Bringen die Handelsstreite auch Gewinner in der deutschen Unternehmenslandschaft hervor?

„Konflikte sind kein Geschäftsmodell“

Die Handelskonflikte belasten die exportorientierte deutsche Industrie. Doch was ist mit den inlands- und EU-orientierten Konsumgüterherstellern und Einzelhändlern? Profitieren sie womöglich vom Zollstreit, weil etwa Konkurrenzangebote aus Übersee rarer bzw. teurer werden? Dazu gehen die Stellungnahmen von Unternehmen auseinander.

„Konflikte sind kein Geschäftsmodell“

„Konflikte sind kein Geschäftsmodell“

Die Handelskonflikte belasten die exportorientierte deutsche Industrie. Doch was ist mit den inlands- und EU-orientierten Konsumgüterherstellern und Einzelhändlern? Profitieren sie womöglich vom Zollstreit? Einschätzungen.

Von Martin Dunzendorfer, Frankfurt

Es ist kein Geheimnis, dass die deutsche Industrie aufgrund ihrer hohen Exportquote durch die weltweiten Handelskonflikte besonders stark belastet wird. Dass etwa Zölle dem internationalen Warenaustausch und damit Wachstum und Wohlstand auf lange Sicht abträglich sind, ist hinlänglich bewiesen. Doch wie steht es um Branchen und Unternehmen, deren Absatz – bei unproblematischer Beschaffung – wegen des Geschäftsmodells oder strategischer Entscheidungen stark auf Deutschland oder die EU konzentriert ist? Denkbar wäre, dass kleine bis mittelgroße Konsum- und Gebrauchsgüteranbieter sowie Einzelhandelsketten deutscher Provenienz auch Vorteile aus dem Handelsstreit der EU mit den USA und dem schwelenden Konflikt mit China ziehen. Profitieren Hersteller womöglich, weil etwa Konkurrenzangebote aus Übersee rarer bzw. teurer werden?

Fast diametrale Statements

Die Einschätzungen von Unternehmen zu diesen Fragen gehen auseinander. Konzerne, die zwar den überwiegenden Teil ihres Geschäftes in der EU machen, aber auch darüber hinaus beachtliche Umsätze erzielen, betonen, dass sie die Auswirkungen des aktuellen geopolitischen und weltwirtschaftlichen Umfeldes spüren, so etwa Gabi Schupp, Vorstandsvorsitzende von Villeroy & Boch. „Dieses führt weltweit zu einer spürbaren Konsum- und Investitionszurückhaltung.“ Es gibt jedoch auch fast diametrale Aussagen: „Die aktuellen Handelskonflikte zwischen der EU, den USA und China betreffen unser Geschäft weder direkt noch indirekt in nennenswertem Umfang", sagt Thorsten Hermelink, Vorstandschef von Hawesko.

Der Gegensatz lässt sich leicht erklären: Anders als der Geschirrhersteller und Badausstatter aus dem saarländischen Mettlach, der sich in den vergangenen Jahren zunehmend international ausgerichtet hat, sieht sich der Weinhändler aus Hamburg aufgrund seines Angebotes keinen Belastungen aus den Handelsstreitigkeiten ausgesetzt – „Weine aus den USA spielen in unseren Sortimenten nur eine sehr geringe Rolle, und chinesische Weine sind auf dem europäischen Markt faktisch unbedeutend“, sagt Hermelink, der ergänzt, dass die Rebensäfte in den Regalen des Unternehmens ganz überwiegend aus dem EU-Raum kommen. Zudem liegen die bedeutenden Absatzmärkte von Hawesko in Mitteleuropa.

Wirkungen halten sich in engen Grenzen

Nutzen können die Hanseaten aus den Handelskonflikten aber offenbar auch nicht ziehen: „Wir sehen derzeit weder besondere Belastungen noch nennenswerte Vorteile für unsere Unternehmensgruppe durch diese Spannungen.“ Das deckt sich mit den Stellungnahmen einer Mehrheit der befragten Unternehmen, wonach man kaum oder keine negativen Auswirkungen aus den Handelsstreits spüre, allerdings auch keine positiven. So heißt es von Hugo Boss: „Die Situation stellt sich bei uns nicht allzu gravierend dar, weder in die eine noch in die andere Richtung.“ Wie der Modekonzern mitteilt, könne man die mit den Zöllen verbundenen Herausforderungen durch gezielte strategische Maßnahmen gut bewältigen. Das deckt sich mit Statements anderer Unternehmen. 

