Linde-Aktionäre fühlen sich benachteiligt

Kritik am Umtauschverhältnis für geplante Fusion mit Praxair - Viele Stimmen gegen Wahl von Reitzle

Linde-Aktionäre fühlen sich benachteiligt

jh München – Aktionäre befürchten, dass Linde bei dem geplanten Zusammenschluss mit Praxair benachteiligt wird. “Sie haben Linde fast unter Wert verschachert”, sagte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und fügte an Vorstand und Aufsichtsrat gerichtet hinzu: “Ich kann Sie deshalb nicht entlasten.”Auch Daniel Bauer von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) kritisierte auf der Hauptversammlung das Umtauschverhältnis der Aktien für die Fusion. Abgesehen von der operativen Marge sei Linde dem US-amerikanischen Partnern in allen Kennziffern überlegen. Zudem sei der Münchner Industriegasekonzern im Zukunftsmarkt China deutlich stärker als Praxair. “Das spiegelt sich nicht im Preis wider”, monierte Bauer. Aldo Belloni, der Vorstandsvorsitzende von Linde, entgegnete, das Umtauschverhältnis beruhe auf mehreren Bewertungsmethoden. Investmentbanken hätten bestätigt, dass das Verhältnis angemessen sei. Auch die Tatsache, dass 92 % des Grundkapitals ihre Aktien zum Tausch in Anteile der gemeinsamen Linde plc andienten, verdeutlicht nach Bellonis Worten eine faire Bewertung.Trotz ihrer Kritik bekräftigten die Vertreter von DSW und SdK, die geplante Fusion für sinnvoll zu halten. “Die neue Linde wird ein spannendes, ertragreiches und gutes Unternehmen werden”, sagte Bergdolt. Sie rechnet allerdings damit, dass der amerikanische Partner seinen erklärten Führungsanspruch auch durchsetzt.Wie Bergdolt fragen andere Aktionäre nach den Aussichten für den Anlagenbau von Linde und das wegen Preissenkungen schwierige Medizingasegeschäft in den USA. Belloni berichtete, nach Gesprächen mit dem Management von Praxair habe er nicht den Eindruck gewonnen, dass es Differenzen gebe. “Derzeit ist vorgesehen, dass der Anlagenbau integraler Bestandteil des Kerngeschäfts bleibt.” Das gelte auch für die Medizingase.Ein anderer Kritikpunkt mehrerer Aktionäre war die Zahl der Mandate der Linde-Aufsichtsräte. Ingo Speich von Union Investment kündigte an, gegen die Wahl von Tom Enders und Franz Fehrenbach zu stimmen. Airbus-Chef Enders habe weder den Kopf frei noch genügend Zeit für Linde, da Airbus von einem Korruptionsskandal erschüttert werde. Fehrenbach sei wegen des Dieselskandals als Aufsichtsratsvorsitzender von Bosch derzeit besonders gefordert. “Ämterhäufung” moniertAn den später wiedergewählten Aufsichtsratsvorsitzenden Wolfgang Reitzle gerichtet sagte Speich: “Herr Reitzle, Sie sollten die Zahl Ihrer Mandate unbedingt reduzieren, denn Ämterhäufung trifft auch auf Sie zu.” Reitzle rechtfertigte als Beispiel die Kandidatur von Enders. Dieser habe kein externes Aufsichtsratsmandat, sondern sei nur in Kontrollgremien von Airbus-Tochterfirmen. Gegen Enders und Fehrenbach stimmten jeweils rund 6,2 % des präsenten Grundkapitals. Clemens Börsig, der frühere Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank, erhielt 6,5 % Nein-Stimmen. Mit Abstand am schlechtesten von den sechs Mitgliedern der Kapitalseite schnitt Reitzle ab: 16,2 % des Grundkapitals wandten sich gegen seine Wahl in den Aufsichtsrat. Vor zwei Jahren war der frühere Vorstandschef von Linde noch mit immerhin knapp 93 % erstmals in den Aufsichtsrat gewählt worden. Über die letzten entscheidenden Schritte auf dem Weg zur Fusion sagte Belloni, die Unternehmen lägen im Plan. Die Kartellbehörden untersuchten noch, wie Wettbewerber und Kunden auf die Vorschläge von Linde und Praxair reagierten, Teile der beiden Konzerne zu verkaufen.