Autozulieferer

Leoni erwartet forderndes Jahr 2022

Der Autozulieferer Leoni hält Wertberichtigungen infolge des Angriffskriegs auf die Ukraine für möglich. Eine Prognose für das laufende Jahr 2022 gibt der Vorstand weiterhin nicht.

Leoni erwartet forderndes Jahr 2022

mic München

Börsen-Zeitung,

„Unsere Prognosefähigkeit ist erheblich beeinträchtigt“: Auch auf der Bilanzpressekonferenz nannte Leoni-Vorstandsvorsitzender Aldo Kamper keine neuen Ziele für das laufende Jahr. Er verwies auf den Angriffskrieg Russlands – der Bordnetzhersteller betreibt zwei Fabriken in der Ukraine (siehe gesonderter Bericht). Man arbeite mit Hochdruck daran, die wirtschaftlichen Folgen zu beherrschen, sagte Kamper. Auf jeden Fall würden niedrigere Zahlen erwartet als noch vor Kriegsbeginn angenommen: „Wir erwarten nicht, dass 2022 ein weniger forderndes Jahr wird als 2021.“ Er verwies auch auf die deutlich höheren Rohstoff-, Energie- und Logistikkosten sowie Steigerungen der Materialkosten. Leoni hatte bereits vor gut einer Woche die ursprüngliche Prognose 2022 gekippt.

Harald Nippel, der seit Anfang Februar für Leoni arbeitet und am 1. April den Posten des Finanzvorstands von Ingrid Jägering übernimmt, erklärte, er könne nicht ausschließen, dass infolge des Krieges gegen die Ukraine Vermögenswerte angepasst werden müssten. Dies könnte Werte von insgesamt bis zu 125 Mill. Euro betreffen. Die Kennzahl „Ebit vor Sondereffekten“, die Leoni gewöhnlich als Prognosegröße verwendet, schließt künftig Sonderkosten im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg aus. Den Leoni-Jahresumsatz in der Ukraine bezifferte Nippel auf weniger als 300 Mill. Umsatz. In Russland seien es weniger als 100 Mill. Euro.

Zufrieden mit dem Jahr 2021

Kamper erklärte, das Kostenprogramm Value 2021 sei erfolgreich abgeschlossen worden. Der Pressemitteilung zufolge stehen die Maßnahmen für ein jährliches Bruttoeinsparpotenzial von mehr als 800 Mill. Euro. Damit dieses Einsparpotenzial vollständig realisiert werden könne, sei ein höheres als das im Jahr 2021 erreichte Umsatzvolumen nötig, heißt es jedoch im Geschäftsbericht. Kamper kündigte an, die Kosten sollten künftig unter der Bezeichnung „Value Plus“ fortlaufend optimiert werden.

Kamper bezeichnete 2021 als forderndes, aber unter dem Strich durchaus zufriedenstellendes Jahr. Finanzvorstand Jägering erklärte: „Obwohl wir unsere Prognose im Laufe des vergangenen Jahres schon zweimal erhöht hatten, haben wir unsere Ziele am Ende teilweise deutlich übertroffen.“ Wie bekannt kletterte der Umsatz um knapp 25% auf 5,1 Mrd. Euro, das Ebit vor Sonderkosten betrug 172 Mill. Euro – nach der neuen Definition, die vom Jahr 2022 an gültig ist, wären es rund 130 Mill. Euro gewesen. Allerdings blieb das Unternehmen das dritte Jahr in Folge in den roten Zahlen. Der Verlust betrug 48 Mill. Euro (siehe Tabelle). Auch der freie Mittelzufluss war mit –12 Mill. Euro erneut negativ.

