Philipp Man

Luxusuhren­händler Chronext erwägt Börsengang

Die auf Luxusuhren spezialisierte Schweizer Handelsplattform liebäugelt mit einem IPO als Option zur Finanzierung des kräftigen Wachstums.

Luxusuhren­händler Chronext erwägt Börsengang

Von Martin Dunzendorfer,

Frankfurt

Chronext, eine Online-Handelsplattform für Luxusuhren, lässt zur Finanzierung des angestrebten Wachstums mehrere Optionen prüfen; eine davon ist ein Börsengang im laufenden Halbjahr. Wie die Börsen-Zeitung aus Finanzkreisen weiter erfahren hat, seien drei Banken mit der Prüfung verschiedener Finanzierungsoptionen mandatiert worden: UBS, Bank of America Merrill Lynch und Jefferies. Sollte die Entscheidung zugunsten eines IPO fallen, sei nach der Sommerpause mit der Ankündigung des Going Public zu rechnen, heißt es.

Ein Listing in Zürich sei wahrscheinlich, da das im Februar 2013 gegründete Unternehmen seinen Sitz in Zug hat. Der gleichnamige Kanton gilt als Steueroase der Schweiz, weswegen viele Holdings und multinationale Konzerne – etwa der Rohstoffriese Glencore – dort ihren Verwaltungssitz haben.

Der Gründer und CEO von Chronext, Philipp Man, wollte im Gespräch mit der Börsen-Zeitung keine Aussagen zu den kolportierten Börsenplänen treffen. „Wir prüfen zu jeder Zeit ein großes Spektrum an Finanzierungsoptionen“, räumte er lediglich ein. „Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich nicht sagen, für was wir uns entscheiden werden.“

Steuerliche Aspekte als primären Grund für den Sitz des Unternehmens bestritt Man. Die Schweiz sei gleich zu Beginn als Sitz des Unternehmens gewählt worden, „weil wir die Nähe zu der Uhrenindustrie suchen und weil wir uns als Teil des Uhren-Ökosystems sehen“. Zudem soll der Sitz in der Eidgenossenschaft dazu dienen, Chronext als Marke sowohl bei den Herstellern als auch bei den Konsumenten zu etablieren.

Ganz überzeugend sind die Argumente indes nicht: Zum einen ist das Zentrum für Edelchronometer in der Schweiz das im südwestlichen Zipfel gelegene Genf und nicht der Kanton Zug in der Deutschschweiz, zum anderen arbeiten die mehr als 20 Uhrmacher und Uhrentechniker, die die Echtheitsprüfungen für Chronext ausführen, alle in Köln. Man selbst bezeichnet sich als „Kölsche Jung“.

Viele Venture-Capital-Fonds

Die Idee zu Chronext kam Man und Ludwig Wurlitzer, der Chief Product Officer des Unternehmens ist, als sie noch Studenten in London waren. CEO und CPO ständen für ein knappes Drittel des Eigenkapitals von knapp 100 Mill. sfr, sagt Man. Den Rest hätten überwiegend Venture-Capital-Investoren wie Slingshot Ventures, Partech Ventures, Tengelmann Ventures, Endeit Capital, Octopus Ventures, Capnamic Ventures und die NRW.Bank beigesteuert.

„Die Firma ist bewusst noch nicht profitabel“, sagt Man. Im Vordergrund stehe Wachstum, in das investiert werde. Gleichwohl betont der CEO: „Wir verdienen an jeder verkauften Uhr nach Kosten für Marketing, Logistik und Echtheitsprüfung sowie für die elf Lounges – wo man die gekaufte Uhr physisch abholen kann, wenn man will – Geld.“

Das Chronext-Management schätzt das Volumen des gesamten Luxusuhrenmarktes auf 90 Mrd. Euro. Und das Potenzial sei enorm: Der Anteil von Online-Transaktionen im Markt allein für neue Luxusuhren sei gemäß einer McKinsey-Studie 2019 erst 5% gewesen. Indes handelt Chronext mit neuen, gebrauchten und Vintage-Uhren. Letztere sind dadurch definiert, dass sie 20 Jahre oder älter sind. „Gebrauchte Uhren sind mit Jahreswagen vergleichbar, Vintage-Uhren eher mit Oldtimern.“ Gebrauchte Uhren sind oft noch in der aktuellen Kollektion oder gerade rausgeflogen. Ziel ist es, mittelfristig auf einen gleich hohen Anteil an verkauften neuen und gebrauchten Luxusuhren zu kommen, aber noch dominieren die Neuuhren. „Wir glauben, dass der Gebrauchtuhrenmarkt mindestens so groß werden kann wie der Neuuhrenmarkt“, so Man.

