IM INTERVIEW: HARIOLF KOTTMANN

"Klappern gehört da einfach zum Handwerk"

Der Clariant-Chef über die Drohgebärden seiner neuen Großaktionäre und die Optionen des Konzerns

"Klappern gehört da einfach zum Handwerk"

Der Schweizer Spezialchemiekonzern Clariant hat jüngst die Pläne für eine Fusion mit dem US-Wettbewerber Huntsman begraben. Der Druck des neuen Großaktionärs White Tale gegen den Zusammenschluss war zu groß, nachdem der Aktivist auf mehr als 20 % aufgestockt hatte. Clariant-CEO Hariolf Kottmann steht nun vor der Aufgabe, eine andere Strategie der Wertsteigerung zu finden.- Herr Kottmann, wie nehmen Sie die Stimmung in der Führungsriege und im breiteren Mitarbeiterkreis wahr?Eine generelle Aussage ist schwierig. Aber von den Mitarbeitern, die mit mir sprechen, weiß ich, dass sie etwas verunsichert sind. Wir versuchen den Mitarbeitern über Interviews im Intranet und über den Monatsbrief, den ich schreibe, Stabilität, Zuversicht und ein positives Denken zu vermitteln.- Besteht die Gefahr einer Destabilisierung im Personal?Es ist doch klar, dass sich die Mitarbeiter Sorgen machen, das ist aber noch keine Destabilisierung. Sie fragen sich, was mit der Firma passieren wird.- Werden sich Clariant-Angestellte aufgrund der unsicheren Situation vermehrt nach neuen Stellen umsehen?Ich glaube schon, dass uns manche Leute verlassen werden, wenn sie die Chance zum Wechsel in eine vergleichbare Position in einem anderen Unternehmen erhalten sollten.- Wie bewerten Sie die Forderungen, mit denen White Tale am Montag an Clariant herangetreten ist?Die Forderungen sind ja nicht neu. Sie wurden am Montag lediglich mit dem Ziel öffentlich gemacht, ihnen mehr Nachdruck zu verleihen.- Für uns sind die Forderungen neu. Für Sie nicht?Nicht wirklich. Es war ja zu erwarten, dass die beiden White-Tale-Partner 40North und Corvex keine stillen Aktionäre von Clariant werden würden. Von Anfang an lag die Forderung auf dem Tisch, dass wir die strategischen Optionen, die wir als Firma grundsätzlich haben, von einer Investmentbank analysieren und bewerten lassen sollten. Uns war auch klar, dass die neuen Investoren die Strategie von Clariant maßgeblich mitbestimmen wollen.- Und das muss über den Verwaltungsrat passieren?Genau. Schließlich können wir die Investoren von White Tale nicht anders behandeln als zum Beispiel unsere bayrischen Familienaktionäre, selbst wenn der Anteil von White Tale mit 20 % inzwischen größer ist. Im Verwaltungsrat können Großaktionäre ihren Einfluss geltend machen. Daher kommt die Forderung von White Tale nach drei Sitzen in unserem Verwaltungsrat.- Wird White Tale also in den Verwaltungsrat von Clariant einziehen?Ich kann dem Beschluss unseres Verwaltungsrates nicht vorgreifen.- Was halten Sie von der Forderung nach einer unabhängigen Überprüfung Ihrer Strategie?Unser Verwaltungsrat geht jedes Jahr im August oder September drei Tage in die Klausur. Dabei erörtert er unter anderem die Strategie des Konzerns und der einzelnen Geschäftseinheiten. Dahinter steht ein standardisierter und strukturierter Prozess, zu dem auch der Beizug externer Meinungen zu unseren Szenarien gehört.- Im Westen nichts Neues?White Tale hätte sich mindestens die Zeit nehmen sollen, um mit uns während ein oder zwei Tagen an einen Tisch zu sitzen und sich anzuhören, was in dieser Firma schon alles passiert ist. Die White-Tale-Vertreter sagen ja selber, sie könnten das nicht beurteilen, weil sie Außenstehende seien. Von daher wäre es effizient, sich zuerst das bestehende Wissen anzueignen.- Hat sich White Tale die Zeit also nicht genommen?Wir hatten die Vertreter vor drei oder vier Wochen vergeblich nach Basel eingeladen, um sie über unsere Prozesse zu informieren. Dazu hätten sie allerdings eine Geheimhaltungsvereinbarung unterschreiben müssen, da wir aufgrund des Börsenrechts alle Aktionäre gleich behandeln müssen.- Werden Sie nach dem Platzen der Fusion erneut eine Einladung aussprechen?Ja. Wenn sich ein Investor wie im Fall von White Tale auf die Fahne schreibt, einen Beitrag zur positiven Entwicklung eines Unternehmens leisten zu wollen, dann sollte er auch wissen, weshalb die Firma diesen und keinen anderen Weg gegangen ist.- Ist eine unabhängige Strategieanalyse überhaupt realistisch?Ich möchte jetzt keine Aussage darüber wagen, ob eine Investmentbank unabhängig ist. Fakt ist, dass die Investmentbank bezahlt werden will; in unserem Fall von Clariant. Natürlich wird sie sich bemühen, ein objektives Urteil zu fällen.- Von außen wirkt die Auseinandersetzung zwischen Ihnen und White Tale doch recht emotionsgeladen. Sind Sie, Herr Kottmann, noch der Richtige, um Clariant in die Zukunft zu führen?Es gab bislang keinerlei emotionale Auseinandersetzungen zwischen White Tale und mir. Und dazu werden wir uns auch nicht hinreißen lassen. Den Umstand, dass White Tale seinen Forderungen mit gewissen Drohungen Nachdruck verliehen hat, halten wir für eine ganz normale Verlautbarung eines aktivistischen Investors. Klappern gehört da einfach zum Handwerk.- Als Sie am Freitag die geplatzte Fusion mit Huntsman mitteilen mussten, war Ihrerseits doch einiges an Emotionen hörbar. Es gibt Beobachter, die aus gewissen Aussagen von Ihnen sogar verletzte Eitelkeit herausgehört haben wollen.Wenn ich gewissen Leuten offenbar als eitel erscheine, dann muss ich das hinnehmen und damit leben. Ich behaupte von mir selber, dass ich nicht eitel bin. Ich bin auch kein egogetriebener Alleinherrscher. Aber das sind halt Vorwürfe, mit denen White Tale gezielt spielt. Das ist halt so, und damit kann ich leben.—-Das Interview führte Daniel Zulauf.