Netflix unterstreicht Dominanz trotz Gewinn-Enttäuschung
Netflix unterstreicht Dominanz trotz Gewinn-Enttäuschung
Netflix zeigt sich trotz Gewinn-Enttäuschung dominant
xaw New York
Netflix hat die Erwartungen der Wall Street im dritten Quartal enttäuscht, sich aber für ein starkes fundamentales Wachstum positioniert. Der Umsatz des Streaming-Marktführers stieg gegenüber dem Vorjahr um 17% auf 11,5 Mrd. Dollar, während der Streaming-Marktführers um 8% auf 2,5 Mrd. Dollar kletterte. Dies entsprach einem verwässerten Überschuss von 5,87 Dollar pro Aktie. Damit blieb Netflix nicht nur weit hinter der vom Datendienst Factset erfassten Konsensprognose von 6,96 Dollar zurück, sondern auch hinter den selbst gesetzten Zielmarken.
Auch bei der operativen Marge verfehlte das Unternehmen aus Las Gatos mit 28,2% die eigene Guidance und verwies zur Begründung für die schwächere Entwicklung auf einen anhaltenden Konflikt mit den brasilianischen Steuerbehörden. Dieser betreffe den Zeitraum zwischen 2022 und dem aktuellen Jahr und habe im abgelaufenen Viertel zu zusätzlichen Umsatzkosten von 619 Mill. Dollar geführt.
Belastung drückt Marge
Der kumulierte Effekt dieser Belastung habe die operative Marge um über 5 Prozentpunkte reduziert. „Andernfalls hätten wir unsere Vorgaben übertroffen“, heißt es im Quartalsbrief an die Aktionäre. „Wir erwarten nicht, dass diese Angelegenheit materiellen Einfluss auf unsere zukünftigen Ergebnisse haben wird“, führt die Netflix-Spitze aus – wiewohl der Disput in Brasilien wohl noch nicht gelöst ist. Die Prognose für die operative Marge im Gesamtjahr kürzte das Unternehmen nun von 30 auf 29%.

picture alliance / abaca | Domine Jerome/ABACA
Die Aktie des Streamingdienstes gab im nachbörslichen New Yorker Handel am Dienstag zeitweise zwar um über 6% nach, liegt im laufenden Jahr aber bisher mit rund 40% im Plus. Gegenüber anderen Video-on-Demand-Anbietern hat die Plattform ihre Dominanz noch einmal untermauert. Die Zeiten, in denen das Unternehmen wie im ersten Halbjahr 2022 in großem Stil Abonnenten an neue Rivalen um Apple, Amazon und Disney verlor, sind lange vorbei.
Sieger der „Streaming Wars“
Zwar legt Netflix keine quartalsweisen Nutzerzahlen mehr vor, die letzten verifizierten Daten stammen aus dem Schlussquartal 2024. Damals baute der Streamingdienst seine Kundenbasis allerdings um 18,91 Millionen auf 301,6 Millionen Abonnenten aus. Der Zuwachs fiel damit nicht nur fast doppelt so hoch aus wie an der Wall Street erwartet, sondern auch mehr als während der Corona-Hochphase 2020. Wedbush Securities hält den Vorsprung von Netflix gegenüber der Video-on-Demand-Konkurrenz schon lange für uneinholbar, Bank of America erklärte die „Streaming Wars“ bereits Anfang des vergangenen Jahres für beendet.
Konkurrenten haben derweil mit deutlich umfassenderen Problemen zu kämpfen. Bei Disney haben sich die Streaming-Kunden zuletzt in Scharen verabschiedet, nachdem der Medienkonzern die vom Tochtersender ABC ausgestrahlte Talkshow „Jimmy Kimmel Live!“ Mitte September vorübergehend absetzte. Der Mickey-Mouse-Konzern knickte dabei unter dem Druck der US-Rundfunkaufsicht FCC ein, deren erzkonservativer Vorsitzender Brendan Carr zu den strammsten Gefolgsleuten von US-Präsident Donald Trump gehört und sich an Kommentaren Kimmels zur Ermordung des rechten Aktivisten Charlie Kirk stieß.
Disney leidet unter Kimmel-Skandal
Es folgte ein Zuschauerprotest, der Begriff „Disney Plus Cancel Subscription“ einen steilen Anstieg bei den Suchanfragen über Google hin, während sich die Hashtags „CancelDisney“ und „CancelDisneyPlus“ rasant auf Social Media verbreiteten. Auch zahlreiche Prominente riefen zum Boykott des Medienkonzerns auf, der „Jimmy Kimmel Live!“ angesichts des Aufschreis sechs Tage nach der Absetzung wieder ins Programm aufnahm. Darauf schalteten 6 Millionen Menschen die Late-Night-Show ein, nachdem der Zuschauerschnitt im zweiten Quartal 1,8 Millionen betragen hatte.
Allerdings hat der sogenannte „Churn“ beim Dienst Disney Plus laut dem Analysedienst Antenna im September auf 8% zugelegt. Der Wert stellt den Anteil der Abonnementkündigungen an der Gesamtnutzerzahl pro Monat dar, im August lag er noch bei 4%. Bei der anderen populären Disney-Streamingplattform Hulu schoss die Abwanderungsrate gar von 5% auf 10% in die Höhe.
Konkurrenz drängt auf Deals
In absoluten Zahlen schätzt Antenna, dass bei Disney Plus im September 3 Millionen Kündigungen eingingen und bei Hulu 4,1 Millionen, beide Werte würden den Durchschnitt der vorangegangenen drei Monate weit übertreffen. Laut Disney-Vertretern fällt der „Churn“ in den internen Modellen des Unternehmens geringer aus als von Antenna errechnet – allerdings sei durchaus ein scharfer Anstieg der Kündigungen zu beobachten. Die Aktie des Entertainment-Riesen hat sich bisher nicht von ihrem dreiprozentigen Wertverlust während der Kimmel-Absetzung erholt.