Bei der Stabilisierung der Finanzlage hätten Fortschritte erzielt werden können, heißt es im Geschäftsbericht. Sie bleibe aber ebenso wie die Vermögenslage herausfordernd. Es bestehe spätestens Ende 2022 die Notwendigkeit einer Refinanzierung. Wenn sich Leoni nicht mit den Kreditgebern einige, „besteht ein bestandsgefährdendes Finanzierungsrisiko“. Jägering erklärte: „Wir sind derzeit in konstruktiven Gesprächen mit den Konsortialbanken, um die Finanzierung über das Jahr 2022 hinaus abzusichern.“

Den Wirtschaftsprüfern von De­loitte zufolge sind darüber hinaus neben den geplanten Verkäufen von Unternehmensteilen zusätzliche li­quiditätssichernde Maßnahmen vorgesehen, wie beispielsweise Preisverhandlungen mit Kunden und die weitere Umsetzung von Kosteneinsparungsprogrammen: „Auswirkungen des Ukraine-Krieges sind in der bisherigen Mehrjahresplanung nicht berücksichtigt.“

Mehr Finanzschulden

Die Nettofinanzverschuldung von Leoni stieg im vergangenen Jahr um 8% auf 1,5 Mrd. Euro (siehe Grafik). Dies entspricht 671% des Eigen­kapitals nach 537% zwölf Monate zuvor. Im Risikobericht wird zudem festgestellt: „Verbesserungsbedarf besteht weiterhin bei der Eigen­kapitalquote.“ Sie sank im vergan­genen Jahr auf 6,7%, im AG-Abschluss sind es 13,8%. Die Eigen­kapitalentwicklung bleibe im Fokus, sagte Jägering. Zugleich zeigte sie sich optimistisch: „Aber mit stabilisierenden Ergeb­nisbeiträgen sollte auch eine Stabilisierung auf der Eigenkapitalentwicklungsseite eintreten.“

Leoni gibt die frei verfügbare Liquidität Ende 2021 mit 412 (i. V. 498) Mill. Euro an. Davon seien 172 Mill. Euro Barmittel und 240 Mill. Euro freie Kreditlinien. Leoni verfügte Ende Dezember über Kreditzusagen von 1, 3 Mrd. Euro: eine Be­triebsmittelkreditlinie von 330 Mill. Euro (fällig Ende 2022, 90% durch eine Bund-Länder-Bürgschaft abgesichert), bilaterale Kreditlinien von 248 Mill. Euro (fällig Ende 2022) und ein syndiziertes Darlehen von 750 Mill. Euro (fällig Juni 2023). Dividendenzahlungen sind bis zur Rückzahlung eines Teils dieser Darlehen ausgeschlossen. Bis Ende 2021 schöpfte Leoni darüber hinaus Liquidität aus Factoring. Ende 2021 seien Forderungen aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von 371 (i. V. 221) Mill. Euro gemindert.

Deloitte zufolge werden im Konzernabschluss­ Rückstellungen für drohende Verluste aus belas­tenden Kundenverträgen in Höhe von 71 Mill. Euro ausgewiesen. Im ersten Quartal winkt allerdings Entlastung­: Der Verkauf der Business Group Industrial Solutions an Bizlink soll einen Mittelzufluss von mehr als 300 Mill. Euro und einen Gewinn von etwa 200 Mill. Euro bringen.

Im Jahr 2021 sei Leoni wegen des Halbleitermangels hinter den ur­sprünglichen Sanierungsplan zu­rückgefallen, sagte Jägering. Die endgültige Bestätigung des Gut­achters, dass Leoni sanierungsfähig sei, erwartet sie mit der anstehenden Bankenvereinbarung über die Refinanzierung.

Leoni
Konzernzahlen nach IFRS
in Mill. Euro20212020
Umsatz5 1194 134
Ebit*172–59
  in % vom Umsatz3,4–1,4
Nettoergebnis–48–330
Freier Cashflow–12–74
Nettofinanzschulden1 5401 429
Eigenkapitalquote (%) 6,77,6
Beschäftigte101 372101 007
*) vor SondereffektenBörsen-Zeitung
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