Höhere Schwelle für verpflichtende Übernahmeangebote

Italiens Regierung mischt sich bei Übernahmen ein

Mit einem neuen Dekret erhöht Rom die Schwelle für die Vorlage von verpflichtenden Übernahmeangeboten von bisher 25 auf 30%. Das hat auch politische Gründe.

Italiens Regierung mischt sich bei Übernahmen ein

Rom erschwert ausländische Übernahmen

Schwelle für Vorlage von Offerten wird angehoben – Das kommt vor allem italienischen Unternehmen zugute

bl Mailand

Mit einem neuen Dekret hat die italienische Regierung den Schwellenwert für die verpflichtende Vorlage eines Übernahmeangebots von bisher 25% auf 30% angehoben. Nach den Vorstellungen Roms soll die Regelung möglichst Anfang 2026 in Kraft treten. Nutznießer sind nach übereinstimmender Ansicht von Experten vor allem große und einflußreichere Aktionäre. Ihnen wird ein Einstieg und der Erwerb von Anteilen, die de facto die Kontrolle eines anderen Unternehmens erlauben, deutlich erleichtert – ohne dass sie dafür ein Übernahmeangebot vorlegen müssen. Nur für kleine Unternehmen mit einer Kapitalisierung unter 1 Mrd. Euro soll es flexiblere Regelungen geben.

Vordergründiges Ziel ist es, den Aktienmarkt attraktiver zu machen und an die Regelungen anderer Länder anzupassen. Die Zahl der Delistings am Mailänder Aktienmarkt hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Viele Unternehmen haben sich von der Börse zurückgezogen oder sind etwa nach Amsterdam abgewandert.Rom verfolgt mit der neuen Regelung aber auch andere Interessen. Konkret kann damit etwa der neue Italia-Telecom-Großaktionär, die mehrheitlich staatliche Post, ihre Beteiligung von derzeit 24,8% bis auf knapp 30% aufstocken ohne eine Offerte vorlegen zu müssen, de facto aber die Kontrolle auszuüben. Für andere, vor allem ausländische Unternehmen, wird es künftig nicht nur im Falle von Telecom Italia deutlich schwieriger, bei italienischen Unternehmen höhere Beteiligungen zu erwerben. Das könnte dazu führen, dass das Interesse ausländischer Investoren an Italien abnimmt.

Nutznießer der Regelung

Im Fall der drittgrößten Bank BPM könnte allerdings der französische Großaktionär Crédit Agricole, der seine Beteiligung von knapp 20% aufstocken will, profitieren. Auch der Bau- und Medienunternehmer Francesco Caltagirone und die von der Familie Del Vecchio kontrollierte Holding Delfin, die beide der Regierung nahe stehen und Großaktionäre der Bank Monte dei Paschi di Siena (MPS) sind, sind potenzielle Nutznießer der neuen Regelung: Sie könnten ihre Anteile an der MPS, die kürzlich die Kontrolle der Mediobanca übernommen hat, weiter aufstocken und damit ohne Übernahme-Offerte die Kontrolle ausüben.

Es gibt bereits andere Regelungen, die Italiens Wirtschaft gegen unliebsame Einflußnahmen schützen. Die Regierung in Rom hat etwa in den letzten Jahren die so genannte Golden-Power-Regelung stark ausgeweitet. Sie begrenzte damit die Befugnisse des chinesischen Pirelli-Großaktionärs Sinochem und verhinderte die Übernahme der Bank BPM durch Unicredit. Brüssel sieht darin mögliche Verstöße gegen das EU-Fusionsrecht oder die Kapitalverkehrsfreiheit und prüft die Einleitung weiterer Schritte wie eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Italien.

Mit dem aktuellen Dekret schreibt die Regierung auch das Kapitalmarktgesetz von 2024 fort. Trotz Bedenken aus dem Finanzsektor hat Rom darin Minderheitsaktionären große Mitspracherechte bei der Präsentation der Kandidatenlisten für den Verwaltungsrat eingeräumt. Außerdem wurden Mehrfachstimmrechte für langjährige Aktionäre eingeführt.

Das neue Dekret sieht weitere relevante Änderungen vor. Ein Squeeze-Out ist schon bei einer Kontrolle von 90% statt bisher 95% des Kapitals möglich. Das könnte die Mediobanca betreffen, die zu knapp 90% von der MPS kontrolliert wird. Bei obligatorischen Übernahmeangeboten soll ferner der Referenzkurs der letzten sechs Monate für die Bestimmung des Mindestpreises herangezogen werden.

Weniger Rechte für Kleinaktionäre

Bei Gerüchten über ein mögliches Übernahmeangebot soll Unternehmen, die nicht in einer klar festgelegten Frist angemessen auf Anfragen der Finanzmarktaufsicht Consob reagieren, für ein Jahr eine Offerte untersagt werden. Die Rechte missliebiger Minderheitsaktionäre, die weniger als 0,1% des Kapitals kontrollieren, werden massiv beschnitten. Bitter für Tageszeitungen ist, dass Übernahmeangebote nicht mehr verpflichtend bei ihnen veröffentlicht werden müssen.