Im BlickfeldWeniger GeschÀftsreisen

Netzwerk-Airlines satteln auf Urlauber um

Seit der GeschĂ€ftsreiseverkehr schwĂ€chelt, kĂ€mpfen Netzwerk-Airlines vermehrt um Urlauber. Doch die sind preissensibel und die Konkurrenz durch Low-Cost-Carrier ist groß.

Netzwerk-Airlines satteln auf Urlauber um

Airlines kÀmpfen um Urlauber

Das GeschÀftsreisesegment schwÀchelt seit der Pandemie.
Andere Kunden erfordern andere Organisation.

Auch das noch: mehr und mehr GeschĂ€ftsreisen finden im Privatflugzeug statt. Angetrieben wurde diese Entwicklung von der Corona-Pandemie. Weil damals kaum regulĂ€r geflogen wurde, stiegen GeschĂ€ftsreisende, wenn nötig, auf private Flugzeuge um – und blieben dort. Zudem war nach der Pandemie ein Teil der GeschĂ€ftsreisen unnötig geworden, hatte man doch festgestellt, dass es von Fall zu Fall auch ein Online-Meeting tut. Weil außerdem gerade Firmen ihren CO2-Fußabdruck in Grenzen halten mĂŒssen, um bestimmte Umweltschutzziele zu erreichen, findet manche (kĂŒrzere) Reise im Zug statt im Flugzeug statt.

Im Endergebnis erholt sich das GeschĂ€ftsreisenden-Segment nach der Pandemie deutlich langsamer als das GeschĂ€ft mit Urlaubern. „Wir glauben nicht, dass der weltweite Corporate-Verkehr wieder Vor-Corona-Niveau erreicht“, sagte Lufthansa-Konzernchef Carsten Spohr bei Vorlage der Neun-Monats-Zahlen Ende Oktober gar.

Das hat fĂŒr große Netzwerk-Carrier wie Lufthansa, Air France-KLM oder British Airways gravierende Folgen. Denn diese Fluglinien haben in der Vergangenheit gut vom GeschĂ€ftsreisendenverkehr gelebt, der verlĂ€sslich hohe Margen abwarf. FĂŒr die Unternehmen ist angesichts der rĂŒcklĂ€ufigen Entwicklung im Business-Bereich seit der Pandemie das GeschĂ€ft mit Urlaubsreisenden wichtiger geworden, in dem die Kunden aber deutlich preissensibler sind.

Im Wettbewerb

In diesem Segment konkurrieren Lufthansa und Co. nun stĂ€rker mit den Billigfluggesellschaften, die allerdings mit deutlich gĂŒnstigeren Kostenstrukturen unterwegs sind. Zudem ist die SaisonalitĂ€t bei Urlaubsreisen ausgeprĂ€gter als bei den GeschĂ€ftsreisenden – das heißt, außerhalb der Saison braucht eine Airline sehr viel weniger Flugzeuge als in der Saison. Das macht die Steuerung der Flotte komplexer, weil beispielsweise im Winter ein Teil der Flotte nicht fliegt. Hohe KomplexitĂ€t sorgt fĂŒr hohe Kosten, sodass man bei den Ticketpreisen in der Regel selten konkurrenzfĂ€hig ist. Zumal sich neben den Low-Cost-Carriern auch noch Gesellschaften auf dem Markt tummeln, die wie Condor oder Tuifly schon lange in diesem Segment unterwegs sind − und die ihre Kostenstrukturen schon sehr viel lĂ€nger Richtung Low-Cost-Niveau gedrĂŒckt haben.