Einhell, der Anbieter von Bau- und Gartengeräten, begründet das Ausbleiben zusätzlicher Umsätze durch denkbare Nachfrageverschiebungen von US- oder chinesischen Produkten zu deutschen in Europa so: „weil wir jeweils lokal in den Ländern vertrieblich organisiert sind.“

Konsumflaute

Unstrittig ist, dass als Folge der Konflikte – verbunden mit der insgesamt sinkenden Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen auf dem Weltmarkt – die harten Konjunkturdaten schwächer ausfallen als wenn es sie nicht geben würde. Die Unsicherheit der Verbraucher über die wirtschaftliche Zukunft ist stark gestiegen und wirkt sich u.a. auf die Konsumlaune aus, die unter Druck steht. Die voraussichtlich zurückgegangenen Ausgaben im Weihnachtsgeschäft belegen, dass sich diese Stimmungstiefs auch an den Ladenkassen bemerkbar machen. Es klingt ziemlich euphemistisch, wenn es von Zalando dazu heißt: „Uns bereiten die potenziellen Auswirkungen der Zölle auf die europäische Wirtschaft Sorge, da sie zu mehr Volatilität der makroökonomischen Lage für Verbraucher und Unternehmen führen können.“

Villeroy & Boch profitiert in den USA von Zöllen für chinesische Produkte

Positive Effekte des Zollstreits im Marktdreieck EU-USA-China gibt es zwar, sie sind aber meist individueller Art. So identifiziert Villeroy & Boch dieses Jahr im Bereich Dining & Lifestyle (Geschirr, Bestecke etc.) positive Entwicklungen – „trotz der allgemeinen Konsumzurückhaltung“, wie CEO Schupp sagt. „Dies gilt ebenso für den US-Markt, in dem wir dank unserer klaren Premiumpositionierung weniger abhängig vom allgemeinen Konsumklima oder möglichen Handelszöllen sind.“ Zudem profitiere das Unternehmen als Hersteller von Premiumkeramik „tendenziell von der aktuellen Zollpolitik der USA: Die Einfuhrzölle für europäische Anbieter liegen niedriger als jene für asiatische, insbesondere chinesische Hersteller. Dies verbessert unsere Wettbewerbssituation im US-Markt zusätzlich“.

Sirka Hintze, CFO der Cewe Group, unterstreicht, dass der Hauptabsatzmarkt des Fotodienstleisters in Europa liegt. „Unsere Produktion ist vollständig hier verankert, und wir arbeiten seit vielen Jahren mit verlässlichen europäischen Lieferanten zusammen.“ Cewe stehe daher auf einem stabilen Fundament. „Von den Auseinandersetzungen profitieren wir jedoch nicht“, stellt Hintze klar und fügt hinzu: „Konflikte sind kein Geschäftsmodell“. Ins gleiche Horn bläst der Getränkekonzern Berentzen: „Als Unternehmensgruppe, die in viele Länder der Welt exportiert, sehen wir aus Handelskonflikten und Zollstreitigkeiten nie sinnvolle Opportunitäten. Positive Auswirkungen auf unsere Absatzkanäle können wir nicht beobachten.“

Vorteile „über Bande“ gering

Die Stellungnahmen machen eines klar: Selbst wenn es bei einigen EU-fokussierten Konsumgüterproduzenten und Einzelhändlern positive Wirkungen durch Zollerhöhungen gibt – teilweise „über Bande“ in Nicht-EU-Ländern –, sind diese in ihrem Umfang verschwindend gering im Vergleich zu den negativen Folgen der globalen Handelskonflikte für das Verbrauchervertrauen, die allgemeine Konsumbereitschaft und das Einkaufsverhalten. Dies zeigen auch die jüngsten, fast rekordhohen Insolvenzzahlen im Handel sowie die verbreitete Sorge in der Branche (15%) um die wirtschaftliche Existenz.