Akquisition

Knorr-Bremse umwirbt Hella-Familie

Knorr-Bremse hat ein Auge auf Hella geworfen. Das Münchner Unternehmen ist auf der Suche nach Komponenten fürs autonome Fahren. Hella hat diese im Angebot.

Knorr-Bremse umwirbt Hella-Familie

jh München

Auf Marktgerüchte hat Knorr-Bremse am Dienstag mit einer Ad-hoc-Mitteilung reagiert und be­stätigt, „grundsätzlich am Erwerb des von der Gründerfamilie gehaltenen Pakets von 60% der Aktien der Hella GmbH & Co. KGaA interessiert“ zu sein. Weiter heißt es: „Die Gespräche befinden sich in einem sehr frühen Stadium.“ Ob es zu einer Transaktion komme, sei noch nicht abzusehen.

Beide Unternehmen äußerten sich nicht über diese knappe Information hinaus. In der Branche heißt es, es gebe auch andere Interessenten, mit denen Gespräche geführt würden. Die französischen Autozulieferer Plastic Omnium und Faurecia hätten ebenfalls Gebote für Hella abgegeben, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf die Finanzbranche. Andere Beobachter halten die Chancen von Finanzinvestoren für größer. Sie könnten Hella in die zwei Sparten – Lichtsysteme und Fahrzeugelektronik – aufspalten und anschließend weiterverkaufen, heißt es. Ungewiss ist jedoch, ob die Familie diese Strategie unterstützen würde.

Pflichtangebot notwendig

Die Aktie von Hella reagierte mit einem Kurssprung von knapp 8% auf die mittags veröffentlichte Nachricht. Der Schlusskurs von 58,96 Euro bedeutete einen Tagesgewinn von 4%. Der Kurs der ebenfalls im MDax notierten Aktie von Knorr-Bremse rutschte um 12,2% auf 99,18 Euro ab. Mit dem Kursanstieg nahm der Börsenwert von Hella auf rund 6,6 Mrd. Euro zu. Die 60% im Familienbesitz sind auf diesem Niveau 3,9 Mrd. Euro wert. Da deren Anteil 30% übertrifft, wäre ein Pflichtangebot des Erwerbers an alle Aktionäre von Hella die Folge. Dies dürfte den Aktienkurs von Knorr-Bremse unter Druck gesetzt haben, da an der Börse sogleich über eine Kapitalerhöhung spekuliert wurde.

Schon seit einigen Wochen kursiert im Markt das Gerücht, die Eigentümerfamilien erwögen einen Verkauf ihrer Hella-Anteile (vgl. BZ vom 27. April). In deren Auftrag habe die Investmentbank Rothschild mögliche Käufer aus der Branche sowie Finanzinvestoren angesprochen und um Angebote gebeten, schrieb das „Manager Magazin“ Ende April und berief sich auf Insider. Das Unternehmen äußerte sich bisher nicht dazu. Knorr-Bremse ist der erste Interessent, der Gespräche bestätigte.

Die rund 60 Familiengesellschafter von Hella haben ihre Anteile gebündelt. Die dafür geschlossene Poolvereinbarung gilt nach Angaben des Unternehmens mindestens bis 2024. Hella ist seit 2014 nach einer Privatplatzierung an der Börse notiert. Im Jahr darauf hatte die Familie nochmals ein großes Aktienpaket abgegeben.

Hella erzielte im Geschäftsjahr 2019/20 (31. Mai) mit rund 36000 Beschäftigten einen Umsatz von 5,8 Mrd. Euro. Wegen der Pandemie sank der Erlös um 14%, das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) fiel auf –343 (i.V. 808) Mill. Euro. Unter dem Strich stand ein Verlust von 432 Mill. Euro. Für die nächsten Jahre peilt das Management einen Umsatzanstieg von jeweils 5 bis 10% an. Die um Sondereffekte bereinigte Ebit-Marge soll mindestens 8% betragen. Weiterhin hohe Investitionen wurden für die Felder Elektromobilität, autonomes Fahren, digitales Licht und Software angekündigt. Um die Geschäftsziele zu erreichen, liegt der zweite Schwerpunkt „auf konsequentem Kosten- und Effizienzmanagement“.

Bisher nicht im Pkw-Geschäft

Knorr-Bremse, Weltmarktführer für Bremsen von Schienen- und Nutzfahrzeugen, bietet für Lkw, Busse, Anhänger und Landmaschinen auch Fahrerassistenzsysteme an sowie Systeme für den Antriebsstrang, zum Beispiel Drehschwingungsdämpfer für Dieselmotoren. Elektronikkomponenten von Hella wären eine Ergänzung für die Fahrerassistenzsysteme von Nutzfahrzeugen. Im Gegensatz zu Hella ist Knorr-Bremse nicht im Pkw-Geschäft tätig. Im vergangenen Jahr war der Umsatz des Familienkonzerns um 11% auf 6,2 Mrd. Euro gesunken, der Überschuss um 16% auf 532 Mill. Euro.