PUSH-OUT SCORE

Nasser Start in den Herbst für CEOs

September bringt viele erzwungene Chefwechsel in den USA - Spektakulärer Exit bei Seaworld - Befremdlicher Abtritt bei DXC - Würdevoller Schritt bei Nucor

Nasser Start in den Herbst für CEOs

Seaworld, DXC und Nucor gehören zu den US-Unternehmen, die im September einen Führungswechsel angekündigt haben. Nicht jeder CEO geht freiwillig. Untersuchungen mit dem Analysemodell Push-out Score zeigen, dass im ersten Herbstmonat erzwungene CEO-Wechsel überwogen haben. ds Frankfurt – Der Druck auf die CEOs in den USA hat im September weiter zugenommen und nun ein deutlich erhöhtes Niveau erreicht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Forschungsdienstleisters Exechange *, der 283 CEO-Abgänge von börsennotierten US-Unternehmen aus den vergangenen zwölf Monaten analysiert hat (siehe Tabelle).Exechange weist Chefwechseln einen Push-out Score von 0 bis 10 zu. Ein Wert von 0 zeigt an, dass der Abtritt mit ziemlicher Sicherheit freiwillig ist, während 10 Punkte einen offen erzwungenen Abgang bedeuten. Push-out Scores über 5 zeigen eine hohe Wahrscheinlichkeit für erzwungene Wechsel an und gehen einher mit erhöhter Aktienkursvolatilität, wie Forscher der Universität Stanford gezeigt haben (siehe ssrn.com/abstract=2975805).Der Score berücksichtigt Faktoren wie Alter, Amtszeit oder Abtrittsgeschwindigkeit des Managers, den Aktienkurs sowie die Sprache der Abtrittsmeldung. Eine hohe Punktzahl ergibt sich etwa, wenn ein CEO Anfang 50 nach knapper Amtszeit kurzfristig und ohne klare Begründung geht und wenn dazu der Aktienkurs schwach, die Nachfolgeplanung undurchsichtig und das Lob des Unternehmens für den scheidenden Chef lauwarm ist. Sieben Monate DruckDer Herbst beginnt nass für CEOs: Der CEO Push-out Index, der monatlich berechnet wird und den durchschnittlichen Push-out Score für CEO-Austritte in den USA widerspiegelt, stieg im September auf 6,4 nach 5,8 im August (siehe Grafik). Der Index lag damit schon den siebten Monat in Folge über der kritischen Marke von 5, die signalisiert, dass offenbar unfreiwillige Austritte von CEOs vorherrschen.Im September wurde das Barometer von vielen offensichtlich erzwungenen Fluktuationsereignissen und Führungswechseln mit hohen Push-out Scores beeinflusst, darunter die angekündigten CEO-Abgänge von Ebay, DXC Technology, Tapestry, Seaworld, Akcea Therapeutics, Stewart Information und Tidewater. Freiwillige Führungswechsel und Ereignisse mit niedrigen Push-out Scores hatten im September einen deutlich geringeren Einfluss auf den Index, darunter die CEO-Veränderungen bei BNY Mellon, KeyCorp, Nucor, Sanmina und Culp.Mit einem Push-out Score von 10 liegt der Exit des CEO von Seaworld an der Spitze der Skala und wirkt spektakulär. Wie am 16. September angekündigt, hat Gustavo (Gus) Antorcha seine Position als CEO des Themenparkbetreibers verlassen. Auch wenn einige Fakten für den ausscheidenden CEO sprechen, gibt es keine vernünftigen Zweifel daran, dass Antorcha unter enormem Druck ging.Betrachten wir zunächst die positiven Kriterien: Streng formal betrachtet, geht Antorcha freiwillig. Seaworld erklärte, dass er “das Unternehmen über seine Absicht informiert hat, zurückzutreten”. