Paris Air Show

Luftfahrtmesse im Zeichen von Krisen und Kriegen

Auf der weltgrößten Branchenmesse in Le Bourget dominieren in diesem Jahr Rüstungsgüter das Bild. Der US-Flugzeugbauer Boeing hält sich derweil bei Passagierfliegern auffällig zurück.

Luftfahrtmesse im Zeichen von Krisen und Kriegen

Luftfahrtmesse im Zeichen von Krisen und Kriegen

Auf der weltgrößten Branchenmesse in Le Bourget dominieren in diesem Jahr Rüstungsgüter das Bild. Vor allem Boeing hält sich bei Passagierfliegern auffällig zurück.

Der US-Flugzeugbauer Boeing hält sich auf der Paris Air Show im Hintergrund, während Airbus am ersten Messetag mehrere Bestellungen verkündete und das Verteidigungsgeschäft stärker in den Fokus rückt. Der europäische Konzern hält an seinem Auslieferungsziel fest, nachdem sich die Lage der Zulieferkette verbessert hat.

Von Gesche Wüpper, Paris

Kampfjets, Militärhubschrauber, Lenkwaffen und Drohnen: Dominierten früher Passagierflugzeuge und kommerzielle Jets die Ausstellungsflächen in Le Bourget, so sind auf der 55. Paris Air Show deutlich mehr militärische Geräte als bisher zu sehen. „Früher haben die Aussteller sie eher im Hintergrund versteckt“, sagt eine Fachbesucherin. „Inzwischen trauen sie sich, sie prominent zu platzieren.“

Denn die weltweit größte Luftfahrtmesse der Welt steht deutlich im Zeichen der geopolitischen Entwicklung. Angesichts der aktuellen Kriege und Konflikte stünden jetzt Sicherheitsbedenken im Mittelpunkt, kommentierte Airbus-Chef Guillaume Faury die Trends der Messe im Vorfeld. Auch in das Raumfahrtgeschäft sei mit neuen Wettbewerbern Bewegung gekommen.

Boeing hält sich im Hintergrund

Das alle zwei Jahre stattfindende Branchentreffen, zu dem 300.000 Besucher und 320 offizielle Delegationen erwartet werden, findet dieses Mal auch aus einem anderen Grund unter besonderen Vorzeichen statt. So sind die Auswirkungen des Absturz eines 787-Dreamliners von Air India im westindischen Ahmedabad letzte Woche und die jüngste Eskalation des Konflikts zwischen Israel und dem Iran in Le Bourget deutlich zu spüren. Branchenkenner erwarten deshalb mit Blick auf Flugzeugbestellungen eine ruhigere Messe, nachdem Flug- und Leasinggesellschaften während der Paris Air Show vor zwei Jahren insgesamt 1.214 Zivilflugzeuge bestellt hatten.

„Hast Du gesehen, dass hinten auf der Ausstellungsfläche eine Lücke zwischen den Flugzeugen ist?“, kommentiert eine französische Journalistin. Von Boeing seien so gut wie keine Flugzeuge ausgestellt. Der amerikanische Flugzeugbauer, der durch den Air-India-Absturz erneut unter Druck geraten ist, hat zudem in Le Bourget fast alle Medientermine gestrichen. Konzernchef Kelly Ortberg, die Chefin der Verkehrsflugzeugsparte Stephanie Pope und andere Top-Manager des Airbus-Konkurrenten haben ihre Teilnahme an dem weltweit wichtigsten Branchentreffen abgesagt. Die Ursachen des Absturzes sind noch nicht bekannt. Die Auswertung der beiden inzwischen geborgenen Blackboxen soll Aufschluss darüber geben.

Airbus zurrt Aufträge fest

Während sich Boeing im Hintergrund hielt, konnte Airbus zum Auftakt der Messe gleich mehrere Aufträge für insgesamt 132 Flugzeuge verkünden, davon zwei aus Saudi-Arabien. So bestellte die neue staatliche Fluggesellschaft Riyadh Air 25 Exemplare des Langstreckenjets A350-1000, der Platz für bis zu 480 Passagiere bietet. Es ist derzeit das größte Passagiermodell, das der europäische Flugzeugbauer im Portfolio hat. Der Wert der Bestellung könnte sich nach Angaben von Reuters auf 4,6 Mrd. Dollar belaufen.

Avilease wiederum, ein Flugzeugfinanzierer des saudi-arabischen Staatsfonds, hat einen Auftrag für 10 Exemplare des neuen Frachtflugzeugs A350F festgezurrt. Zusätzlich dazu hat er 30 Mittelstreckenjets aus der A320neo-Familie geordert. Branchenkenner schätzen den Wert der Bestellung basierend auf den Preisschätzungen der Analysten von Cirium Ascend auf rund 3,5 Mrd. Dollar. Da in der Luftfahrtbranche deutliche Preisnachlässe üblich sind, veröffentlicht Airbus seit 2018 keine öffentlichen Preislisten mehr.

Verbesserte Aussichten

Der europäische Flugzeugbauer konnte zusätzlich zu den beiden Aufträgen aus Saudi-Arabien eine Bestellung der polnischen Fluggesellschaft Lot einfliegen. Sie bestellte 40 Exemplare des Mittelstreckenjets A220 im Wert von schätzungsweise 1,6 Mrd. Dollar und sicherte sich eine Option für 44 weitere Exemplare. Lot ist ein neuer Kunde von Airbus, denn bisher hat die Airline nur Modelle von Boeing, Embraer und Bombardier in ihrer Flotte.

Embraer hatte ebenfalls auf die Bestellung von Lot gehofft, zu der nun für Airbus ein bereits angekündigter Auftrag für 27 A321-Mittelstreckenjets dazu kam, den die japanische Fluggesellschaft All Nippon Airways (ANA) jetzt bestätigt hat.

Der Auftragsbestand von Airbus, der noch ausgeliefert werden muss, belief sich zuletzt auf 8.630 Passagierjets. Der europäische Flugzeugbauer will die Auslieferungen 2025 trotz Lieferengpässen um 7% auf 820 steigern. Die Zuliefererkette habe sich insgesamt verbessert, sagte Christian Scherer, der Chef der Flugzeugbausparte, im Vorfeld der Messe. „Die Zahl der fehlenden Teile hat sich bedeutend verringert.“ Airbus halte erstmal an dem Ziel fest. Aber es zu erreichen, sei nicht nur wegen der Zulieferkette eine Herausforderung, erklärte er.

Airbus hat gerade seine Langfristprognose angehoben. Der Konzern schätzt den Bedarf an neuen Passagier- und Frachtflugzeugen bis 2044 jetzt auf 43.400.

wü Paris
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