Von Stefan Paravicini, BerlinFast elf Jahre ist es her, dass der letzte Nachtzug der Deutschen Bahn von Berlin über Hannover nach Brüssel rollte. Auch die Schlafwagen von Hamburg nach Brüssel wurden von der Bahn mit dem Winterfahrplan 2008 eingestellt. Geht es nach vier Abgeordneten des Europaparlamentes aus Berlin, soll zumindest die Verbindung zwischen der Bundeshauptstadt und dem Sitz der Europäischen Kommission im nächsten Sommer ein Comeback feiern.Im zweiten Halbjahr 2020 übernimmt Deutschland die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union (EU), was zu einem verstärkten Reiseverkehr zwischen Berlin und Brüssel führen wird. Hannah Neumann (Grüne), Hildegard Bentele (CDU), Gabriele Bischoff (SPD) und Martina Michels (Linke) regen deshalb in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und den Bahn-Vorstand ein “klimafreundliches Mobilitätsangebot” an. Wer mit dem Zug von Berlin nach Brüssel fahre, verursache damit Emissionen des Klimagases Kohlendioxid in der Größenordnung von 2,4 Kilogramm, während mit dem Flieger etwa 480 Kilogramm ausgestoßen würden, rechnen die Abgeordneten vor und erinnern an die Klimaziele der Bundesregierung. Der Start eines Nachtzuges vom Berliner Hauptbahnhof am Abend des 30. Juni 2020 mit der Ankunft am Brüsseler Zentralbahnhof am Morgen des 1. Juli 2020 wäre “ein starker Auftakt für eine klimabewusste Ratspräsidentschaft 2020” und ein “wichtiges Signal hin zu der notwendigen europäischen Verkehrswende”, heißt es in dem Schreiben.Bei der Bahn ist man noch nicht aufgewacht. “Es gibt nichts Neues. Die Deutsche Bahn plant derzeit kein eigenes Angebot mit Schlaf- und Liegewagen”, sagte eine Sprecherin des Unternehmens auf Anfrage. Züge mit Schlaf- und Liegewagen würden in Deutschland durch andere Bahngesellschaften wie die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) angeboten. “Die Deutsche Bahn wird diese Angebote weiterhin unterstützen, zum Beispiel mit Lokomotiven, mit Personal sowie im Vertrieb.”Die ÖBB hat angekündigt, zum Jahreswechsel die Nachtzugverbindung zwischen Wien und Brüssel wieder in den Fahrplan aufzunehmen und ab Dezember 2020 ihre Schlafwagen auch regelmäßig auf die Reise von Wien nach Amsterdam zu schicken. Dabei sind die Österreicher mit 26 Nachtzugverbindungen schon heute Marktführer in Europa. Das Angebot profitiere von der Klimadiskussion, sagte ÖBB-Chef Andreas Matthä vor wenigen Tagen in Wien. Auf Strecken wie München-Rom, Wien-Hamburg und Wien-Zürich verzeichnete der Staatskonzern zuletzt prozentual zweistellige Zuwachsraten. “Wir werden nicht aufhören”, stellt Matthä deshalb weitere Verbindungen in Aussicht.Für die Europaabgeordneten aus Berlin ist das Angebot der ÖBB freilich keine Alternative. Zwar gibt es einen Direktzug von Berlin nach Wien, der rechtzeitig in der österreichischen Hauptstadt einfährt, um den Nachtzug nach Brüssel zu schaffen. Die ÖBB erreichen die belgische Hauptstadt zunächst allerdings nur am Montag und am Donnerstag jeweils kurz vor elf Uhr vormittags.Die Ankunftszeit sei für Berufstätige “nicht ideal”, räumt man bei der ÖBB ein, die von den belgischen Staatsbahnen keine besseren Ankunftszeiten erhalten hat. Dennoch wolle man “ein klares Statement setzen, dass wir internationale Nachtzüge wieder aufbauen”, erklärte ein Sprecher der ÖBB. Bis zum nächsten Fahrplanwechsel hoffe man auf bessere Ankunftszeiten. Die Abgeordneten aus Berlin werden aber wohl noch über die deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2020 hinaus auf den Flieger setzen müssen.——Vier Europaabgeordnete schlagen der Bahn vor, eine alte Zugverbindung wieder einzusetzen.——