Cevdet Caner

„Ich bin nicht der Papst“

Cevdet Caner hat die Öffentlichkeit lange gemieden. Nun steht der umstrittene Investor unter Beschuss durch den Shortseller Fraser Perring. Caner weist die Vorwürfe scharf zurück, räumt aber ein, dass er bei der Immobiliengruppe Adler zumindest irgendeine offizielle Funktion hätte einnehmen sollen.

„Ich bin nicht der Papst“

Von Helmut Kipp, Frankfurt

Der umstrittene österreichische Investor Cevdet Caner zweifelt im Nachhinein an seiner Entscheidung, beim Wohnimmobilienkonzern Adler keine offizielle Funktion zu übernehmen. „Dafür dass ich keine wahrnehmbare Rolle hatte, habe ich wahrscheinlich zu viel bewegt“, sagt der langjährige Adler-Großaktionär im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Dadurch sei ein Vakuum entstanden. In diese Schwäche habe Fraser Perring reingestochen, „aber nicht als Aufdecker, sondern mit kriminellen Falschbehauptungen“.

„Ich bin ein zurückgezogener Typ und medial nicht gerne präsent“, begründet Caner seine damalige Haltung. „Mit der Übernahme einer offiziellen Funktion wäre ich eine mediale Person geworden, was ich nie wollte. Wenn ich die Uhr zurückdrehen könnte, hätte ich zumindest irgendeine offizielle Funktion einnehmen sollen, damit ich für Leute ansprechbar bin.“

Die Caner Privatstiftung, deren Vorstand Cevdet Caner ist, erwarb im März 2012 das Investmentvehikel Mezzanine IX, das damals 68% an Adler Real Estate hielt. „Seither habe ich Adler in neuneinhalb Jahren bei einer Handvoll Transaktionen beraten“, sagt Caner. „Für die Beratung wurden jeweils Verträge geschlossen. Die Honorierung ist ausschließlich erfolgsabhängig und transaktionsbezogen erfolgt.“ Außerdem habe er sich über die Aktionärsseite in die Neuausrichtung von Adler eingebracht, die von einer kleinen Entwicklungsgesellschaft zu einem Bestandshalter von Wohnimmobilien in Deutschland mit Fokus auf B-Städte umgebaut worden sei.

Die Familie sei nach wie vor an Adler Group beteiligt, sagt Caner. Der Anteil liege unter 5%. Auch das Vehikel Mezzanine IX, dessen wesentliche Anteilseigener derzeit seine Ehefrau Gerda Caner und sein Schwager Josef Schrattbauer sind, hält keine meldepflichtige Beteiligung mehr.

Adler Group steht unter Beschuss durch Perrings Firma Viceroy Research, die dem Wohnimmobilienkonzern Betrug, Täuschung und finanzielle Falschdarstellung vorwirft. Ein Netzwerk um Caner profitiere von Transaktionen zulasten von Aktionären und Anleihegläubigern. Caner sei der eigentliche Kontrolleur der Gruppe und stehe bei Adler-Transaktionen auf beiden Seiten. Die im SDax vertretene Aktie steht seit Monaten unter Druck, und das Bekanntwerden der Vorwürfe am 6. Oktober führte zu einem weiteren Kurssturz. Seit Juni hat sich der Börsenwert auf 1,4 Mrd. Euro halbiert.

Im ersten Schritt dabei

Bei dem vor zwei Jahren eingefädelten Zusammenschluss der Immobilienkonzerne Adler Real Estate, Ado Properties und Consus, ein Projektentwickler, habe er nur im ersten Schritt eine Rolle gespielt, also beim Erwerb der israelischen Ado Group, die 33% an dem auf Berlin fokussierten Wohnungsvermieter Ado Properties hielt: „Ich kannte die Dynamiken bei Ado Israel und ihrer Aktionäre und wusste, wer warum verkaufen musste. Bei den weiteren Schritten der komplexen Großtransaktion war ich nicht dabei. Das haben professionelle Investmentbanken und Berater gemacht“, sagt der 1973 in St. Pölten in Niederösterreich geborene Investor. Die Idee zu dem Reverse Takeover, bei dem Tochter Ado Properties ihre Muttergesellschaft Adler Real Estate übernahm, sei nicht von ihm gekommen. Aus der Dreier-Fusion entstand die heutige Adler Group, die ihren rechtlichen Sitz in Luxemburg hat, aber eigentlich ein deutsches Unternehmen ist.

Unter institutionellen Anlegern stieß die Fusion auf starke Vorbehalte. Der Fondsmanager Michael Muders von Union Investment monierte damals im Gespräch mit der Börsen-Zeitung, dass ein Werttransfer von Ado zu Adler Real Estate und Consus stattfinde. Diesen Punkt macht auch Perring in seinem Bericht geltend, und zwar in scharfer Form. Zur aktuellen Situation bei Adler Group möchte sich Muders nicht äußern. Die kanadische Hazelview (vormals Timbercreek) schaltete die BaFin ein, doch die Aufsichtsbehörde winkte die Angebotsunterlage durch.

