Börsengänge

IPO-Aktivität in Europa so stark wie seit 2007 nicht mehr

Das Umfeld für Börsengänge hierzulande sollte 2022 intakt bleiben, allerdings drückt die teilweise enttäuschende Performance von Börsenneulingen im laufenden Jahr die Stimmung

IPO-Aktivität in Europa so stark wie seit 2007 nicht mehr

cru Frankfurt – Nach fünf Jahren mit Rückgängen des Emissionsvolumens von Börsengängen in Europa markiert das Jahr 2021 die Wende. Es hat die stärkste IPO-Aktivität seit dem Jahr 2007 gebracht. Insgesamt 157 Börsengänge wurden in diesem Jahr in Europa gepreist. Das Emissionsvolumen vervierfachte sich im Vergleich zu 2020 auf 55,8 Mrd. Euro. Das geht aus den Daten hervor, die das Bankhaus Berenberg zusammengetragen hat.

„Eine lang erwartete Kombination von Faktoren hat dazu beigetragen, dass der IPO-Markt im Jahr 2021 so stark ist wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr“, kommentiert Bastian Schiedat, Head of Continental European Syndicate bei Berenberg. Dazu zählten Aktienindizes auf Allzeithochs seit April sowie ein Volatilitätsindex Vix („Angstindex“), der ab Mai unter der für IPOs als entscheidend geltenden Marke von 20 notierte und Finanzinvestoren, die den Ausstieg aus zahlreichen Unternehmensbeteiligungen suchten. Hinzu kam eine anhaltende Covid-19-Bedrohung, die gerade stark genug war, um die staatlichen Konjunkturmaßnahmen aufrechtzuerhalten, aber nicht stark genug, um die Volkswirtschaften abermals wie 2020 in eine Rezession zu drücken. zu haben. „Engpässe in der Lieferkette, Reflation und Straffung der Geldpolitik haben die IPO-Maschine in den letzten zwölf Monaten nicht zum Stehen gebracht“, fasst Schiedat zusammen. Abgesehen von den üblichen ruhigen Phasen im Januar und August gab es in diesem Jahr keinen Monat, in dem weniger als zehn IPOs in Europa durchgeführt wurden.

Auch jetzt scheint das Ende der IPO-Welle noch nicht erreicht. Allein in Deutschland gibt es zwei Dutzend Unternehmen mit einem Wert von jeweils mehr als 1 Mrd. Euro, die 2022 an die Börse kommen könnten. Zu den größten potenziellen IPO-Kandidaten hierzulande zählen die VW-Sportwagentochter Porsche AG sowie die ehemalige Thyssenkrupp-Aufzugssparte TK Elevator aus dem Besitz des Finanzinvestors Advent und die BASF-Öltochter Wintershall.

Schon Anfang 2022 könnte das Pharmaunternehmen Cheplapharm aus Greifswald als Eisbrecher für den seit dem Herbst ruhenden deutschen IPO-Markt fungieren und seine Aktien an der Frankfurter Börse notieren lassen – laut Finanzkreisen womöglich schon im Januar oder Februar. Eine Bewertung von 10 Mrd. Euro wird für möglich gehalten.

Ob die geplanten Börsengänge tatsächlich gelingen, hängt am seidenen Faden. Denn Corona, Lieferengpässe und Inflation samt beginnenden Zinserhöhungen bilden ein schwieriges Umfeld. Auch die gemischte Erfolgsbilanz der IPOs im zurückliegenden Jahr könnte Investoren durchaus wählerischer und zurückhaltender werden lassen. Größter Kursgewinner unter den IPOs in Europa im Jahr 2021 war nach Angaben des Bankhauses Berenberg der schwedische Batterieladegerätehersteller CTEK mit einem Plus von 183% seit der Erstnotierung im September. Der Börsenwert des Unternehmens hat inzwischen rund 1 Mrd. Euro erreicht. Zweitgrößter Gewinner ist der italienische Internet-der-Dinge-Spezialist Seco mit einem Plus von 156%.

Auch der größte Verlierer stammt aus Schweden. Der Kurs des Batterieherstellers Nilar büßte seit der Erstnotierung 92% ein. Dabei nimmt das Unternehmen immerhin für sich in Anspruch, die sichersten Batteriezellen der Welt zu bauen. Zweitgrößter Verlierer ist der schwedische Online-Bilder-Händler Desenio.

Unter den besten 15 IPOs gemessen an der Kursentwicklung findet sich kein einziges Unternehmen aus Deutschland – dafür aber in der unrühmlichen Liste der Verlierer gleich zwei: Der Kurs des Online-Optikers Mister Spex verlor seit der Erstnotierung im Juli 52%. Und bei dem vom japanischen Technologieinvestor Softbank finanzierten Online-Gebrauchtwagenhändler Auto1 ging es um 39% abwärts.

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