Risikokapital

Mehr Geld denn je für deutsche Start-ups

Deutsche Jungunternehmen erhielten 2021 mehr Risikokapital als im gesamten Zeitraum von 2018 bis 2020. Vor allem die Zahl der Finanzierungsrunden mit einem Volumen über 100 Mill. Euro sprang nach oben.

Mehr Geld denn je für deutsche Start-ups

cru Frankfurt

– Wagniskapitalgeber wie Global Founders, HV Holtzbrinck Ventures oder Point Nine investieren mehr Geld denn je in deutsche Start-ups. Der Gesamtwert aller Risikokapitalinvestitionen in hiesige Jungunternehmen hat sich im Jahr 2021 von 5,3 Mrd. auf fast 17,4 Mrd. Euro verdreifacht – den Firmen floss damit mehr Risikokapital zu als im gesamten Dreijahreszeitraum von 2018 bis 2020. Das sind Ergebnisse des Start-up-Barometers der Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young). Berücksichtigt wurden nur Unternehmen, die höchstens zehn Jahre alt sind.

Gorillas erhält am meisten

Am meisten frisches Kapital sammelte der Berliner Lebensmittel-Schnelllieferdienst Gorillas ein, der in zwei Finanzierungsrunden im März und September insgesamt 1,1 Mrd. Euro von Venture-Capital-Investoren erhielt und eine Firmenbewertung von 2,6 Mrd. Euro erreichte. Das Start-up von CEO Kagan Sümer verspricht, Lebensmittel binnen zehn Minuten zum Kunden zu bringen – gegen eine Gebühr von 1,80 Euro. Im Rekordtempo von nur neun Monaten nach der ersten Bestellung erlangte Gorillas einen Unternehmenswert von mehr als 1 Mrd. Dollar und wurde so zu einem der 25 deutschen „Einhörner“.

Laut EY stieg die Zahl der Finanzierungsrunden 2021 um 56% auf 1160 – davon 503 in Berlin – und erreichte damit ebenfalls einen Rekordwert. Vor allem die Zahl der großen Deals mit einem Volumen über 100 Mill. Euro ist im Jahresvergleich von acht auf 33 nach oben gesprungen. Es gab erstmals acht Finanzierungsrunden mit jeweils mehr als 500 Mill. Euro, darunter neben Gorillas auch die Deals der Münchener Datenanalyse-Softwarefirma Celonis sowie der Smartphone-Bank N26 und des Online-Brokers Trade Republic. Im Vorjahr war keine einzige Transaktion in dieser Größenordnung registriert worden, 2019 nur eine.

Als wichtigste Zentren der deutschen Start-up-Szene halten sich Berlin und Bayern: Rund 10,5 Mrd. Euro und damit 60% des insgesamt in Deutschland investierten Wagniskapitals gingen im vergangenen Jahr an Berliner Unternehmen – mehr als dreimal so viel wie im Vorjahr. Bayern kommt ebenfalls mit einer Verdreifachung auf 4,4 Mrd. Euro auf einen Marktanteil von rund 26%. Die Lücke zu den im Investitionsranking folgenden Bundesländern Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hamburg ist groß.

„Die Pandemie erweist sich immer mehr als Katalysator für einen regelrechten Start-up-Finanzierungsboom“, kommentiert Thomas Prüver, Partner bei EY. „Der Grund ist das neu entfachte Interesse an potenziell disruptiven Geschäftsmodellen, vor allem im Technologiebereich. Hinzu kommt, dass auf Investorenseite ein hoher Anlagedruck herrscht. Es ist viel Geld im Markt.“

Fintech-Branche an der Spitze

Unter den Branchen erhielten Fintechs, E-Commerce und Software mit jeweils mehr als 3,5 Mrd. Euro das meiste Wagniskapital. Die meisten Finanzierungsrunden wurden 2021, wie schon im Vorjahr, im Bereich Software & Analytics mit Firmen wie Celonis, Mambu oder Personio gezählt – mit 393 Deals und 3,6 Mrd. Euro Volumen. Noch mehr Geld floss jedoch an Fintech- und Insurtech-Unternehmen wie N26, Trade Republic oder Wefox, die insgesamt 3,8 Mrd. Euro (Vorjahr: 0,6 Mrd. Euro) erhielten, und an E-Commerce-Start-ups wie Gorillas und Flink, in die 3,7 Mrd. Euro investiert wurden (Vorjahr: 1 Mrd. Euro). Im Mobility-Sektor ragten Unternehmen wie der Fernbusbetreiber Flixbus, die Logistik-App Forto oder der Flugtaxianbieter Volocopter mit großen Deals hervor. Im Gesundheitssektor flossen größere Summen an die inzwischen an der Nasdaq notierte Biotechfirma Atai Life Sciences, das Biotech-Start-up T-Knife und das biopharmazeutische Unternehmen Emergence Therapeutics, das Antikörper-Wirkstoff-Konjugate zur Be­handlung von Krebserkrankungen entwickelt.

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