"Nationalsozialistischer Musterbetrieb"

Studie zu Continental im Dritten Reich vorgestellt

"Nationalsozialistischer Musterbetrieb"

dpa-afx Hannover – KZ-HĂ€ftlinge, die Gummisohlen “testen” mussten, systematisch schikaniert und oft getötet wurden. Einsatz Tausender Zwangsarbeiter in kriegswichtigen Betrieben. Diskriminierung und Ausgrenzung jĂŒdischer Kollegen. Die Untersuchung des Historikers Paul Erker ĂŒber die Verstrickungen des Automobilzulieferers Continental mit dem NS-Regime umfasst mehr als 800 Seiten, die es in sich haben. Und sie wirft ein Schlaglicht auf den schleichenden Wandel vom international vernetzten Unternehmen zum Teil der Ausbeutungsmaschinerie eines totalitĂ€ren Systems.”Eigentlich ist das fĂŒr den Leser eine Zumutung”, sagt der Forscher. Aber “die KomplexitĂ€t der Transformation von Continental zu einem nationalsozialistischen Musterbetrieb nachzuzeichnen”, sei nötig gewesen. Vorstandschef Elmar Degenhart bestĂ€tigt: “Die LektĂŒre war an vielen Stellen sehr bedrĂŒckend.”Continental und auch spĂ€ter in den Konzern gekommene Firmen wie VDO, Teves oder Phoenix dienten von 1933 bis 1945 zumindest in Teilen einem Zweck: der Zulieferung zentraler Bestandteile von Konsum- und RĂŒstungsgĂŒtern im Sinne der NS-FĂŒhrung. Erker zeigt dies vor allem fĂŒr die “strategischen Rohstoffe Kautschuk und Gummi”. Es ging um Reifen fĂŒr MilitĂ€rautos oder SchuhabsĂ€tze fĂŒr Armeestiefel, aber auch SchlĂ€uche fĂŒr Panzer-Bremssysteme oder Teile fĂŒr Flugzeuge, BatteriekĂ€sten und SteuergerĂ€te der V1-Waffe. Conti sei ein wichtiger Akteur in einer Branche gewesen, die “das eigentliche RĂŒckgrat der nationalsozialistischen RĂŒstungs- und Kriegswirtschaft” bildete.Zur Herstellung und Erprobung etlicher Basisprodukte griff man auf Zwangsarbeiter und auf Insassen von Konzentrationslagern zurĂŒck. Ein besonders makabres Beispiel, das Erker schildert, war die “SchuhprĂŒfstrecke” im KZ Sachsenhausen. Über Stunden ohne Pause, Dutzende Kilometer weit, hĂ€ufig ohne StrĂŒmpfe und auch bei Frost drehten “SchuhlĂ€ufer” Runden, teils “unter Absingen deutscher Marschlieder”. Laut Continental wurden manche der rund 10000 Zwangsarbeiter “bis zu EntkrĂ€ftung und Tod ausgebeutet und misshandelt”. Das Management war laut Studie ĂŒber weite Strecken “aktiv involviert”. Die 2015 beauftragte Durchleuchtung des “dunkelsten Kapitels unserer Unternehmensgeschichte” sei ĂŒberfĂ€llig gewesen, meint Degenhart.