operative Verlust wuchs dabei aber fast genauso stark auf 115 Mill. Euro. Unterm Strich schrieb Nordex fast 215 Mill. Euro Verlust – über 40% mehr als im Vorjahresquartal, in dem ein Fehlbetrag von knapp 152 Mill. Euro angefallen war.
Die Prognose für 2023 wurde bestätigt, laut der die operative Marge zwischen minus 2 und plus 3% liegen soll. Nach den ersten drei Monaten wirkt dieses Ziel allerdings noch in weiter Ferne, denn die Betriebsmarge lag bei minus 9,4%, nach minus 9,5% ein Jahr zuvor. 2022 hatte die Marge dank einer Verbesserung im Schlussquartal noch bei minus 4,3% gelegen.
„Unser Fokus liegt weiterhin darauf, den Auftragsbestand effizient abzuarbeiten, denn bei den alten Projekten wirkt sich noch immer die hohe Kostensituation belastend auf unsere Marge aus“, sagt Vorstandschef José Luis Blanco. „Hier erwarte ich im Jahresverlauf aufgrund der überarbeiteten Preis- und Vertragsgestaltung eine schrittweise Verbesserung unserer Ergebnismarge“, verspricht der Manager. Im Zwischenbericht heißt es dazu: Die aktuell und in den letzten beiden Quartalen abgeschlossenen Projekte weisen insgesamt gute Margen aus, die sich aufgrund ihrer Projektvorlaufzeiten allerdings erst mit einem Zeitversatz von gut einem Jahr schrittweise in einer verbesserten Profitabilität zeigen.
Aktienkurs fällt
Am Aktienmarkt wird das offenbar bezweifelt. Jefferies-Analyst Constantin Hesse sprach von einem enttäuschenden Jahresstart. Der Kurs der im MDax enthaltenen Nordex-Aktie reagierte am Freitag mit einem Minus von zeitweise 2,1% auf 10,57 Euro. Der Börsenwert des Unternehmens hat sich damit binnen zwei Jahren halbiert auf 2,2 Mrd. Euro. Haupteigentümer ist der spanische Mischkonzern Acciona, der Anfang 2016 seine Windanlagensparte an Nordex verkauft und dafür zur Hälfte mit Aktien bezahlt worden war.
Dessen Anteil steigt nun von 27% auf 47%. Der Grund: Nordex hat kürzlich Darlehensforderungen der Acciona von 347 Mill. Euro zum Preis von 14,15 Euro je Aktie in Eigenkapital umgewandelt, wie es von der außerordentlichen Hauptversammlung Ende März beschlossen wurde. Die Umwandlung der Darlehen in Eigenkapital spart jährliche Zinskosten von 46 Mill. Euro und stärkt die Kapitalstruktur weiter.
Das ist auch nötig. Denn bei Nordex wird das Geld knapper. Das liegt am Abarbeiten alter Aufträge, die unrentabel geworden sind, weil die Kosten für Vormaterial gestiegen sind und nicht sofort vollständig an die Kunden weitergereicht werden können. Per Ende März 2023 verfügte Nordex über flüssige Mittel von 518 Mill. Euro (31. Dezember 2022: 634 Mill. Euro) und eine Netto-Cash-Position von 104 Mill. Euro (31. Dezember 2022: 244 Mill. Euro). Die Eigenkapitalquote ist seit Ende 2022 von 18,5% auf 15% gesunken.
Dabei ist die Gesamtlage des Marktes, in dem Nordex agiert, eigentlich sehr gut: Für den Fünfjahreszeitraum 2023 bis 2027 prognostiziert der Branchenverband Global Wind Energy Council (GWEC), dass die weltweiten Installationen in Windenergieanlagen um durchschnittlich 15% pro Jahr steigen (Onshore: +12% pro Jahr), stetig und ohne Rücksetzer in einzelnen Jahren.
Bezogen auf das laufende Jahr 2023 wird im neuen „GWEC Global Wind Report 2023“ von einem Gesamtzuwachs um fast 49% auf 115,4 Gigawatt (2022: 77,6 Gigawatt) ausgegangen. Zur Ergänzung des Kerngeschäfts hat die Nordex Group im ersten Quartal 2023 zwei strategische Gemeinschaftsunternehmen für die Aktivitäten im Bereich des grünen Wasserstoffs gegründet. Das Joint Venture Nordex H2 S.L. soll Projekte für grünen Wasserstoff in Gebieten mit umfangreichen Onshore-Windressourcen entwickeln. Dazu hatte Acciona von Nordex 50% der Anteile am neuen Unternehmen für 68 Mill. Euro erworben. Die ersten Projekte sollen 2027 baureif sein.
Die zweite Initiative, Nordex Electrolyzers, soll Elektrolyseure mit eigener Technologie entwickeln, herstellen und vermarkten. Joint-Venture-Partner der Nordex Group ist bei diesem Projekt Sodena, ein öffentliches Unternehmen der Regierung von Navarra. Gemeinsam werden in den kommenden fünf Jahren 15 Mill. Euro investiert, um die Entwicklung eines kommerziellen Prototyps und dessen ersten industriellen Einsatz voranzutreiben.