Investorenbeteiligungen

Kanzleien uneins über Fremdbesitzverbot

Bei Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern ist die Debatte um den Einstieg externer Investoren in vollem Gange, erste Beteiligungen gibt es trotz Fremdbesitzverbot in Deutschland. Auch Kanzleien diskutieren darüber kontrovers.

Kanzleien uneins über Fremdbesitzverbot

In Kanzleien, Steuerberatungen und Wirtschaftsprüfern sollte Unabhängigkeit an erster Stelle stehen. Deshalb gibt es in Deutschland strenge Vorschriften, wer Eigentümer sein darf. Mit Blick auf Kanzleien hat dieses Fremdbesitzverbot sogar bereits den Europäischen Gerichtshof beschäftigt. Er entschied Ende 2024, dass es zulässig ist, die Beteiligung reiner Finanzinvestoren an einer Rechtsanwaltsgesellschaft zu verbieten, so wie es Deutschland derzeit tut.

Der Einstieg von Investoren bei Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern, etwa über Gesellschaften in Luxemburg, zeigt allerdings auf, dass in der Praxis widersprüchliche Ergebnisse drohen. „Trotz Fremdbesitzverbots in Deutschland kann man auf EU-rechtlichem Weg den gewünschten Effekt erzielen“, erklärt Stefan Rizor, Vorstandssprecher des Bundesverbands der Wirtschaftskanzleien in Deutschland (BWD). Er plädiert für eine stärkere Vereinheitlichung. „Wenn die EU-Staaten keinen rechtlichen Konsens schaffen, werden sich alternative Wege herausbilden, um Verbote in Einzelstaaten zu umgehen.“

Investments in Steuerberater

In der Steuerberatung sind Finanzinvestoren angekommen: EQT ist Ankerinvestor bei WTS, KKR beteiligt sich an der Finanzierung der Steuerberatergruppe ETL, und die Schweizer Partners Group versammelt unter der Unternehmensgruppe Afileon bundesweit Beteiligungen. Die Bundesregierung hat im Frühjahr in einem Gesetzentwurf zur Modernisierung des Berufsrechts der Wirtschaftsprüfer vorgesehen, dass auch dort reine Kapitalbeteiligungen an WP-Gesellschaften unzulässig bleiben sollen. Dies soll deren Unabhängigkeit sichern. Das Institut für Wirtschaftsprüfer (IDW) betonte in einer Stellungnahme hingegen, dass reine Kapitalbeteiligungen „sowohl europarechtlich als auch in anderen EU-Mitgliedsstaaten zulässig sind“ und bat den Gesetzgeber, „mögliche Alternativen“ zu einem grundsätzlichen Verbot zu prüfen.

Externe Investoren können helfen, steigende Investitionen in Digitalisierung und künstliche Intelligenz zu stemmen. Auch in Kanzleien spielen diese Themen eine Rolle. Doch der wirtschaftliche Druck sei zumindest bei den großen Wirtschaftskanzleien in Deutschland geringer, sagt Rizor. Das zeige das Stimmungsbild aus dem BWD, dem derzeit 47 Wirtschaftskanzleien angehören. „Wenn Drittfinanzierungen benötigt werden, lassen sich diese in aller Regel über die Hausbanken decken.“

Teure Innovationen

Doch das Bild ist in der Branche nicht einheitlich. Das Thema sorgt deshalb regelmäßig auf Veranstaltungen und Tagungen für lebhafte Diskussionen. Gerade kleinere Kanzleien, die stark auf Innovationen setzen, sähen einen möglichen Nutzen in externen Investoren, beobachtet Rizor. Bei internationalen Großkanzleien sei die Ausgangslage anders. Seit der Vereinsgründung vor 3,5 Jahren gibt es beim BWD eine Task Force „Fremdbesitz“, die jedoch noch kein Positionspapier vorgelegt hat. „Die Kanzleien konnten sich bislang nicht auf eine gemeinsame Verbandlinie verständigen.“

In einer Befragung des Justizministeriums im November 2023 überwog die Skepsis: Auf die Frage, ob sie eine Lockerung des Fremdbesitzverbotes für erforderlich hielten, verneinten 28% der gut 7.000 befragten Juristen. Dabei war mehr als die Hälfte der Teilnehmer als Einzelanwalt tätig. 63% der Befragten gaben an, dass sie eine Lockerung des Fremdbesitzverbots generell ablehnen.

