Kanadier haben Auge auf Carrefour geworfen

Alimentation Couche-Tard will Einzelhändler übernehmen - Bewertung von gut 16 Mrd. Euro im Gespräch

Kanadier haben Auge auf Carrefour geworfen

wü Paris – Die Nachteulen von Alimentation Couche-Tard haben Carrefour um den Schlaf gebracht. Der kanadische Lebensmittelhändler, der für seine langen Öffnungszeiten bekannt ist, bestätigte Berichte, mit dem französischen Einzelhandelsriesen Sondierungsgespräche über einen möglichen Zusammenschluss aufgenommen zu haben. Carrefour bezeichnete den Schritt von Couche-Tard als freundschaftlich und betonte, es handele sich um erste Vorgespräche. Die Aktie des Einzelhändlers legte am Mittwoch an der Börse von Paris 13,4 % auf 17,54 Euro zu, nachdem sie morgens zunächst vom Handel ausgesetzt worden war.Sollten sich die beiden Konzerne einigen, käme es zu einem milliardenschweren Zusammenschluss. Die auf kleine, oft spät geöffnete Nachbarschaftsläden und Tankstellenshops spezialisierte Gruppe aus Laval (Québec) teilte mit, Carrefour eine unverbindliche Absichtserklärung für eine Fusion auf Basis von 20 Euro je Aktie unterbreitet zu haben. Dadurch würden die Franzosen mit rund 16,4 Mrd. Euro bewertet. Der Preis entspräche einem Aufschlag von 29 % auf den Dienstagsschlusskurs. Die Bedingungen der Transaktion würden noch verhandelt und unterlägen einer Due-Diligence-Prüfung, erklärte Couche-Tard. Der vorgeschlagene Preis dürfte aber größtenteils in bar gezahlt werden.Beide Gruppen betonen, dass absolut nicht sicher sei, ob die Gespräche zu einem Abkommen führen werden. Dennoch straften Investoren Couche-Tard ab, so dass die Aktie der Kanadier am Mittwoch um zeitweise 6 % nachgab. Sie werden nun an der Börse mit rund 43 Mrd. kanadischen Dollar bewertet. Analysten reagierten verwundert auf die Fusionsgespräche. Denn ihrer Ansicht nach böte ein Zusammenschluss wenig Potenzial für Synergien, da es sowohl bei den Formaten der von den beiden Gruppen betriebenen Läden als auch von ihrer geografischen Präsenz her kaum Überschneidungen gibt. Von Montréal in die WeltCouche-Tard begann 1980 mit einem Laden in einem Vorort von Montréal und expandierte 20 Jahre später in die USA, wo erst die Kette Mac’s, dann Circle K von ConocoPhilips und Tankstellenshops von ExxonMobil übernommen wurden. Seit dem Kaufe von Statoil Fuel & Retail aus Norwegen ist der Konzern mit seinen Läden auch in Skandinavien und Nordeuropa präsent. Zwar sagte Couche-Tard zuletzt zwei anvisierte Akquisitionen in den USA und Australien ab, doch im November wurde in Hongkong zugekauft. Die Gruppe mit mehr als 130 000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 59,1 Mrd. Dollar (2019) betreibt mehr als 14 000 Läden, meist Tankstellenshops, in Nordamerika, Skandinavien, den baltischen Staaten, Irland, Polen, Russland, Asien und Zentralamerika.Carrefour wiederum kam 2019 auf einen Umsatz von 80,7 Mrd. Euro. Der Einzelhändler betreibt über 12 300 Supermärkte in mehr als 30 Ländern. In seinem mit Abstand wichtigsten Heimatmarkt Frankreich leidet Carrefour genau wie die Konkurrenz darunter, dass die in Vororten gelegenen riesigen Hypermarchés genannten Supermärkte bei den Verbrauchern nicht mehr so gefragt sind wie früher. Nach einem Halbjahresverlust hat Konzernchef Alexandre Bompard gerade seinen dreijährigen Sparplan verschärft. Statt 2,8 Mrd. Euro will er nun bis Ende 2022 insgesamt 3 Mrd. Euro einsparen.