„Noch nicht vorbereitet“

„Auf die hohe SaisonalitĂ€t im PrivatreisegeschĂ€ft ist unsere Organisation noch nicht vorbereitet“, sagte kĂŒrzlich Jens Ritter, der Chef der Lufthansa Airlines. Dieses wichtigste GeschĂ€ft des Lufthansa-Konzerns hat ein Turnaround-Programm lanciert, nachdem man zu Jahresbeginn tief in die roten Zahlen gerutscht war. „Wir haben in Frankfurt und MĂŒnchen zu viele Flugbetriebe“, sagt Ritter, das sorgt fĂŒr hohe KomplexitĂ€t und hohe Kosten. „Wir werden die Zahl der Langstreckenmuster reduzieren“, kĂŒndigt der Lufthansa-Manager an. Außerdem sollen die Zusatzerlöse, sogenannte Ancillaries, gesteigert werden – also Erlöse aus dem Bordverkauf oder aus der Vermarktung besonderer PlĂ€tze.

Liest sich ziemlich genau wie das GeschĂ€ftsmodell der Billig-Airlines: einheitliche Flotten, hohe Zusatzerlöse, jetzt mĂŒssen nur noch die Kosten abgesenkt werden. Weil das in der bestehenden Tarifstruktur schwerfĂ€llt, hat Lufthansa seit Ende der Pandemie einige neue Ableger gegrĂŒndet, die gĂŒnstiger produzieren können, beispielsweise Discover und Lufthansa City Airlines. Um die LĂŒcke zwischen Sommer- und WintergeschĂ€ft zu schließen, werden zusĂ€tzliche Wet-Lease-Vereinbarungen geschlossen, also Flugzeuge samt Besatzung dazugemietet, beispielsweise von Air Baltic.

Annette Mann fĂŒhrt die Lufthansa-Tochter Austrian seit FrĂŒhjahr 2022.
Beklagt eine „krasse Wettbewerbsverzerrung“ durch Firmen wie Turkish Airlines: Austrian-Airlines-Chefin Annette Mann.
Foto: Austrian Airlines

An der Netzwerkstruktur soll festgehalten werden, zumal, so heißt es bei Lufthansa, auch Privatreisende die KonnektivitĂ€t, die die Konzern-Airlines dank des Netzwerkes bieten, schĂ€tzen. Aber sind sie auch bereit, dafĂŒr zu zahlen? Die Austrian-Airlines-Chefin Annette Mann ist davon ĂŒberzeugt, wie sie kĂŒrzlich im GesprĂ€ch mit der Börsen-Zeitung betonte. Allerdings sagt sie auch: „Wir wollen auch Netzwerk-Carrier bleiben, weil wir sonst im 1:1-Wettbewerb zu Ryanair stehen.“

Airlines wie Lufthansa drohen allerdings nicht nur im Vergleich zu den Low-Cost-Carriern ins Hintertreffen zu geraten. Auch die Konkurrenz auf der Langstrecke hat zugenommen. Da sind zum einen stark wachsende Airlines wie Turkish oder Emirates, die mittlerweile im Asien-Europa-Traffic auf einen Marktanteil von 46% kommen nach nur 3% im Jahr 2002. EuropÀische Airlines sind in dem Zeitraum von 39 auf 21% Marktanteil geschrumpft.

Austrian-Chefin Mann spricht hier von einer „krassen Wettbewerbsverzerrung.“ Staaten wie die TĂŒrkei betrachten die Luftfahrt als eine strategische Branche, entsprechend vorteilhaft fĂ€llt in diesen LĂ€ndern die Regulierung fĂŒr das Segment aus.

Dazu kommt die Konkurrenz durch chinesische Airlines, die den nur langsam wieder anziehenden Verkehr zwischen dem Reich der Mitte und Europa abgreifen – sie fliegen anders als die EuropĂ€er weiter ĂŒber Russland, was die Reisezeit reduziert und auch die Kosten. Schwere Turbulenzen auch ĂŒber dem Nordatlantik: „Hier fĂŒllen wir die Economy Class nur mit PreisabschlĂ€gen“, berichtete Lufthansa-Airlines-CFO Jörg Beißel und erklĂ€rt das unter anderem damit, dass US-Carrier mehr und mehr in die FlĂ€che fliegen, „bis auf die Kanaren“.

Von Lisa Schmelzer, Frankfurt