TOSHIBA

Kernschmelze

Mit einem Kurssturz von über 40 % in drei Tagen stellen sich die Anleger an der Börse in Tokio auf eine Insolvenz von Toshiba ein. Das ist eine erstaunliche Entwicklung: Immerhin handelt es sich bei dem 141 Jahre alten Traditionskonzern - in seiner...

Kernschmelze

Mit einem Kurssturz von über 40 % in drei Tagen stellen sich die Anleger an der Börse in Tokio auf eine Insolvenz von Toshiba ein. Das ist eine erstaunliche Entwicklung: Immerhin handelt es sich bei dem 141 Jahre alten Traditionskonzern – in seiner nationalen Bedeutung mit Siemens vergleichbar – um eine tragende Säule der Japan AG. Zudem hatte sich der Aktienkurs im Jahresverlauf mehr als verdoppelt, weil der schwere Bilanzskandal mit jahrelangen Gewinnfälschungen überwunden schien. Die neue Toshiba-Führung versprach, die Anleger künftig besser zu informieren und Probleme schneller transparent zu machen.Doch davon kann beim Kauf des US-Nuklearunternehmens CB & I Stone & Webster keine Rede sein. Von Anfang an wurden Hintergründe und Risiken der Übernahme verschwiegen. Spätestens als die Auseinandersetzung zwischen dem Käufer Westinghouse Electric und der CB & I-Mutter Chicago Bridge & Iron im Juli gerichtsanhängig wurde, muss die Toshiba-Führung das neue Milliardengrab erkannt haben. Dennoch wartete man sechs Monate ab, bezifferte die Belastung dann vage auf mehrere Milliarden Dollar und zeigte nicht einmal Lösungsoptionen auf. Kein Wunder, dass die Anleger jedes Vertrauen in Toshiba verloren haben. Die Flut von Verkaufsaufträgen für die Toshiba-Aktie ist auch eine Spätfolge des Tsunamis, der das AKW Fukushima vor knapp sechs Jahren zerstörte. Danach kam es auch im AKW-Geschäft von Toshiba zu einer Kernschmelze. Doch der Konzern fand, übrigens genauso wie die japanische Regierung, nicht den Mut zum Ausstieg aus der Atomkraft. Mit großer Sturheit beharrte das Management auf einer goldenen Nuklearzukunft. So sollte CB & I dabei helfen, die AKW-Baukosten durch den Einsatz von Fertigmodulen zu senken. Dies hat sich nun als Illusion entpuppt.Der Mischkonzern sollte diese Krise nutzen, sich vom Atomgeschäft zu trennen. Selbst wenn es dort einen Aufschwung gäbe, wäre es besser, der Speicherchip-Sparte den Vorzug zu geben. Die Finanzdecke reicht einfach nicht aus, um den hohen Kapitalaufwand von beiden Geschäftsfeldern zu decken. Der japanische Staat arbeitet hinter den Kulissen schon länger daran, einen nationalen AKW-Konzern zu schmieden. Das wäre eine Chance für Toshiba, ihre US-Tochter Westinghouse elegant loszuwerden.Eine Insolvenz von Toshiba ist jedoch unwahrscheinlich. Der Konzern ist für Japan “systemrelevant” und wird in jedem Fall gerettet. Auch eine ausländische Lösung wie im Fall Sharp steht daher nicht zur Debatte.