Kasperletheater mit Folgen

Von Walther Becker, Frankfurt Börsen-Zeitung, 10.8.2012 Der Russe ist abgeblitzt, der Russe wehrt sich: Dem Berliner Online-Kunstauktionshaus Artnet drohen nach einer tumultartigen Hauptversammlung (HV) Anfechtungsklagen und möglicherweise eine...

Kasperletheater mit Folgen

Von Walther Becker, FrankfurtDer Russe ist abgeblitzt, der Russe wehrt sich: Dem Berliner Online-Kunstauktionshaus Artnet drohen nach einer tumultartigen Hauptversammlung (HV) Anfechtungsklagen und möglicherweise eine Untersuchung der Finanzaufsicht BaFin. “Wir sind leider in unserer Befürchtung bestätigt worden, dass sich das Artnet-Management auf der HV allen Angeboten zur Zusammenarbeit mit anderen Aktionären verweigert hat und nun zulasten des Unternehmens mit einer Prozesswelle konfrontiert wird”, heißt es bei Redline Capital. Dahinter steht der russische Investor Vladimir Evtushenkov, der nach der im Prime Standard notierten Gesellschaft greift.Letzter Streitpunkt auf der Chaos-HV: Ging die Veranstaltung eine Minute vor oder eine Minute nach Mitternacht zu Ende? Wäre es nach 0 Uhr, müsste das Treffen neu einberufen werden. Redline behalte sich “angesichts der vielen Form- und Fachfehler von Aufsichtsrat und Vorstand” rechtliche Schritte vor. Der Investor rechnet sich über eine Stimmbindungsvereinbarung mit Weng Fine Art AG knapp 10 % an Artnet zu. Auch andere Aktionärsgruppen sollen versuchen, die Eintragung der Beschlüsse juristisch zu verhindern.Redline, so sagt deren Sprecher, arbeite wie geplant Details des angekündigten freiwilligen Übernahmeangebots aus. Die Veröffentlichung sei noch im August vorgesehen. Die Hauptversammlung war in der Nacht zum Donnerstag nach 13-stündiger Dauer bei heftigen Auseinandersetzungen zwischen Verwaltung und Aktionärsgruppen zu Ende gegangen. Von “Kasperletheater” war die Rede, und der Abbruch der Versammlung wurde wiederholt gefordert. Streit hatte sich vor allem an der überraschenden Ankündigung des Kontrollgremiums entzündet, Gründer Hans Neuendorf (74) sei entgegen vorheriger Rücktrittsmeldung immer noch Vorstand. Umstritten war laut Redline zudem, inwieweit Neuendorf verdeckte Stimmrechtsverbindungen mit anderen Anteilseignern eingegangen und deshalb zur Abgabe eines Pflichtangebots an alle anderen Aktionäre verpflichtet ist.Am Ende der denkwürdigen Veranstaltung hat die Mehrheit “ein klares Votum abgegeben” für den Kurs von Neuendorf, so die Lesart des Unternehmens. Bei einer Präsenz von rund 70 % folgten sie bei etwa 25 % Gegenstimmen den Beschlussvorlagen des Managements. Neben den Entlastungen wurde den umstrittenen Satzungsänderungen – Kritiker sprechen von “Giftpillen” – und den Wahlen zum Aufsichtsrat zugestimmt. Gegenanträge von Redline wurden abgewiesen. “Damit ist der Versuch von Redline, die Mehrheit zu übernehmen, zumindest vorerst gescheitert”, teilt Artnet mit. Allerdings stand diese auf der HV gar nicht zur Diskussion. Profilierung und ProfitGegenüber stehen sich nach Einschätzung von Beobachtern die Familie Neuendorf mit 26,7 % mit Robert de Rothschild aus New York mit 8,9 % und Schaeffer Immobilien in Hamburg (8,5 %). Teile des Streubesitzes sowie Artis Capital Management aus San Francisco (7,5 %) und Redline/Weng stimmten dagegen.Neuendorf meint, Artnet sei trotz der verfahrenen Situation und der angespannten finanziellen Lage mit einem Verlust von 1,5 Mill. Euro bei 9,1 Mill. Euro Umsatz im Halbjahr auf einem sehr guten Weg. “Wir brauchen keine Investoren, denen es nur um Profilierung und Profit statt um Kunst geht.” Artnet werde “aus eigener Kraft weltweit erfolgreich sein”. Der Börsenwert hat schon kräftig gelitten. War die Firma zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Übernahmeabsichten von Redline am 24. Juli noch bei 34 Mill. Euro, so sind es jetzt noch 27 Mill. Euro.—–Für das Kunstauktionshaus Artnet kündigt Aktionär Redline auch nach einer Schlappe in der Hauptversammlung ein Übernahmeangebot an.—–