Mittsommernachtsträume

Von Thesy Kness-Bastaroli, Mailand Börsen-Zeitung, 25.8.2017 Fiat Chrysler Automobiles (FCA) erlebt den heißesten Sommer seit Jahren. Nicht enden wollende Berichte über Verkauf oder Zerschlagung des Konzerns befeuern immer wieder die Gerüchteküche....

Mittsommernachtsträume

Von Thesy Kness-Bastaroli, MailandFiat Chrysler Automobiles (FCA) erlebt den heißesten Sommer seit Jahren. Nicht enden wollende Berichte über Verkauf oder Zerschlagung des Konzerns befeuern immer wieder die Gerüchteküche. FCA hat damit ein wesentliches Ziel erreicht: Der siebtgrößte Autokonzern steht im Mittelpunkt des internationalen Interesses. Dies kann für einen erhofften Deal nur von Nutzen sein.Mitte August führten Gerüchte über einen möglichen Verkauf von FCA insgesamt oder auch nur der Marke Jeep zu einem Kurssprung von mehr als 10 %. Kaum hatten sich die Gerüchte abgeschwächt, weil der chinesische Interessent Great Wall Motors kleinlaut zugab, doch noch nicht mit FCA zu verhandeln, trieben neuerliche Gerüchte über die Ausgliederung der Premiummarken Alfa Romeo und Maserati die Kurse in neue Höhen.Branchenkenner nehmen mit Staunen wahr, dass Alfa-Maserati mit 7 Mrd. Euro und der gesamte Fiat-Chrysler-Konzern – in seine Einzelteile filetiert – insgesamt mit sage und schreibe 50 Mrd. Euro bewertet werden dürfte. Das ist weit mehr als das Doppelte der derzeitigen Marktkapitalisierung an der Mailänder Börse, die 18 Mrd. Euro beträgt. Von “Mittsommernachtsträumen” spricht ein Mailänder Analyst, der nicht genannt werden will. Er verweist auf die Flops, die FCA in den vergangenen Jahren einstecken musste. Die vergebliche Partnersuche, die übermäßig hohe Verschuldung, die keinerlei Investitionen in die Elektromobilität ermöglicht. FCA ist im Zeitalter der Digitalisierung einen Schritt gegenüber den deutschen und den US-Rivalen zurückgeblieben. Auch mussten mehrere neue Modelle kurz nach ihrer Präsentation vom Markt genommen werden. Der Absatzeinbruch am wichtigen US-Markt machte Turin mehr zu schaffen als etwa der dort weniger abhängigen deutschen Konkurrenz. Inzwischen aber klettern die FCA-Kurse weiterhin von einem Jahreshoch zum nächsten (12,85 Euro) und weisen einen Gewinn von 30 % innerhalb eines Monats und von 112 % innerhalb der letzten zwölf Monate auf.Die Gerüchte um Fiat Chrysler entspringen indes nicht nur der Anlegerfantasie. Tatsache ist, dass FCA verkauft werden soll. Großaktionär und Konzernpräsident John Elkann hat dies mehrfach bestätigt. Fraglich ist, ob der Konzern als Ganzes oder in Sparten veräußert werden soll. Dass chinesische Unternehmen Interesse zeigen dürften, liegt auf der Hand. Nachdem sich FCA Abfuhren bei europäischen (VW, Peugeot) und US-Rivalen (GM) geholt hat, bleiben nur mehr die Chinesen übrig. Ein Interesse am Gesamtkonzern erscheint jedoch fraglich. Erst die KomponentensparteVor einem möglichen Verkauf soll wohl zunächst die Luxuswagen-Sparte ausgegliedert werden. Doch unternehmensnahe Kreise sehen vor der Abspaltung von Alfa-Maserati zunächst noch die Ausgliederung und den Börsengang oder Verkauf der zum FCA-Konzern zählenden Elektro-Komponentenfirma Magneti Marelli. Auch der Roboterbauer Comau soll an den Mann gebracht werden. Dies soll so schnell wie möglich, bestenfalls noch dieses Jahr geschehen. Erst danach sollen Alfa und Maserati ausgegliedert erden. Ob chinesische Investoren an Magneti Marelli, die mit 7 Mrd. Euro taxiert wird, und Comau interessiert sind, bleibt offen. Doch auch ein Comau-Konkurrent, die deutsche Kuka-Gruppe, wurde nach China verkauft. Brüssel würde dabei wohl ein Wort mitsprechen, ob und zu welchen Bedingungen chinesische Investoren in der EU übernehmen dürfen. Zu erwarten ist jedenfalls, dass bei FCA auf den heißen Sommer ein heißer Herbst folgt.——–Der Fiat-Chrysler-Kurs lebte zuletzt zwar von der Fantasie – reale Erfolge rücken aber näher.——-