Italien

ITA Airways fliegt ohne die Lufthansa

Die Lufthansa bleibt bei ITA Airways außen vor. Italiens Ministerpräsident Mario Draghi hat den mit Air France-KLM und Delta verbündeten US-Investor Certares als Partner für die Teilprivatisierung der Airline ausgewählt.

ITA Airways fliegt ohne die Lufthansa

bl Mailand

Überraschende Wende bei der Privatisierung der staatlichen italienischen ITA Airways. Statt mit dem favorisierten Konsortium aus der deutschen Lufthansa und der in Genf beheimateten Reederei MSC will die italienische Regierung nun exklusive Verhandlungen mit dem Bündnis aus dem US-Investor Certares und den Fluggesellschaften Air France-KLM sowie Delta Air Lines aufnehmen. Das gab das Wirtschaftsministerium bekannt. In einer Pressemitteilung heißt es, dessen Offerte entspräche stärker den Zielen des Staates. Rechtlich bindende Vereinbarungen werde man nur dann unterschreiben, wenn die Ergebnisse der Verhandlungen „vollständig zufriedenstellend“ für Rom seien.

Die beiden Konsortien hatten seit Monaten um den Zuschlag für die Airline gerungen. Die Entscheidung war immer wieder vertagt worden, was zuletzt auch am Ende der Regierung Draghi lag, die nur noch geschäftsführend im Amt ist.

Lufthansa/MSC hatten 850 Mill. Euro für 80% geboten. Geplant waren der Ausbau von Mailand-Malpensa als Hub für den Frachtverkehr und von Rom-Fiumicino als Drehkreuz für den Passagierverkehr. Der staatliche Minderheitsaktionär sollte zudem einen Sitz im fünfköpfigen Verwaltungsrat erhalten.

Doch das war Rom zu wenig – zumal Certares zuletzt nachbesserte. Entscheidend war wohl, dass der Regierung massive Mitsprache eingeräumt wird. Rom soll 45% der Anteile behalten, zwei Sitze im Verwaltungsrat erhalten, bei strategischen und industriellen Entscheidungen über ein Veto verfügen und den Chairman sowie den CEO (mit)bestimmen können. Finanziell war die Offerte zuletzt mit der von Lufthansa/MSC vergleichbar. Certares bietet für 55% rund 600 Mill. Euro. Certares will angeblich 41%. Air France-KLM sollen offenbar 9,9% übernehmen, Delta 4%.

Warnung vor „Ausverkauf“

Beobachter vermuten, dass massives amerikanisches Lobbying, aber auch politische Gründe den Ausschlag für die Entscheidung gegeben haben. Denn Giorgia Meloni, Chefin der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia, die die Favoritin für das Amt der Regierungschefin nach den Parlamentswahlen am 25. September ist, hat massiv Front gegen einen „Ausverkauf“ italienischer Unternehmen an Ausländer gemacht. Es bestand die Gefahr, dass sie eine Vereinbarung mit Lufthansa/MSC rückgängig macht. Bei einer Übernahme durch das amerikanisch-französische Konsortium behält Italiens Regierung eine starke Position, sodass die Lufthansa von einer „nicht kompletten Privatisierung“ spricht.

Wieder werden deutsche Interessenten in Italien ausgebremst und Franzosen setzen sich durch. Letztere haben die Hälfte der italienischen Wirtschaft aufgekauft, vor allem Banken, Lebensmittel- und Luxusgüterkonzerne. Zuletzt waren die Borsa Italiana und Fiat Chrysler (FCA) in französische Hände gefallen.

Bereits die frühere Alitalia sollte französisch werden. Der damalige Ministerpräsident Silvio Berlusconi stoppte diese Pläne 2008. Alitalia half das nicht. Die Gesellschaft häufte weitere Verluste an und musste wiederholt mit Staatsgeldern gerettet werden. Insgesamt kosteten diese Hilfen Italiens Steuerzahler in den letzten 45 Jahren 13 Mrd. Euro. ITA ist formal nicht Rechtsnachfolger von Alitalia und musste deshalb zum Start am 15. Oktober 2021 auch nicht deren Schulden von 3 Mrd. Euro übernehmen. Die sonst so strenge EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager erwies sich in diesem Fall als erstaunlich mild: Die neue Gesellschaft musste zwar gegenüber der Alitalia stark abspecken und hat nur 66 Flugzeuge und 2800 Mitarbeiter. Rom durfte ITA jedoch ein „Startkapital“ von 1,35 Mrd. Euro mit auf den Weg geben. In den achteinhalb Monaten bis Ende Juni häufte ITA Verluste von 500 Mill. Euro an. Dem Strategieplan zufolge will die Gesellschaft bis 2025 etwa 110 Flugzeuge haben und einen Gewinn von 238 Mill. Euro ausweisen.

Die Lufthansa zeigte sich enttäuscht. CEO Carsten Spohr, der Draghi mehrmals zu einer schnellen Entscheidung gedrängt hatte, erklärte, er nehme die Entscheidung zur Kenntnis. Das Lufthansa/MSC-Angebot sei „die beste Lösung für ITA Airways“ gewesen. Auch ohne den Zuschlag werde die Lufthansa ihre Position in Italien, wo man mit jährlich vier Millionen transportierten Passagieren und täglich 130 Flügen zu 21 Zielen in Italien schon eine starke Präsenz habe, weiter ausbauen. Italien ist für den deutschen Carrier der zweitwichtigste Markt und wird vor allem von der Tochter Air Dolomiti bedient. ITA hat auf dem Heimatmarkt nur einen Marktanteil von etwa 10%.

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