In die Gerresheim-Transaktion, den Verkauf eines Immobilienprojekts der Adler-Tochter Brack Capital an ein Unternehmen seines Schwagers Josef Schrattbauer für 375 Mill. Euro, sei er weder direkt noch indirekt involviert gewesen, sagt Caner. Es seien 90 Mill. Euro angezahlt worden, der Rest sei bei Baurechtschaffung fällig gewesen. Das Baurecht sei aber ausgeblieben. Schließlich sei die Transaktion rückabgewickelt worden. „Das ist ein ganz normaler Geschäftsvorgang, kein Skandal“, sagt Caner. „Die Transaktion war komplett transparent.“

Die auf dem Glasmacherviertel genannten Gelände in Düsseldorf stehende Glashütte wurde 2005 stillgelegt. Nach Abriss der Fabrik 2009 erwarb der Immobilienkonzern Patrizia das verkehrsgünstig gelegene Gelände und verkaufte es Ende 2017 an Brack Capital weiter. Die Baudezernentin Cornelia Zuschke beklagte sich unlängst, dass bei den Düsseldorfer Adler-Projekten seit zwei Jahren nichts vorangehe.

„Lex Caner“

Auf die Frage, ob es nicht sinnvoll gewesen wäre, das Gerresheim-Projekt in Düsseldorf an jemand anderen als seinen Schwager zu verkaufen, entgegnet Caner: Wie komme ich dazu, Leuten vorzuschreiben, was sie zu tun haben. Ich bin nicht der Papst.“ Sein Schwager sei keine verbundene Partei: „Er und ich agieren komplett getrennt. Ich bin weder direkt noch indirekt an seiner Firma beteiligt.“

Die Idee für die Conwert-Transaktion stamme von ihm, sagt Caner. „Die Immobilien in der Conwert-Bilanz waren stark unterbewertet, und die Aktie notierte weit unter ihrem Buchwert. Den Hauptaktionär, der sein Paket von 26% verkaufen wollte, kannte ich gut. So entstand die Idee.“ Der Einstieg erfolgte im August 2015. Die Übernahme sei schließlich am Widerstand des Conwert-Verwaltungsrats und der österreichischen Übernahmekommission gescheitert. Adler habe das Aktienpaket mit 100 Mill. Euro Gewinn an den Wohnungskonzern Vonovia verkauft. „Nach meinen Berechnungen hat Vonovia mit Conwert 1 Mrd. Euro Gewinn gemacht“, sagt Caner.

Mit Walcher befreundet

Die Übernahmekommission warf Caner ein abgestimmtes Verhalten (acting in concert) zusammen mit anderen Akteuren vor. Als Berater habe er daran mitgewirkt, dass Adler eine kontrollierende Beteiligung an Conwert erlangte, ohne ein gesetzlich erforderliches Pflichtangebot vorzulegen. Im September 2021 entschied der Europäische Gerichtshof aber, dass die österreichische Übernahmekommission nicht unabhängig und nicht europarechtskonform ist. Damit war die verhängte Verwaltungsstrafe hinfällig. In Branchenkreisen wird der Komplex inzwischen als „Lex Caner“ bezeichnet.

Den aktuellen Adler-Group-Großaktionär Aggregate Holdings, der 26,6% hält, hat Caner nach eigenen Angaben ebenfalls bei „einer Handvoll Transaktionen“ beraten. Auch dafür habe es jeweils Verträge gegeben. „Der Aggregate-Eigentümer Günther Walcher ist seit über 20 Jahren mein Freund. Ich habe ihm geholfen, in den deutschen Immobilienmarkt einzusteigen“, sagt Caner. Darüber hinaus berate er eine ganze Reihe nicht-öffentlicher Gesellschaften auf der Kapital- oder der Asset-Seite. „Ich habe deutlich mehr außerhalb der Adler gemacht als mit der Adler“, sagt Caner, der seit 20 Jahren in Monaco ansässig ist, aber auch in London und Berlin aktiv ist. Außerdem ist Caner eigenen Angaben zufolge in verschiedenen Investmentgesellschaften seiner Frau und seiner Kinder als Organvertreter oder beratend tätig.

Die von ihm gegründete Immobilienfirma Level One brach im Jahr 2008 zusammen – der Fall gilt als größte Immobilienpleite in Deutschland nach dem Bauunternehmer Jürgen Schneider. Im Zusammenhang mit der Level-One-Insolvenz wurde Caner wegen gewerbsmäßigen Betrugs und Geldwäsche angeklagt, aber freigesprochen.

Fraser Perrings Darstellung, die Adler-Immobilien seien in der Bilanz zu hoch bewertet, bezeichnet Caner als Schwachsinn: „Adler sitzt auf Assets, welche die ganze Welt haben will, nämlich deutsche Immobilien.“ Daher sei es absolut richtig, jetzt die Wohnungen zu verkaufen, um den Verschuldungsgrad zu senken und eigene Aktien zurückzukaufen, die weit unter ihrem Buchwert notierten.

„Orchestrierte Kampagne“

Perrings „Pamphlet“ enthalte allein gegen ihn 40 Falschbehauptungen. „Ich weiß, dass ich nichts Unrechtes getan habe“, sagt Caner. „Jeder, der das Gegenteil behauptet, wird eine sehr robuste Auseinandersetzung erleben.“ Er werde in drei Jurisdiktionen (Deutschland, Großbritannien und USA) gegen die Vorwürfe vorgehen und mit den jeweiligen Finanzaufsichtsbehörden zusammenarbeiten. Caner hat nach Angaben seines Rechtsanwalts Ben Irle von der Berliner Kanzlei Irle Moser Strafanzeige gestellt und bereitet Zivilklagen vor. „Nicht nur gegen Perring, die schmutzige Speerspitze einer orchestrierten Short-Kampagne, sondern auch gegen die dahinterstehenden Akteure, die das finanziert und vom Kursverfall richtig profitiert haben.“