Milliardenrücklagen notwendig

MTU mit erstem Jahresverlust seit 90 Jahren

Der Triebwerkshersteller MTU schreibt zum ersten Mal seit 90 Jahren rote Zahlen. Der Grund ist allerdings ein Partnerunternehmen.

MTU mit erstem Jahresverlust seit 90 Jahren

Der Rückruf tausender Triebwerke hat dem Münchner Hersteller MTU den ersten Jahresverlust seiner Geschichte eingebrockt. Hunderte Airbus-Jets müssen monatelang am Boden bleiben, weil MTUs Partner Pratt & Whitney in rund 3.000 Turbinen ein problematisches Metallpulver verwendet hat. Allein MTU hat für Reparaturen und Entschädigung der Fluggesellschaften seit dem Herbst rund 1 Mrd. Euro zurückgelegt. Das Tagesgeschäft des Unternehmens brummt allerdings weiter.

Vorstandschef Lars Wagner nannte 2023 deshalb „ein Jahr der Gegensätze für die MTU“. Belastungen durch den Triebwerksrückruf rissen das Unternehmen zum ersten Mal in seiner Geschichte in die roten Zahlen. Ohne die Sonderbelastung hätte der Vorstand Rekordwerte verkünden können, wie der Dax-Konzern am Donnerstag in München mitteilte.

An der Börse lösten die Neuigkeiten zunächst keine klare Reaktion aus: Der Kurs der MTU-Aktie lag nach anfänglichem Auf und Ab am Morgen zuletzt mit 0,1% im Plus. Vergangene Woche hatte das Papier merklich Federn gelassen, nachdem der Konzern überraschend eine Kürzung der Dividende angekündigt hatte. So sollen die Anteilseigner angesichts der hohen Sonderkosten für das abgelaufene Jahr nur 2 Euro je Aktie erhalten. Für 2022 hatte MTU noch 3,20 Euro je Papier ausgeschüttet.

Unter dem Strich stand bei MTU im vergangenen Jahr letztlich ein Fehlbetrag von 97 Mill. Euro, nachdem der Konzern im Vorjahr noch einen Gewinn von 333 Mill. Euro erzielt hatte. Vor Zinsen und Steuern (Ebit) lag das Minus bei 161 Mill. Euro. Rechnet man Sondereffekte und damit vor allem den teuren Triebwerksrückruf heraus, hätte MTU vor Zinsen und Steuern (bereinigtes Ebit) einen Gewinn von 818 Mill. Euro erzielt – und damit gut 60 Mill. Euro mehr als im bisherigen Rekordjahr 2019 kurz vor der Corona-Pandemie.

Doch die veranschlagten Kosten des Rückrufs von fast 1 Mrd. Euro zehrten den operativen Gewinn aus dem Tagesgeschäft mehr als auf. Die zusätzlichen Inspektionen und Reparaturen betreffen ausgerechnet den sogenannten Getriebefan-Antrieb, den Pratt & Whitney zusammen mit MTU und Japanese Aero Engines baut. Dieser treibt etwa jedes zweite Exemplar des Airbus-Verkaufsschlagers A320neo an.

Von den insgesamt betroffenen rund 3.000 Triebwerken müssen 600 bis 700 vorzeitig in die Werft. Im laufenden Jahr müssen deshalb weltweit voraussichtlich hunderte Airbus-Maschinen außerplanmäßig am Boden bleiben. Der Mutterkonzern von Pratt & Whitney, der Luftfahrt- und Rüstungskonzern RTX schätzt die gesamten Kosten des Rückrufs auf 6 bis 7 Mrd. US-Dollar. Der US-Konzern trägt selbst den größten Teil davon.

Unterdessen sieht MTU-Chef Wagner seinen Konzern im Tagesgeschäft weiter im Aufwind. Im laufenden Jahr soll der Umsatz auf 7,3 bis 7,5 Mrd. Euro wachsen. Das wäre mindestens rund 1 Mrd. Euro mehr als im vergangenen Jahr, wenn man die Umsatzbelastung durch den Triebwerksrückruf ausklammert.

Den stärksten Umsatzanstieg erwartet der Manager im Seriengeschäft mit neuen Triebwerken mit mindestens 20%. Aber auch im Ersatzteilgeschäft, in der Wartungssparte und im Militärgeschäft soll der Erlös um mehr als 10% steigen.

Vom Konzernerlös sollen im laufenden Jahr mehr als 12% als operativer Gewinn vor Sondereffekten übrig bleiben. Das wären mindestens rund 880 Mill. Euro – und auf bereinigter Basis ein weiteres Rekordergebnis für MTU. Für 2025 rechnet der Manager weiterhin mit einem Umsatz von 8 Mrd. Euro. Der bereinigte operative Gewinn soll dann erstmals die Marke von 1 Mrd. Euro erreichen.

An Bestellungen fehlt es MTU jedenfalls nicht: Der Auftragsbestand lag Ende 2023 bei 24,4 Mrd. Euro und damit gut 2 Mrd. höher als ein Jahr zuvor. „Rein rechnerischen entspricht das einer Auslastung von mehr als drei Jahren“, sagte Wagner.