Lufthansa steht nahezu still

Flugplan "wie 1955" - Fokus auf Liquiditätssicherung - Vorstand verzichtet auf Teile des Gehalts

Lufthansa steht nahezu still

Die Lufthansa setzt den Fokus in der Coronakrise auf die Liquiditätssicherung und plant gleichzeitig für die Zeit nach der Pandemie. Derzeit sieht der Vorstand um Carsten Spohr noch keinen Bedarf an einer finanziellen Hilfe des Staates und verweist auf eine Liquidität von mehr als 5 Mrd. Euro.lis Frankfurt – Die Luftfahrtindustrie in Europa wird nach Einschätzung von Lufthansa-Chef Carsten Spohr nach der Coronakrise nicht mehr dieselbe sein wie zuvor. Die Weltwirtschaft werde schrumpfen, was den Fluggesellschaften wegen ihrer starken Konjunkturabhängigkeit große Einbußen bescheren dürfte. Der Luftverkehr schrumpft erfahrungsgemäß doppelt so stark wie die Weltwirtschaft. Auch die Lufthansa Gruppe wird laut Spohr nach der Krise kleiner sein. In anderen Teilen der Welt würden Airlines womöglich verstaatlicht, die Branche in Europa müsse gemeinsam mit den Regierungen zusehen, wie es europäische Champions geben könne.Das Flugangebot der Lufthansa wird in einigen Tagen um 95 % auf einen kleinen Rest zusammengeschmolzen sein – “der Flugplan für nächste Woche sieht in etwa so aus wie 1955, ich kann ihn auswendig”, so Spohr bei der Vorlage der Geschäftszahlen für 2019 in einer Internet-Pressekonferenz. Die italienische Tochter Air Dolomiti hat den Flugbetrieb bereits eingestellt, Austrian Airlines folgte am Donnerstag, Brussels Airlines bleibt ab Samstag am Boden, ebenso die Lufthansa-Flotte in München. Fliegen ergebe in diesen Zeiten kommerziell keinen Sinn, kaum noch jemand dürfe fliegen. “Wir haben so gut wie keine Buchungseingänge mehr”, eine hohe Nachfrage gebe es lediglich nach Frachtflügen, so Spohr. Deshalb überlegt die Lufthansa, neben den Frachtflugzeugen auch Passagierflieger der Typen Airbus A330 und A350 sowie Boeing 747-8 im Cargogeschäft einzusetzen. Gleichzeitig werden “strikte Sparmaßnahmen” zur Sicherung des Cash-flows ergriffen. Es wurde ein konzernweiter Einstellungsstopp verhängt, Anträge auf Kurzarbeit für das Kabinenpersonal sind gestellt, weitere sollen folgen. Die Dividendenzahlung für 2019 soll ausgesetzt werden, der Vorstand verzichtet auf 20 % der Grundvergütung. Auch die Boni für 2019 “nehmen wir erst mal nicht in Anspruch”, betonte Spohr.Auf der Bremse steht die Fluggesellschaft auch bei Investitionen. Die für 2020 eigentlich avisierten Ausgaben von rund 3 Mrd. Euro, die vor allem in Flugzeuge und Triebwerke fließen sollten, “werden drastisch abgesenkt”, betonte CFO Ulrik Svensson, der aus Stockholm zugeschaltet war – der gesamte Vorstand habe sich “separiert”, erklärte Spohr. Leidtragende der Kürzungen werden vor allem die Flugzeughersteller Airbus und Boeing sein, mit denen derzeit “konstruktive Gespräche” geführt werden. “Wir sollten dieses Jahr eigentlich alle zehn Tage ein neues Flugzeug bekommen, aber wir brauchen keins”, umschreibt der Lufthansa-Chef die Brisanz der Lage für Airbus und Co. “Und gerade will jeder Auslieferungen verschieben, das belastet die Gespräche.”Bei der Sicherung der Liquidität, die Svensson auf 4,3 Mrd. Euro plus 800 Mill. Euro an ungenutzten Kreditlinien beziffert, zahlt sich für die Lufthansa deren Flottenstrategie aus. Anders als die meisten Wettbewerber gehört der deutschen Fluglinie ein Großteil ihrer Flugzeuge, nämlich 86 %. Deshalb fallen laut Svensson 60 % der Kosten – Gebühren, Treibstoff etc. – sofort weg, wenn die Flugzeuge am Boden bleiben. Die verbleibenden Fixkosten – Abschreibungen herausgenommen sind das 33 % des Aufwands – sollen um ein Drittel sinken. Der größte Block ist dabei der Personalaufwand von rund 9 Mrd. Euro. “Wir wollen möglichst jeden Mitarbeiter an Bord behalten”, betonte Spohr. Svensson zeigt sich zuversichtlich, keine Probleme mit der Liquidität zu bekommen. “90 % der Flugzeuge, die wir im Eigentum haben, sind unbelastet und entsprechen einem Buchwert von 10 Mrd. Euro. Das können wir Kreditgebern als Sicherheit zur Verfügung stellen”, rechnet er vor. “Wir würden uns aber um aktive Hilfe des Staates bemühen, wenn sie nötig ist. Das ist aber derzeit nicht der Fall.” Parkplatz in FrankfurtDass nun rund 700 der 763 Flugzeuge am Boden bleiben sollen, stellt das Unternehmen auch vor logistische Herausforderungen. Unter anderem wurde mit dem Flughafenbetreiber Fraport für den größten Standort Frankfurt vereinbart, dass dieser die Landebahn Nordwest sperrt, auf der dann Flieger geparkt werden können.Eine Prognose für das laufende Geschäftsjahr gibt der Lufthansa-Vorstand derzeit nicht ab. “In den nächsten Monaten wird es für uns keine normale Geschäftsentwicklung geben”, sagte der Lufthansa-Chef lediglich. Spohr und Svensson waren aber bemüht, die Zukunft nicht nur in dunklen Farben zu malen. “Wir haben Erfahrung im Krisenmanagement”, betonte der Lufthansa-CEO. Früher als die meisten anderen hatte der deutsche Konzern mit Flugstreichungen reagiert, als der Coronavirus in China um sich griff. “Anfangs wurden wir dafür belächelt, jetzt lächelt niemand mehr.” CFO Svensson erinnerte an die durch die Krankheit Sars ausgelöste Krise 2003, die er damals im Dienste der Swiss erlebte. “Wir haben drastische Maßnahmen ergriffen, am Ende ist aus Swiss eine der profitabelsten Airlines Europas geworden.” Auch die Lufthansa werde als Gewinner aus der aktuellen Krise hervorgehen.Am Abend teilte Lufthansa mit, dass sich Mitarbeiter, die eine medizinische Ausbildung absolviert haben, für den Einsatz in einer medizinischen Einrichtung freistellen lassen können. Lufthansa übernimmt dabei weiter das volle Grundgehalt.