Lufthansa wendet Streik ab
Von Lisa Schmelzer, Frankfurt
So schnell kann’s gehen: Am Montag zeigte sich die Lufthansa-Führung noch zuversichtlich, dass es so bald keine Pilotenstreiks geben wird, nur wenige Stunden später kam die Streikankündigung. Noch mal ein paar Stunden später sind die Arbeitsniederlegungen vom Tisch – „die angekündigten Arbeitskampfmaßnahmen für diese Woche werden abgesagt“, so die Vereinigung Cockpit nach einer erneuten Verhandlungsrunde am Dienstagnachmittag. Laut VC-Tarifvorstand Marcel Gröls wurde ein umfangreiches Paket vereinbart und harre der Ausgestaltung in den kommenden Tagen. Es seien wichtige erste Schritte in Richtung einer nachhaltigen Zusammenarbeit erzielt worden. Die Flugzeugführer hatten in der Nacht auf Dienstag angekündigt, am Mittwoch und Donnerstag – und bei Lufthansa Cargo sogar noch einen Tag länger – die Arbeit niederlegen zu wollen.
Das Hickhack zeigt erneut, dass es um das Vertrauensverhältnis zwischen Unternehmen und Piloten nicht gut bestellt ist. Konzernchef Carsten Spohr hatte am Montagabend vor Journalisten betont, das Wort Partnerschaft müsse in diesem Zusammenhang „wieder mit Leben gefüllt werden“. In Zeiten einer dermaßen hohen Inflation seien deutliche Gehaltssteigerungen „absolut angemessen“, vor allem in den unteren Einkommensstufen. „Wir haben unsere Mitarbeiter in der Pandemie nicht alleine gelassen und werden das auch jetzt nicht tun.“ Angeboten worden waren der Pilotengewerkschaft VC Stand Montag laut Spohr 18 % mehr Gehalt in den unteren und 5 bis 6 % mehr in den oberen Einkommensklassen. Den Forderungen der VC, die sich nach Konzernangaben auf rund 40 % plus summierten, erteilt Lufthansa bisher eine Absage.
Rückkehr in die Gewinnzone
Derweil zeigte sich Spohr am Montagabend mit der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens hoch zufrieden – „Juli und August sind hervorragend gelaufen“ –, auch wenn man mit den Produktionsproblemen im Sommer „viele enttäuscht“ habe. Es werde im laufenden Geschäftsjahr gelingen, mit einem Betriebsgewinn von mehr als 500 Mill. Euro in die schwarzen Zahlen zurückzukehren. Dafür sorgt unter anderem das nach wie vor sehr starke Logistikgeschäft, für dessen Entwicklung Spohr auch für 2023 sehr optimistisch ist. Im Passagiergeschäft soll das Angebot im kommenden Jahr rund 85 bis 90 % des Vorkrisenniveaus erreichen. Der Konzern plant vor diesem Hintergrund, in den nächsten 18 Monaten rund 20000 neue Mitarbeiter einzustellen.
Im Passagiergeschäft setzt Lufthansa mehr und mehr auf eine Internationalisierung der Kundenströme. Dazu hätte auch die Übernahme der ITA Airways gepasst, bei der Lufthansa gegen den konkurrierenden Bieter Certares unterlag. Spohr sprach in diesem Zusammenhang von der „abgebrochenen Airline-Privatisierung in Rom“, da nun der Staat deutlich stärker Einfluss nehmen wird als im Lufthansa-Angebot vorgesehen.
Als Nummer vier weltweit sei man nach wie vor zu stark abhängig vom deutschen Markt, kritisierte Spohr. Derzeit habe man vor allem Reisende aus den USA im Blick, wo man gerade einen „enormen Erfolg“ verbuche. Lufthansa steuere bewusst um, zumal in den USA höhere Ticketpreise abgerufen werden können. Die Internationalisierung soll dem Unternehmen auch dabei helfen, die Folgen des EU- Umweltprogramms „Fit for 55“ abzumildern. Von diesem erwartet Lufthansa große Wettbewerbsnachteile verglichen mit nichteuropäischen Fluglinien. Eine Möglichkeit wäre es dem Vernehmen nach, noch mehr Verkehre an die bereits vorhandenen Joint-Venture-Partner wie Singapore Airlines oder Thai Airways zu verlagern.
Großaktionär Klaus-Michael Kühne plant derweil laut einer am Dienstag veröffentlichten Mitteilung „bei sich bietenden Gelegenheiten weitere Lufthansa-Aktien zu erwerben“. Seine Kühne Holding hält bereits 15,01 % an der Lufthansa.