IPO-Welle der US-Spacs steckt Europa an
cru Frankfurt
Investmentbanker machen sich zunehmend Hoffnung, dass die spektakuläre IPO-Welle der US-Spacs (Special Purpose Acquisition Companies) auf Europa übergreift. In den USA haben Spacs in diesem Jahr bis dato schon mehr als 32 Mrd. Dollar eingesammelt – mehr als jemals zuvor zum Jahresauftakt und zugleich schon fast halb so viel wie im gesamten Vorjahr. Europäische Banker glauben deshalb, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um das Produkt in Europa zu forcieren, und bereiten so viele Spacs vor wie seit Jahren nicht mehr.
Zu den US-Spac-Gründern zählen Prominente wie etwa Ex-Commerzbank-Chef Martin Blessing oder Ex-Siemens-Chef Klaus Kleinfeld und Ex-Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam. „Spacs haben in den USA einen neuen Höchststand erreicht. Es besteht definitiv eine große Nachfrage nach Spacs auch hier in Europa“, sagte Bastian Schiedat, European Head of Equity Syndicate bei Berenberg, der Börsen-Zeitung.
Europa-Fonds interessiert
„Vor allem Investoren, deren Fonds nach der eigenen Abgrenzung auf Europa beschränkt sind, schauen mit Interesse auf IPOs europäischer Spacs“, sagte Schiedat. „Derzeit ist Amsterdam die prädestinierte Börse für europäische Spacs. Hier gelten ähnliche Regeln wie in den USA, so dass die Aktionäre eines Spac vor der Akquisition über den Deal abstimmen und ihren Anteil gegebenenfalls zurückgeben können. Während der US-Markt weiterhin führend in Hinsicht auf Spacs sein wird, ist die Welle in Europa voll angekommen, wodurch wir noch eine Vielzahl von europäischen Spacs sehen werden“, sagt Schiedat voraus. Berenberg ist derzeit Konsortialführer bei dem niederländischen Spac ESG Core Investments, dem ersten europäischen Spac in diesem Jahr.
Das erstmals vollständig auf Umwelt, Soziales und Governance (ESG) fokussierte Übernahmevehikel ESG Core Investments will mit der Notierung an der Euronext Amsterdam 200 Mill. bis 250 Mill. Euro einsammeln. Das Bookbuilding beginnt am heutigen Mittwoch – zu dem bei Spacs üblichen Standardpreis von 10 Euro je Aktie, so dass Investoren nur die gewünschte Menge der Aktien benennen müssen. Akquisitionsziele des Spac sind Unternehmen mit einem klaren ESG-Fokus, vorzugsweise mit Hauptsitz in Nordwesteuropa und einer besonderen Technologie. ABN Amro und Berenberg sind Bookrunner des Spac und Kempen ist Co-Bookrunner.
Mindestens fünf Spacs wollen laut Finanzkreisen in nächster Zeit an der Börse in Amsterdam an den Start gehen. Einer davon ist der auf Finanzfirmen ausgerichtete Spac von Ex-Commerzbanker Blessing.
Der Aussicht auf mehr Spac-IPOs in Europa steht auch ein wachsendes Interesse der Investoren gegenüber. Vor allem europäische Long-only-Fonds setzen über die Vehikel auf die ESG-Thematik. Der Börsengang des Spezialisten für nachhaltige Lebensmittel 2MX Organic vor wenigen Monaten war der erste Test für die Investorennachfrage für europäische Spacs bei der Notierung an der Euronext Paris. Der von der Deutschen Bank und Société Générale geführte Deal wurde auf 300 Mill. Euro aufgestockt, nur 10% gingen an US-Investoren. Dagegen war die Nachfrage aus Frankreich, Großbritannien und von Privatbanken in der Schweiz stark.
Darüber hinaus gibt es auch noch europäische Spacs, die an US-Börsen notieren, darunter die von Garth Ritchie geführte und auf Großbritannien fokussierte Centricus Acquisition, die sich 300 Mill. Dollar sicherte und ebenfalls von der Deutschen Bank beraten wurde.
Im Januar wählte das Übernahmevehikel European Sustainable Growth Acquisition die Nasdaq für den 125 Mill. Dollar schweren Börsengang, und North Atlantic Acquisition erklärte beim 330 Mill. Dollar schweren Börsengang an der Nasdaq, dass das Management „beobachtet hat, dass Spacs in Europa unterentwickelt sind“. Höhere Bewertungen und mehr Liquidität gehören zu den Motivationen für ein Listing in den USA.
Lakestar plant Frankfurt-IPO
In Europa haben sich Amsterdam und Paris an die Spitze bei Spacs gesetzt, während die Übernahmevehikel in Frankfurt und London eher brachliegen. In Deutschland, wo der Schweizer Wagniskapitalgeber Lakestar mit einem Spac an die Börse strebt, sollen die Vehikel nach den Flops in der Vergangenheit überarbeitet und mit einigen US-Merkmalen in Form von Investorenschutz ausgestattet werden, um Vertrauen in die Struktur zu schaffen. So können die Spac-Aktionäre in Amsterdam und Paris – ebenso wie in den USA – über die von Spacs beabsichtigte Akquisition abstimmen, den Deal ablehnen und ihren Anteil wieder ausbezahlt bekommen. Nach deutschem Recht ist das nicht standardmäßig vorgesehen, sondern wäre Teil der konkreten Ausgestaltung eines bestimmten Spac.