THE LINDE GROUP VOR DER HAUPTVERSAMMLUNG

Linde-Aktionäre lassen nicht locker

DSW verlangt außerordentliches Treffen, um über angestrebte Fusion mit Praxair abzustimmen

Linde-Aktionäre lassen nicht locker

Der Vorstand von Linde will die Aktionäre nicht über den geplanten Zusammenschluss mit Prax-air abstimmen lassen. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) bleibt aber hartnäckig. Auf der Hauptversammlung wird die Auseinandersetzung weitergehen.Von Joachim Herr, MünchenSelten stand eine Hauptversammlung von Linde so im Blickpunkt wie das Aktionärstreffen am Mittwoch in einer Woche. Kein Wunder: Der Münchner Industriegasekonzern steckt mitten in den Verhandlungen über den umstrittenen Zusammenschluss mit dem US-amerikanischen Partner Praxair. In der vergangenen Woche protestierten, wie berichtet, nach Angaben der Gewerkschaften 2 500 Beschäftigte an rund 30 Standorten gegen das Vorhaben. Die Arbeitnehmerseite gab zuletzt das Signal, im Aufsichtsrat geschlossen gegen einen Zusammenschluss zu stimmen.Doch vor der Hauptversammlung wird es dazu wohl noch nicht kommen. Die für den 3. Mai geplante Sitzung des Kontrollgremiums wurde abgesagt. Denn Linde und Praxair feilen noch an der Fusionsvereinbarung, dem sogenannten Business Combination Agreement (BCA). Es ist vor der Entscheidung des Aufsichtsrats die nächste Stufe auf dem Weg zu einem gemeinsamen Konzern mit einer Holding – vermutlich mit Sitz in Dublin. Das lange verfolgte Ziel, der Hauptversammlung am 10. Mai das BCA präsentieren zu können, erreicht Aldo Belloni, der aus dem Ruhestand geholte Vorstandsvorsitzende von Linde, aller Voraussicht nach nicht. Finanzvorstand Sven Schneider sprach am vergangenen Freitag in einer Telefonkonferenz von einer leichten Verzögerung in den Verhandlungen mit Praxair – wegen der rechtlichen Komplexität der Verträge. “Wir geben nicht auf”Für die Hauptversammlung bedeutet dies, dass Aktionäre auf Fragen nach Details zur angestrebten Fusion kaum erschöpfende Antworten erhalten werden. Eine von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) geforderte Entscheidung der Anteilseigner über einen Zusammenschluss könnte es ohne eine bindende Vereinbarung erst gar nicht geben.Deshalb verzichtet die DSW zwar auf den Versuch, eine Abstimmung mit einer Klage auf die Tagesordnung am 10. Mai zu bringen. Aber: “Wir geben unseren Standpunkt nicht auf”, sagte Daniela Bergdolt, die Vizepräsidentin der DSW, am Dienstag auf Anfrage. Wenn das Business Combination Agreement erst nach dem Treffen am 10. Mai fertiggestellt sei, müsse eben eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen werden, um die Aktionäre abstimmen zu lassen. Für den Fall, dass das Unternehmen dies verwehrt, droht Bergdolt: “Wir sind entschlossen zu klagen.” Am kommenden Mittwoch will sie in der Veranstaltung klarmachen, warum es der DSW so wichtig ist, dass die Anteilseigner mitentscheiden.Der Vorstand von Linde lehnt die Forderung der Aktionärsschützer bisher rigoros ab. Es gebe für eine Abstimmung der Anteilseigner “nach eingehender Prüfung keine Rechtsgrundlage”. Zudem könne jeder Linde-Aktionär, wenn es zu einer Fusion komme, entscheiden, ob er seine Anteile in Aktien einer neuen Holdinggesellschaft tausche oder nicht, wird argumentiert. Regional gesehen stellen die USA die größte Aktionärsgruppe: Knapp 31 % aller institutionellen Anleger sind dort beheimatet, im Jahr zuvor waren es allerdings noch 38 %. Großbritannien folgt mit 12 (i.V. 16) % vor Deutschland mit unverändert 11 %. Kleinaktionäre halten nur rund 5 %.Vermutlich befürchtet das Management von Linde Anfechtungsklagen, falls über eine Fusion abgestimmt würde. Mit dem Hinweis auf dieses Risiko lehnte es der Vorstand von Bayer ab, die Aktionäre auf der Hauptversammlung am vergangenen Freitag über die Übernahme von Monsanto abstimmen zu lassen (vgl. BZ vom 29. April). “Das könnte die Transaktion gefährden und zu einem Rechtsstreit mit Monsanto führen”, warnte Konzernchef Werner Baumann.Abgesehen vom Konflikt um die Aktionärsdemokratie bietet die Hauptversammlung von Linde Konzernchef Belloni die Chance, für die Fusion zu werben. Bisher verzichtete er darauf, obwohl er vor einigen Wochen angedeutet hatte, dass der Widerstand von Betriebsräten und Gewerkschaften aus seiner Sicht eine Folge mangelnder Kommunikation sei. “Grundsolides Modell”Die jüngsten Geschäftszahlen zum ersten Quartal 2017 liefern allerdings eher den Fusionsgegnern Argumente. Umsatz und Ergebnis legten leicht zu. Bellonis Kommentar: “Die positive Geschäftsentwicklung ist Beleg unseres grundsoliden Geschäftsmodells.” Betriebsräte und Mitarbeiter hören das gern.