Medizinmann
mic – Wenn ein Comiczeichner die Wirtschaftswelt auf das Papier bannen würde, dann müsste er Michael Sen die Rolle des superstarken Medizinmanns zueignen. Denn der heutige Siemens-Vorstand scheint – diese Überzeugung gewannen die Chefs während seiner Karriere immer wieder – ganz unterschiedliche Geschäfte kurieren zu können. Sens kommunikative Fähigkeiten und sein immer ruhiges Auftreten komplettieren den Eindruck eines Begnadeten.Als Medizintechnik-Finanzvorstand (2008 bis 2015) impfte er der Siemens-Sparte gegen allerlei Widerstände in CEO-Manier Effizienz ein. Als Eon-CFO (2015 bis 2017) heilte er – soweit möglich – die Folgen des Atomausstiegs samt Neujustierung der Konzernaufspaltung. Zu Siemens zurückgekehrt schrumpft er nun nicht nur die IT-Aktivitäten (Global Services) gesund, sondern soll vor allem das Windkraftgeschäft aufpäppeln und die Medizintechnik an die Börse führen. Insbesondere das IPO der Sparte Healthineers, das ein potenzielles Mitglied im Deutschen Aktienindex erschaffen soll, dürfte 2018 die Aufmerksamkeit der Wirtschaftswelt auf sich ziehen.Kein Zweifel: Sen ist ein Phänomen. Sein mächtigstes Hilfsmittel hängt in der Münchner Konzernzentrale an einer Wand: Ein riesiges Bild seines Gehirns, erstellt auf Basis von Magnetresonanz-Daten aus einem Siemens-Produkt. Nicht zu sehen ist dabei allerdings, mit welchem bedingungslosen Einsatz diese intellektuelle Kapazität gepaart ist. Der 49-Jährige durchdringt neue Einsatzfelder schon nach wenigen Wochen so ausgeprägt, als wäre er seit Jahren der verantwortliche Unternehmenslenker für diesen Bereich.Trotzdem ist klar: Das Herz von Sen schlägt für die Medizintechnik von Siemens. Die Begeisterung für dieses Geschäft ist tief empfunden. Das Projekt des Börsengangs ist ihm aber auch aus einem anderen Grund auf den Leib geschneidert. Als früherer Chef der Siemens-Abteilung Investor Relations (2007 bis 2008) spricht und versteht er die Sprache des Kapitalmarktes.Wenn potenzielle Ankerinvestoren für das Börsenprojekt nach einem Ansprechpartner suchen, wenden sie sich nicht an die operative Healthineers-Leitung, sondern an Sen. Eine logische Entscheidung. In Sens Münchner Büro steht ein schwarzer Regiestuhl mit dem Aufdruck “Investor”, den er auch schon zu Erlanger CFO-Zeiten immer im Blick hatte.