Börsengänge

IPO-Boom in der Türkei

In Europa herrscht IPO-Flaute. Im Kontrast dazu warten in der Türkei fast 100 Unternehmen auf ihre Genehmigung für den beantragten Börsengang. Die Marktkapitalisierung des Borsa Istanbul IPO Index, der die in den letzten zwei Jahren neu notierten Unternehmen abbildet, hat sich seit Jahresbeginn verdoppelt.

IPO-Boom in der Türkei

IPO-Boom in der Türkei

Fast 100 Unternehmen warten auf die Genehmigung für eine Börsennotierung im Jahr 2024

In Europa herrscht IPO-Flaute. Im Kontrast dazu warten in der Türkei fast 100 Unternehmen auf ihre Genehmigung für den beantragten Börsengang. Die Marktkapitalisierung des Borsa Istanbul IPO Index, der die in den letzten zwei Jahren neu notierten Unternehmen abbildet, hat sich seit Jahresbeginn verdoppelt.

cru/Bloomberg Frankfurt

Der Ansturm der IPO-Kandidaten in der Türkei lässt nicht nach. Fast 100 Unternehmen warten auf die Genehmigung für eine Börsennotierung im Jahr 2024. Und der erwartete Ansturm folgt auf ein Rekordjahr, in dem bis Ende 2023 schon 50 Unternehmen an der Borsa Istanbul debütieren sollen, sagte Ibrahim Omer Gonul, Leiter der türkischen Kapitalmarktbehörde, in einem Interview mit Bloomberg.

Die Entwicklung in der Türkei steht damit in scharfem Kontrast zum IPO-Markt in Westeuropa. Hier gab es 2023 so wenige Börsengänge wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr. In Deutschland schafften nur die United-Internet-Webhosting-Tochter Ionos, die Thyssenkrupp-Wasserstofftochter Nucera und die Schott-Medikamentenverpackungstochter Schott Pharma das Debüt. Der Panzergetriebehersteller Renk, der Tankkartenanbieter DKV Mobility und die Oldenburgische Landesbank gaben ihre IPO-Pläne wieder auf. Kein Wunder: Keines der europäischen IPOs in diesem Jahr verzeichnete einen Kurszuwachs. Der britische Zahlungsdienstleister Cab Payments brach sogar um mehr als 80% ein.

In der Türkei warnt Behördenleiter Gonul, dass es wichtig sei, das Tempo der IPO-Genehmigungen zu steuern, um sicherzustellen, dass der Markt die neuen Aktien aufnehmen kann. Er geht nicht davon aus, dass 2024 wirklich 100 Börsengänge zustande kommen, sondern erwartet, dass in absehbarer Zukunft jährlich etwa 50 Börsengänge genehmigt werden.

"Ein zu schneller Abschluss von Börsengängen ist nicht unbedingt eine gute Idee. Es ist wichtig, den Zustand des Marktes und die Konjunktur zu betrachten und zu prüfen, ob die Nachfrage ausreicht, um die Börsennotierungen durchzuführen", sagte Gonul.

Unter Börsenplätzen weit vorne

Der Boom der türkischen Börsengänge hat die Türkei im Jahr 2023 zu einem der größten Börsenplätze in Europa, dem Nahen Osten und Afrika gemacht. 49 Unternehmen haben in diesem Jahr den Börsengang abgeschlossen und dabei insgesamt rund 66 Mrd. Lira aufgenommen – das heißt rund 2,9 Mrd. Dollar auf der Grundlage des durchschnittlichen Wechselkurses in diesem Jahr. Dies übertrifft laut Webseite des Turkish Capital Markets Board, deren Daten bis 2010 zurückreichen, alle vorherigen Jahre, sowohl in Dollar als auch in Lira.

Der Anstieg ist zum Teil auf den Boom an den Aktienmärkten des Landes zurückzuführen, da die Inflation von rund 60% die Bürger dazu verleitet, in Aktien zu investieren, um den Wertverfall ihrer Ersparnisse auszugleichen. Investitionen in neu notierte Aktien waren besonders beliebt – mehr als 75% der Aktien, die 2023 ihr Debüt gaben, stiegen in den ersten fünf Handelstagen um rund 60%. Während der wichtigste türkische Aktienmarkt seit Jahresbeginn um 45% gestiegen ist, hat der Borsa Istanbul IPO Index, der die in den letzten zwei Jahren neu notierten Unternehmen abbildet, um 98% zugelegt.

Seit 2020, als lokale Kleinanleger begannen, auf den Aktienmarkt zu strömen, ist der IPO-Index um mehr als 4.400% gestiegen. Daten des zentralen Wertpapierdepots der Türkei zeigen, dass die Zahl der Aktienanleger am 19. November bei 8,2 Millionen lag, mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahr mit 3,3 Millionen.

Behördenleiter Gonul rief jedoch zur Vorsicht auf und empfahl den Anlegern, sich professionell beraten zu lassen. "Die steigende Nachfrage nach Aktien ist wichtig, aber wir wollen nicht, dass diese Investoren in den Aktienmarkt einsteigen, als ob sie Spiele spielen würden", sagte Gonul. "Viele Anleger zielen nur auf börsennotierte Aktien ab, weil sie denken, dass sie immer überdurchschnittliche Renditen erzielen werden, aber kontinuierliche Gewinne können nie garantiert werden."

Beschwerden nehmen zu

Er wies darauf hin, dass die Zahl der Beschwerden von neuen Anlegern, deren Aktienbestände an Wert verloren haben, bei den Aufsichtsbehörden zugenommen hat, wobei viele von der Regierung Garantien zum Ausgleich der Verluste verlangen. "Wenn Sie ein staatlich garantiertes Anlageprodukt suchen, dann sollten Sie Anleihen kaufen", fügte Gonul hinzu.

Die Strategie der Türken, Aktien als Inflationsschutz zu kaufen, gerät unter Druck, da die Zentralbank ihre Geldpolitik strafft. Der gewichtete durchschnittliche Zinssatz für Lira-Einlagen mit einer Laufzeit von bis zu drei Monaten ist auf ein neues 20-Jahres-Hoch von 45,85% geklettert. Diese höheren Zinsen könnten für Anleger interessant sein, die ihre Gewinne am Aktienmarkt schützen wollen. "Sollte es aufgrund eines Anstiegs der Einlagenzinsen zu Abflüssen aus der Börse kommen, könnte dies auch zu einer Verlangsamung der neuen Börsennotierungen führen", sagte Gonul, fügte jedoch hinzu, dass er nicht damit rechne.

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