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Aktienkursentwicklung durchaus zufriedenstellend ist. Die Ankündigung folgt auf einen Anstieg des Aktienkurses von Seaworld um 12 % seit Februar 2019. Zugleich kann jedoch selbst ein flüchtiger Betrachter die Fülle der Alarmsignale kaum ausblenden. Immenser StressAntorchas Alter ist mit 44 Jahren äußerst niedrig, und seine Zukunftspläne liegen zunächst im Dunkeln. Das ist der erste Punkt für den Push-out Score. Sein Abgang kam drei Tage vor dem Ankündigungsdatum. Punkt Nummer 2. Die Amtszeit von Antorcha als CEO von sieben Monaten ist ausgesprochen knapp. Punkt 3. Vor allem aber ist der offiziell genannte Grund für den Chefwechsel ein Indiz für immensen Stress. Punkt 4. Seaworld erklärte: “Herr Antorcha informierte das Unternehmen, dass sein Rücktritt auf Meinungsverschiedenheiten über die Beteiligung des Boards an der Entscheidungsfindung im Unternehmen zurückzuführen sei.” Die Rahmenbedingungen des Wechsels sind also problematisch. Punkt 5. Seaworld ist seit der Veröffentlichung des kritischen Dokumentarfilms “Blackfish” im Jahr 2013 in Aufruhr. Obwohl das Unternehmen 2018 nach zwei Verlustjahren wieder in die Gewinnzone zurückgekehrt ist, hat der Umsatz das Niveau, das vor dem Dokumentarfilm erzielt wurde, nicht wieder erreicht.Die Nachfolge wirft Fragen auf. Punkt 6. Ein neuer CEO soll mithilfe einer Personalberatung gefunden werden. Interimistisch übernimmt CFO Marc Swanson die Führung. Form und Sprache der Bekanntmachung führen zu den Punkten 7 und 8: In der Ankündigung von Seaworld aus Orlando, Florida, erhält Gus Antorcha Dank und gute Wünsche, aber keine Auszeichnungen für konkrete und quantifizierte Erfolge, kein Lob und kein Wort des Bedauerns. Abgang mit erhobenem HauptChairman Scott Ross zeigt sich zu Antorchas Abgang ausgesprochen wortkarg: “Wir danken Gus für seine Beiträge und wünschen ihm alles Gute für seine zukünftigen Pläne”. Interims-CEO Swanson erklärte unterdessen: “Wir werden uns weiterhin darauf konzentrieren, die Umsetzung unserer Strategie mit verbesserten Marketing- und Kommunikationsinitiativen, effektiveren Preisstrategien, der Einführung neuer attraktiver Fahrgeschäfte, Attraktionen und Veranstaltungen sowie dem unermüdlichen Streben nach Kosten- und Kapitaleffizienz zu verbessern.” Swanson streut viel Salz in offene Wunden. In einem Satz geht er indirekt auf Defizite in zahlreichen Bereichen ein. Beim Push-out Score werden 10 Punkte angesetzt, wenn ein Manager offen herausgedrängt wurde oder wenn kein begründeter Zweifel besteht, dass er die Position unter höchstem Druck verlassen hat. Daher wird der Punktwert auf 10 erhöht. Antorcha räumt den Posten erhobenen Hauptes und erklärt: “Obwohl ich vielleicht einen anderen Ansatz habe, glaube ich weiterhin an die Strategie, Mission, das Team und die Perspektiven von Seaworld.”Mit einem Push-out Score von 8 liegt der Abgang des CEO von DXC im oberen Viertel der Skala und sieht befremdlich aus. Wie am 11. September angekündigt, verlässt J. Michael (Mike) Lawrie seine Position als CEO bei dem IT-Outsourcing-Giganten. Rein formal geht auch er freiwillig. DXC erklärte, dass er “seinen Rücktritt als President und CEO angekündigt hat” und zudem am 31. Dezember auch als Chairman zurücktreten werde. Mit 66 Jahren befindet sich Lawrie zwar im typischen Rentenalter. Dennoch deuten fast alle Kriterien des Analysemodells darauf hin, dass er unter starkem Abtrittsdruck stand. Der Wechsel wird sofort wirksam. Punkt 1 für den Push-out Score. Lawries Amtszeit als DXC-CEO von zwei Jahren und fünf Monaten ist sehr kurz. Punkt Nummer 2. Die Ankündigung folgt auf einen Rückgang des Aktienkurses von DXC um 60 % seit Oktober 2018. Punkt 3.Der Grund für den Führungswechsel ist nicht vollständig transparent. Punkt 4. DXC erklärt zwar: “Lawrie und der DXC-Board begannen vor etwa einem Jahr mit der Diskussion über die Nachfolge und den geplanten Ruhestand.” Gleichzeitig bleibt indes offen, warum Lawrie gerade jetzt geht. Unterdessen sind die Umstände