Rizor selbst kann sich eine stärkere Öffnung vorstellen: „Meine persönliche Meinung ist, dass der Markt sehr vieles regeln kann.“ An erster Stelle müsse aber immer die anwaltliche Unabhängigkeit stehen. Zwischen völligem Verbot und kompletter Öffnung sollten Mittelwege diskutiert werden, findet er, etwa die Öffnung bis hin zu einer bestimmten Beteiligungsschwelle. Derzeit sei allerdings wenig wahrscheinlich, dass das Thema in Berlin auf die politische Agenda rückt. „Der neue Koalitionsvertrag schweigt dazu.“

Emotionale Diskussion

Der BWD-Vorstandsprecher wünscht sich eine weniger emotional geführte Debatte. „Mitunter entsteht der Eindruck, dass die Hausbanken pauschal als ‚gute‘ Geldgeber und Fremdinvestoren als ‚böse‘ Geldgeber dargestellt werden“, sagt er. „Dabei sind es einfach unterschiedliche Ansätze.“ Unter Wirtschaftskanzleien sieht er deutlich weniger Vorurteile gegenüber Investoren, da den Kanzleien die Vorgehensweisen aus der Mandatsarbeit bekannt seien. Letztlich seien Fremdinvestoren Geldgeber auf Zeit, die eine Renditeerwartung erfüllt sehen wollen.

In Großbritannien gibt es bereits Erfahrungen mit externen Investoren. Der Prozessfinanzierer Burford Capital ist dort seit 2020 an der Boutique-Kanzlei PCB Litigation beteiligt, die nach einem Merger unter PCB Byrne firmiert. Den Bedarf für Fremdinvestoren sieht Luca Weskott, Vice President bei Burford Capital, bisher nicht in allen Kanzleisegmenten. „Große und gleichzeitig traditionell aufgestellte Kanzleien haben sich bislang dagegen entschieden, unter anderem, weil sie Investitionen aus den laufenden Mitteln decken konnten“, berichtet er. Dabei sieht er auch bei diesen Häusern „grundsätzliches Interesse an dem Thema“.

Investoren hätten sich in Großbritannien bisher eher an kleineren Boutiquen beteiligt, die früher an die Grenze kamen, ihren steigenden Investitionsbedarf zu decken. Die PCB-Beteiligung war für den Prozessfinanzierer wirtschaftlich interessant, weil die Kanzlei einen Schwerpunkt bei streitigen Verfahren hat, es bestanden bereits geschäftliche Verbindungen. In dem Bereich sieht Weskott durch KI einen enormen Hebel: „Zum Beispiel große Schiedsverfahren produzieren unfassbar viele Dokumente. Die Mandanten sind aber nicht mehr willens, viele Arbeitsstunden für die Dokumentensichtung zu zahlen und fordern eine automatisierte Lösung.“ Solche Lösungen können die Kanzleien einkaufen oder selbst entwickeln. Dies sei für kleine Boutiquen oft zu teuer.

Generationenkonflikte

In manchen Häusern entzünde sich an Investitionsfragen ein Generationenkonflikt, beobachtet Weskott. „Ältere Partner wünschen sich dann kurzfristig eine hohe Ausschüttung, jüngere wollen lieber investieren, um die Kanzlei zukunftsfähig zu machen.“ Da könne ein externer, langfristig denkender Investor eine Lösung sein. Am deutschen Kanzleimarkt würde der Prozessfinanzierer sich umschauen, „wenn es die passende Möglichkeit für Investitionen gäbe“, sagt Weskott. „Eine klassische Dispute Resolution Boutique, die den Generationenwechsel einleitet – das könnte schon interessant sein.“

In der breiten Kanzleiwelt, gerade bei größeren Full-Service-Wirtschaftskanzleien, sieht er derzeit allenfalls ein verhaltenes Interesse, Investoren aufzunehmen. Dies könnte sich drehen, sofern sich die rechtlichen Rahmenbedingungen ändern und es attraktive Angebote, etwa von Private Equity, gibt, vermutet Weskott. BWD-Vorstand Rizor glaubt, dass zwei Themen die Debatte in eine neue Richtung lenken könnten: Entweder wenn der Investitionsdruck so groß wird, dass er für eine Kanzlei nicht mehr zu stemmen ist, oder wenn ein Wettbewerber mit einem Fremdinvestor im Rücken den deutschen Markt aufrollt. „Dann würden andere Häuser vermutlich auch noch einmal intensiver über das Thema nachdenken.“

Kanzleien uneins über Fremdbesitzverbot

Einstieg externer Investoren sorgt für kontroverse Debatten – In Großbritannien sind Beteiligungen möglich

Von Sabine Reifenberger, Frankfurt

Bei Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern ist die Debatte um den Einstieg externer Investoren in vollem Gange. Erste Beteiligungen gibt es bereits, trotz des Fremdbesitzverbots in Deutschland. Auch Kanzleien diskutieren das Thema kontrovers. Doch die Ausgangslage ist uneinheitlich.