Fusionen/Übernahmen

M&A-Geschäft braucht Adrenalinstoß

Das Ende des billigen Geldes dämpft das Geschäft mit Übernahmen. Zusätzlich bremst eine neue Drittstaaten-Subventionsverordnung der EU. Die Investmentbanker von J.P. Morgan und die Anwälte von Freshfields hoffen, dass der gewachsene Anlagedruck der Finanzinvestoren dem M&A bald einen Adrenalinstoß versetzt.

M&A-Geschäft braucht Adrenalinstoß

M&A-Geschäft braucht Adrenalinstoß

J.P. Morgan hofft auf Anlagedruck durch rekordhohes "Dry Powder" der Private-Equity-Firmen

cru Frankfurt
Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt

Für Investmentbanker ist das Jahr 2023 bisher mau gelaufen. Das globale Volumen der Fusionen und Übernahmen ist bis dato im Vergleich zum selben Vorjahreszeitraum um 44% auf 1,1 Bill. Dollar geschrumpft. Das ist nicht nur eine Normalisierung nach dem Boom, der vom billigen Geld der Notenbanken gespeist wurde, sondern auch 28% weniger als im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Der Europa-Anteil sank von 28% auf 20%. Die Zahl der Megadeals mit mehr als 10 Mrd. Dollar Volumen halbierte sich auf 13. Das geht aus den Daten der Investmentbank J.P. Morgan hervor.

In Deutschland sieht es nicht viel besser aus. Das M&A-Volumen im deutschsprachigen Raum dampfte bis dato von 133 Mrd. auf 114 Mrd. Dollar ein - rund 12% weniger als im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Nur einen Megadeal gab es in Deutschland. Das war der Verkauf der dominierenden Heizungssparte mit den Wärmepumpen der Familie Viessmann für 13 Mrd. Dollar an den US-Wettbewerber Carrier Global.

Investmentbanker hoffen auf Rückkehr der Finanzinvestoren

Allerdings war unterhalb der 10-Mrd.-Dollar-Marke einiges los im deutschsprachigen Raum: Mit der 3,9 Mrd. Euro schweren Übernahme des dänischen Finanzsoftware-Spezialisten Simcorp will die Deutsche Börse ihr Geschäft mit Dienstleistungen für Vermögensverwalter ausbauen. Und die Schweizer Softwarefirma Softwareone erhielt eine 3,3 Mrd. Dollar schwere Offerte des US-Finanzinvestors Bain Capital.

Um einen weiteren Adrenalinstoß für das lahmende M&A-Geschäft zu erhalten, hoffen die Investmentbanker von J.P. Morgan nun unter anderem auf die Rückkehr der Finanzinvestoren ins Transaktionsgeschäft. Sebastian Bladt, Head of M&A Germany & Austria bei J.P. Morgan in Frankfurt, verweist auf die rekordhohen Kapitalzusagen von 2,2 Bill. Dollar für die Private-Equity-Branche - im Fachjargon "Dry Powder" genannt. Damit wächst der Druck, lukrative Akquisitionsziele zu finden: "Finanzinvestoren werden nicht dafür bezahlt, nur Management Fees zu kassieren. Die werden kreative Wege finden, das Kapital zu deployen", sagt M&A-Banker Bladt voraus. Einige Private-Equity-Deals gab es auch schon: Silver Lake kauft die Software AG für rund 2,5 Mrd. Euro und nimmt sie von der Börse. Und der Finanzinvestor Cinven überlegt, die restlichen Anteile von 43% an der von ihm an die Börse gebrachten Laborkette Synlab zurückzukaufen und das Unternehmen ebenfalls von der Börse zu nehmen.

Drittstaaten-Subventionsverordnung bremst

Dämpfend auf das M&A-Geschäft wirkt die zunehmend umfangreichere Fusionskontrolle. Es geht nicht mehr nur um die Kartellwächter, die Marktmacht kritisch beäugen, oder um die Prüfung von Übernahmen in der kritischen Infrastruktur durch die Wirtschaftsministerien. "Als dritter Zweig ist jetzt die Drittstaaten-Subventionsverordnung hinzugekommen. Das führt dazu, dass die Zeit, die zwischen Signing und Closing eines Deals vergeht, noch länger dauert als bisher", sagt Katrin Gaßner, Kartellexpertin der Kanzlei Freshfields.

Die Verordnung, die gerade in Kraft tritt, verpflichtet Unternehmen, Zusammenschlüsse, die mit einer finanziellen Zuwendung einer drittstaatlichen Regierung verbunden sind, zur Genehmigung bei der EU-Kommission anzumelden, wenn der EU-Umsatz des übernommenen Unternehmens oder eines der am Zusammenschluss Beteiligten oder des Gemeinschaftsunternehmens 500 Mill. Euro oder mehr beträgt und sich die drittstaatliche finanzielle Zuwendung auf mehr als 50 Mill. Euro beläuft. Das bedeutet für alle großen Unternehmen: "Man muss dann auf Knopfdruck alle Verträge mit staatlichen Akteuren parat haben", sagt Freshfields-Anwältin Gaßner. Das führe zu unglaublich viel zusätzlicher Bürokratie.

Auch der IPO-Markt ist derzeit kein Lichtblick für Investmentbanker. "Es gab bisher nur acht größere Börsengänge in Europa in diesem Jahr", sagt Thorsten Zahn, Head of Equity Capital Markets im deutschsprachigen Raum bei J.P. Morgan. "Mit der Thyssenkrupp-Wasserstofftochter Nucera, dem britischen Zahlungsdienstleister Cab Payments und dem rumänischen Energiekonzern Hidroelectrica befinden sich aber drei weitere IPOs gerade in der Vermarktung. Investoren wollen bei IPOs eine gewisse Größe von mindestens 500 Mill. Euro Emissionserlös sehen. Die Pipeline wird im zweiten Halbjahr noch weiter wachsen."

Das Ende des billigen Geldes dämpft das Geschäft mit Übernahmen. Zusätzlich bremst eine neue Drittstaaten-Subventionsverordnung der EU. Die Investmentbanker von J.P. Morgan und die Anwälte von Freshfields hoffen, dass der gewachsene Anlagedruck der Finanzinvestoren dem M&A bald einen Adrenalinstoß versetzt.

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