des Führungswechsels herausfordernd. Punkt 5. Trotz drastischer Bemühungen, die Kosten zu senken, hat DXC im August einen enttäuschenden Quartalsbericht geliefert. Die Nachfolge wirft Fragen auf. Punkt 6. Neuer CEO wird per sofort Michael J. (Mike) Salvino, der seit dem 23. Mai im Board von DXC sitzt und damit eine Mischung aus Outsider und Insider ist. Einst war er CEO der Accenture-Division Operations.Form und Sprache der Bekanntmachung sind die Punkte 7 und 8. In der Ankündigung von DXC aus Tysons, Virginia, erhält Mike Lawrie Lob und Dank, aber keine Anerkennung für konkrete und quantifizierte Erfolge. Der neue CEO Salvino sagt, er freue sich darauf, “die Umsetzung unserer Wachstumsstrategie zu beschleunigen”. Damit scheint offensichtlich, dass es beim Wachstum wohl bislang zu langsam lief und das Unternehmen von einem Chef mit anderen Fähigkeiten profitieren könnte. Fazit: Mitteilungsfrist, Amtsdauer, Aktienkursentwicklung, offizieller Grund, Umstände, Nachfolgeplan, Form der Bekanntmachung und Sprache in der Mitteilung heben acht rote Fahnen. Lediglich Lawries Alter von 66 Jahren verhinderte, dass der Score höher stieg.Mit einem Push-out Score von 1 ist der Abgang des CEO von Nucor nahe dem unteren Ende der Skala und wirkt würdevoll. Wie am 6. September angekündigt, verlässt John J. Ferriola am 31. Dezember sein Amt als CEO des größten US-Stahlproduzenten. Ferriolas Schritt erfüllt mit einer Ausnahme alle Kriterien für einen idealen Führungswechsel. Erstens ist sein Alter von 67 Jahren angemessen. Zweitens ist die Vorlaufzeit von 116 Tagen makellos. Drittens ist die Amtszeit von Ferriola als CEO von sieben Jahren einwandfrei.Viertens ist die Börsenperformance zufriedenstellend. Die Ankündigung folgt auf einen Anstieg des Aktienkurses von Nucor um 9 % seit Januar 2013. Gemessen an der Börsenperformance hat sich Nucor in den vergangenen ein, zwei und fünf Jahren deutlich besser entwickelt als der Wettbewerber U.S. Steel. Fünftens ist der offiziell genannte Grund für den Führungswechsel verständlich. Nucor sagte, dass Ferriola “im Zusammenhang mit dem geplanten Nachfolgeprozess” als Chairman und CEO in den Ruhestand gehen wird. Geplanter Nachfolgeprozess? Das klingt plausibel, denn sechstens deutet alles auf eine reibungslose Übergabe hin. Leon J. Topalian wird zum 5. September zum President und Chief Operating Officer ernannt und soll Ferriola am 1. Januar 2020 als CEO ablösen. Der zukünftige Chef hat sich seit 1996 auf der Karriereleiter hochgearbeitet. Siebtens und achtens sind Form und Sprache der Ankündigung in Ordnung. In der Ankündigung von Nucor aus Charlotte, North Carolina, erhält John Ferriola viel Lob und gute Wünsche. “Wohlverdienter Ruhestand”John H. Walker, Nucors Lead Independent Director, lobt Ferriolas “ausgezeichnete Führung” und wünscht ihm “alles Gute für seinen wohlverdienten Ruhestand”. Fazit: Alter, Ankündigungsfrist, Amtsdauer, Aktienkursentwicklung, offizielle Begründung, Nachfolgeplan, Form der Bekanntmachung und Sprache in der Kommunikation sind konsistent, angemessen und frei von roten Fahnen. Der Push-out Score ist 1, da die Umstände des Wechsels eine gewisse Herausforderung darstellen. Nucor befindet sich inmitten einer rasanten Expansion und ist mit nachlassender Nachfrage konfrontiert. Gemäß den Regeln des Modells ist jedoch ein Zeichen allein nicht signifikant und kann ignoriert werden.*) Inhaber von Exechange ist Daniel Schauber, der auch Redakteur bei der Börsen-Zeitung ist. Börsen-Zeitung und Exechange sind voneinander unabhängig. Die Inhalte dieser Seite basieren auf einer Studie von Exechange (exechange.com/news).