IM BLICKFELD

Kampf um den Autozulieferer Grammer

Von Stefan Kroneck, München Börsen-Zeitung, 9.2.2017 Der um den Autozulieferer Grammer tobende Kampf zwischen der Unternehmerfamilie Hastor und dem Management weist Parallelen zu anderen Fällen auf, wenn es darum geht, dass ein Minderheitsaktionär...

Kampf um den Autozulieferer Grammer

Von Stefan Kroneck, MünchenDer um den Autozulieferer Grammer tobende Kampf zwischen der Unternehmerfamilie Hastor und dem Management weist Parallelen zu anderen Fällen auf, wenn es darum geht, dass ein Minderheitsaktionär die Kontrolle über eine börsennotierte Firma übernehmen will. Konflikte in ähnlicher Konstellation gab es bei der Weinhandelsgruppe Hawesko, beim früheren Kunststoffspezialisten Balda und bei der Immobiliengesellschaft Conwert. Ende 2016 übernahm der Wohnungskonzern Vonovia den österreichischen Wettbewerber, nachdem Adler Real Estate Monate zuvor ihren Antrag auf Neubesetzung des Conwert-Kontrollgremiums zurückgezogen hatte.Im Gegensatz dazu ist der Ausgang des Ringens um die Herrschaft bei Grammer offen. Worum geht es? Der aus Bosnien stammende Clan, der über 20 % des Grundkapitals hält, will fünf von insgesamt sechs Vertretern der Kapitalseite im Aufsichtsrat mit Managern der Prevent-Gruppe austauschen, um auf diese Weise Vorstandschef Hartmut Müller per Vertrauensentzug zu entmachten. In der Branche sorgt dieser Vorgang für Aufsehen, gehört doch den Hastors der rund 6 500 Beschäftigte umfassende Konkurrent Prevent, der im vorigen Jahr in einem bizarren Streit mit einem Lieferboykott Volkswagen zeitweilig unter Druck setzte. Zwar legten beide Seiten die Auseinandersetzung nach Wochen bei, doch seitdem eilt den Hastors in der Branche ein schlechter Ruf voraus. Diese Karte spielt die Grammer-Führung, indem sie davor warnt, dass ein Kontrollwechsel Kundenbeziehungen belasten könnte. Der über 12 000 Mitarbeiter zählende Konzern aus Amberg in Bayern produziert unter anderem Sitze und Mittelkonsolen für VW, BMW und Daimler. Sperrminorität in ReichweiteDie Hastors werfen im Gegenzug dem CEO vor, schlecht zu wirtschaften. Sie sprechen von einer “Erosion der Gewinnmarge bei steigenden Umsätzen”. Die Kosten seien zu hoch, die Rendite zu gering. Anhand der Konzernzahlen ist diese Kritik nicht stichhaltig. Zuletzt wuchsen die Vertriebskosten fast proportional zum Umsatz, die Erlös- und Verwaltungskosten unterproportional. Im vergangenen Jahr erzielte Grammer nach vorläufigen Angaben mit einem um 70 % auf 72 Mill. Euro gesteigerten Ergebnis vor Zinsen und Steuern einen Firmenbestwert, der die Analystenerwartungen übertraf. Der Umsatz legte um gut ein Fünftel auf 1,7 Mrd. Euro zu. Bei einem avisierten Erlöszuwachs von rund 5 % peilt der seit fast sieben Jahren agierende Konzernchef 2017 eine Steigerung der Rendite auf 5 % an. Im vorigen Jahr wuchs diese um 1,3 Punkte auf 4,3 %. Einen Dämpfer verzeichnete Grammer zuletzt im Jahr 2015, als Projektanlaufkosten und Fertigungsumstellungen den Gewinn drückten. Das war aber vor dem Einstieg der Hastors Anfang 2016.Das Verhältnis zwischen beiden Seiten ist mittlerweile derart angespannt, dass die Familie damit droht, über eine Klage beim Amtsgericht ihr Recht durchzusetzen, eine außerordentliche Hauptversammlung (HV) einberufen zu lassen, um auf diese Weise die Machtfrage zu klären. Die Grammer-Führung ließ bislang nicht erkennen, zu einem Entgegenkommen geneigt zu sein. Beide Lager werfen sich gegenseitig vor, an keinen ernsthaften Gesprächen interessiert zu sein. Da die zurückliegende ordentliche HV von Grammer eine Präsenzquote von 42 % aufwies, besteht für die Hastors als größter Einzelaktionär eine Chance, mit einfacher HV-Mehrheit ihre Forderung umzusetzen. Allerdings dürfte ein solches Treffen, falls es denn stattfinden sollte, auch andere institutionelle Anleger auf den Plan rufen. Der Streubesitz beträgt über 60 %. Weitere bedeutende Investoren sind unter anderem Wynnefield Partners (5,2 %) und Dimensional (5 %). Zöge Grammer diese Gruppe auf ihre Seite, könnte sie den Vorstoß der Hastors womöglich abschmettern. Doch die Familie aus Sarajevo hat einen Trumpf in der Hand: Sie kann über Aktienzukäufe an der Börse ihre Beteiligung auf die Sperrminorität von 25 % aufstocken. Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis das geschieht. Ob sie sich dann an die Schwelle von 30 % herantastet, ab der ein öffentliches Übernahmeangebot für die übrigen Anteilseigner verpflichtend wäre, ist zwar denkbar, nach derzeitigem Stand aber unwahrscheinlich. Man strebe keine “feindliche Übernahme” an, heißt es. Oder wirft man mit Nebelkerzen?Der Kampf hat der Aktie bisher nicht geschadet. Im Gegenteil: Die Börse ist begeistert, beflügelt doch die Auseinandersetzung die Kursfantasie, dass die Schlacht um Grammer sich noch ausweiten könnte. Ein weißer Ritter ist aber nicht in Sicht, wenngleich der Vorstand mit seinen Äußerungen die Hoffnung nährt, dass sich Großabnehmer zusammentun könnten, um die Hastors abzuwehren.Fakt ist, dass der Aktienkurs sich seit dem Einstieg des unbequemen Investors verdoppelt hat. Die verbesserte operative Leistung des Unternehmens trug aber ebenso dazu bei. Aktie nähert sich AllzeithochAm Mittwoch, einen Tag nach der Vorlage der guten Jahreszahlen, gewann das Papier 5 % auf 56,37 Euro an Wert. Der Titel nähert sich damit dem Allzeithoch von Mitte voriger Woche (57,46 Euro). Grammer bringt 653 Mill. Euro auf die Waage. In Zeiten billigen Geldes ließe sich eine Übernahme in dieser Größe mit fremden Kapital locker stemmen. Allerdings sind die Kaufpreise in der Branche deutlich gestiegen, wie das jüngste Beispiel Grupo Antolin zeigt. Der US-Zulieferer Lear erwarb die Sitzsparte des spanischen Herstellers für gut 300 Mill. Euro. Das entspricht dem Jahresumsatz des Bereichs. Würde man Grammer zerschlagen, könnte ein Investor wie die Hastors womöglich die größere, aber margenschwächere Autosparte veräußern, um sich auf das lukrativere Geschäft mit Sitzsystemen für Lkw, Busse, Land- und Baumaschinen sowie Bahnen zu konzentrieren. Schließlich verstehen der öffentlichkeitsscheue Patriarch Nijaz Hastor und seine beiden Söhne mit der Prevent-Tochter Car Trim etwas von diesem Geschäft. Ein solcher Schritt ist aber bisher noch reine Spekulation.