Über 100 Mill. Euro Umsatz

Die Coronakrise habe dem E-Commerce mit Luxusuhren – neuen wie gebrauchten – einen Schub versetzt, berichtet Man. Die Folge: „Die vergangenen 24 Monate ist Chronext sehr stark gewachsen – im Durchschnitt um 47% per annum. In der gleichen Zeit hat sich das Ebitda dem Break-even angenähert.“ 2020 habe Chronext erstmals über 100 Mill. Euro Umsatz gemacht. Im ersten Halbjahr 2021 habe sich der Aufwärtstrend sogar verstärkt, wozu das verbesserte Konsumklima beigetragen habe. „Unser Ziel ist es, zumindest in den nächsten 36 Monaten im Investitionsmodus zu bleiben und dann beim Ergebnis – auf Basis des bereinigten Ebitda – die Gewinnschwelle zu erreichen.“

McKinsey schätze, dass der Online-Anteil am Markt für ge­brauchte Luxusuhren innerhalb der nächsten fünf Jahre von derzeit rund 20% auf 45% steigen wird; das impliziert ein jährliches Wachstum von 8 bis 10%. Gegenwärtig liege das Volumen bei 15 Mrd. Euro. „Wir glauben, dass wir am besten positioniert sind, um an der gewaltigen Verschiebung vom Offline- zum Online-Markt für gebrauchte Luxusuhren zu partizipieren“, sagt Man. Chronext habe den Anspruch, im Segment Online-Handel mit Luxusuhren der führende Spieler zu werden.

Das Unternehmen sei lange auf die DACH-Region (Schweiz, Österreich und insbesondere Deutschland) fokussiert gewesen. Nun stehe eine stärkere Internationalisierung auf der Agenda, die durch Ausweitung auf Länder wie Frankreich, Italien und die Niederlande bereits begonnen habe. Darüber hinaus soll in den nächsten zwei bis vier Jahren die Markenbekanntheit von Chronext durch Suchmaschinen- und Social-Media-Werbung gesteigert werden.

Kein Clustering

Chronext ist eine hybride Handelsplattform. Das heißt, es werden sowohl Uhren aus dem eigenen Bestand als auch von anderen Händlern und Herstellern angeboten. Daher sei man in der Lage, prinzipiell alle Marken und Modelle anzubieten, die auf dem Markt sind, sagt Man. Wenn eine Marke oder ein bestimmtes Modell nicht verfügbar sei, liege das entweder an der Fokussierung von Chronext auf andere Marken/Modelle oder am fehlenden Angebot durch Dritte. Ein Clustering – also eine durch Vereinbarungen zwischen Herstellern und einem Händler quasi erzwungene Fokussierung auf bestimmte Marken – gebe es im Gegensatz zur stationären Welt nicht. Weder würden unabhängige Anbieter wie Rolex und Breitling bevorzugt noch Luxusgüterkonzerne wie Richemont (u. a. Jaeger-LeCoultre, IWC, A. Lange & Söhne) und Swatch. Gegenwärtig finde ein Interessent auf der Webseite von Chronext rund 7000 Uhrenmodelle von 49 Marken. Die Zahl der Kunden gibt Man mit rund 113000 an, die Zahl der Mitarbeiter liege über 130.

Durchschnittspreis 7111 Euro

Der durchschnittliche Preis, den Chronext 2020 für eine verkaufte Uhr erzielte, war 7111 Euro. Gemäß Man sind neue Uhren im Schnitt etwas teurer, gebrauchte Uhren etwas günstiger, „aber nicht viel“. Unter den Top 10 der verkauften Modelle ist die Marke Rolex auf den Plätzen 1, 3, 4 und 8 zu finden. Dreimal ist Breitling (Rang 5, 7 und 9) und zweimal Omega (2 und 6) vertreten. An zehnter Stelle liegt ein Modell von Tag-Heuer.

Als Alleinstellungsmerkmal nennt Man die Echtheitsprüfung jeder Uhr durch einen 17-schrittigen Prozess, an dem jeweils drei Uhrmacher beteiligt seien. Er ist auch überzeugt, dass Chronext im Wettbewerb mit Amazon, Ebay und anderen großen Online-Anbietern bestehen wird. „Amazon hatte immer schon Probleme damit, in Kategorien vorzudringen, die mit Luxus und Branding zu tun haben.“ Er nennt als Beispiel den Fashion-Bereich, wo sich Plattformen wie Zalando in Deutschland im Verhältnis zu Amazon und Ebay stark positionieren konnten. Die stärkste Konkurrenz ortet Man woanders: „Der stationäre Handel ist unser größter Wettbewerber.“

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.