picture alliance / dpa | Christoph Dernbach
Warner Bros. Discovery und Paramount hinken am Streamingmarkt indes noch weiter hinterher. Letztgenanntes Medienkonglomerat, das gerade erst einen Merger mit der Holding Skydance abgeschlossen hat, greift indes nach ersterem. Warner wies eine Offerte des Rivalen über 20 Dollar je Aktie unlängst als zu niedrig zurück, zieht gemäß Mitteilung vom Dienstag aber einen Verkauf in Betracht. Mehrere Interessenten hätten bereits vorgefühlt, laut dem TV-Sender „CNBC“ sollen darunter der Medienkonzern Comcast und auch Netflix sein. Zunächst hält Warner aber an Plänen für eine Aufspaltung fest, in deren Zuge sie die Film- und TV-Studios im kommenden Jahr vom Kabelfernsehgeschäft trennen will.
Marktanteile ausgebaut
Während die Konkurrenz nach Möglichkeiten sucht, über Deals ihre Aussichten im Streaming-Rennen zu verbessern, baut Netflix die Marktanteile aus. In den USA kommen die Kalifornier laut dem Marktforschungsunternehmen Nielsen inzwischen auf 8,6% der durchschnittlichen vierteljährlichen Bildschirmzeit, in Großbritannien laut dem TV-Rating-Unternehmen Barb gar auf 9,4%. Die Anteile haben seit Ende 2022 um 15 bzw. 22% zugelegt.
Netflix sieht sich dabei gut aufgestellt, um von Weiterentwicklungen künstlicher Intelligenz zu profitieren. Das Unternehmen nutzt generative lernfähige Algorithmen bereits, um zum Beispiel die Qualität ihrer Zuschauerempfehlungen zu erhöhen sowie die Ausspielung von Promotionsmaterial für Filme und TV-Shows stärker lokal zuzuschneiden.
Werbegeschäft nimtm Fahrt auf
Darüber hinaus treibt Netflix den Ausbau ihres Werbegeschäfts voran. Vertriebsseitig hat das Unternehmen nach eigenen Angaben bei niedrigen Vergleichswerten gerade ihr bestes Quartal jemals hingelegt und sei auf Kurs, die Erlöse aus dem Zweig im laufenden Jahr mehr als zu verdoppeln. Netflix führte die im Vergleich zum Premium-Angebot günstigere, werbefinanzierte Variante im Herbst 2022 ein. Mit seinen über 300 Millionen Abonnenten gilt der Streaming-Marktführer bereits als äußerst attraktive Plattform.

picture alliance / USA TODAY Sports via Reuters | Joe Camporeale
Über Live-Events sollen sich noch größere Chancen zur Produkt- und Anzeigeplatzierungen ergeben. Im Geschäft mit Echtzeit-Übertragungen expandiert Netflix seit dem vergangenen Jahr und überträgt unter anderem Spiele der American-Football-Liga NFL, Veranstaltungen der Wrestling-Promotion WWE und Boxkämpfe. Der Supermittelgewichts-Showdown zwischen Terence Crawford und Canelo Álvarez in Las Vegas Mitte September wurde zum Herren-Titelkampf mit der höchsten Zuschauerzahl in diesem Jahrtausend.
Riskante Live-Wette
Die Live-Fokussierung ist für Netflix allerdings nicht risikofrei. Denn technische Pannen haben seit dem Start der Echtzeit-Strategie wiederholt zu Übertragungsausfällen bei Großereignissen geführt. Der Analysedienst Agora warnt davor, dass selbst geringe Latenzen das Nutzererlebnis bei Livesport-Events erheblich einschränken.