Pharmaindustrie

Neue Chance im Kampf gegen Covid-19

Der Studienerfolg von Merck & Co mit einer Tablette gegen Corona schürt Hoffnung im Kampf gegen die Pandemie und für eine bessere Patientenversorgung in ärmeren Ländern.

Neue Chance im Kampf gegen Covid-19

swa Frankfurt

 Seit Beginn der Pandemie wird nicht nur mit Hochdruck an Impfstoffen geforscht, genauso intensiv läuft die Suche nach Medikamenten zur Behandlung von an Covid-19 erkrankten Patienten. Der Studienerfolg des US-Pharmakonzerns Merck & Co. in Partnerschaft mit dem Biotechunternehmen Ridgeback Biotherapeutics hat die Medikamentenentwickler ins Scheinwerferlicht gerückt. Die Partner hatten in klinischen Tests festgestellt, dass die Zahl der Krankenhauseinweisungen und Todesfälle durch die Einnahme der von ihnen entwickelten Tablette um die Hälfte gesunken ist.

Merck will nun zügig eine Zulassung des Medikaments in den USA und in anderen Ländern beantragen. Der Konzern werde alles tun, um das Medikament schnell allen Patienten verfügbar zu machen, verspricht Merck-CEO Robert M. Davis. Wenn dies gelingt, wäre es die erste Pille, die gegen Covid-19 eingesetzt werden kann. Die anderen bislang zugelassenen Corona-Therapien erfordern eine Infusion oder Injektion.

Die mögliche Therapieoption von Merck weckt angesichts ihrer einfachen Verabreichung als Tablette Hoffnung auch in ärmeren Ländern, zumal diese mit Impfstoffen derzeit noch unterversorgt sind. Die internationale Gesundheitsorganisation Unitaid setzt darauf, möglichst schnell eine Vereinbarung zu erzielen, um Staaten mit niedrigem Einkommen mit dem potenziellen Merck-Medikament versorgen zu können. Der US-Pharmakonzern hatte früher im Jahr angekündigt, er habe auf freiwilliger Basis nicht-exklusive Lizenzabkommen mit fünf indischen Generikaunternehmen geschlossen, damit diese Firmen das Covid-19-Medikament produzieren können, um es in ärmeren Staaten zu verkaufen.

Lizenzen an Generikafirmen

Merck hat nach eigenen Angaben auf eigenes Risiko bereits mit der Herstellung des Wirkstoffs begonnen und stellt bis Jahresende die Produktion von Pillen für zehn Millionen Behandlungsserien in Aussicht – nach früheren Angaben je zwei Tabletten über fünf Tage. Die US-Regierung hat sich vertraglich Tabletten für 1,7 Millionen Behandlungen gesichert und zahlt dafür nach Marktinformationen 1,2 Mrd. Dollar. Damit würde jede Behandlung pro Patient rund 700 Dollar kosten. Das wäre deutlich mehr als die Impfungen. Beobachter gehen davon aus, dass die neue antivirale Covid-Pille relativ günstig hergestellt werden kann, so dass sie eine Option für ärmere Länder werden könnte. Merck selbst hat ein abgestuftes Preismodell angekündigt, je nach Potenzial des Abnehmerlandes.

Der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller VFA weist darauf hin, dass die Entwicklung von Therapeutika gegen Covid-19 zwar großteils länger dauert als die der ersten Corona-Vakzine, doch sie verlaufe ebenfalls weit schneller als je zuvor in der Geschichte der Pharmazie. Das sei der Priorisierung in den Pharmaunternehmen, aber auch zügigen Genehmigungsverfahren in vielen Ländern zu verdanken.

Da die Entwicklung eines Medikaments in der Regel mindestens zehn Jahre dauert, waren viele Arzneianbieter zu Beginn der Pandemie bemüht, bereits zugelassene oder in klinischer Entwicklung weit fortgeschrittene Medikamente darauf zu prüfen, ob sie auch gegen Corona wirken könnten. Zudem fokussierten sich die Forscher nicht allein auf Präparate, die einen schweren Infekt verhindern, sondern suchten Therapien für unterschiedliche Stadien der Krankheit und auftretende Komplikationen. Die Tablette von Merck und Ridgeback ist als antivirales Mittel konzipiert, soll also verhindern, dass die Viren in Körperzellen eindringen und sich dort stark vermehren. Die 2016 gegründete Ridgeback testete den Wirkstoff ursprünglich gegen Ebola und Influenza. Die Biotechfirma hatte Ende vergangenen Jahres in den USA die Zulassung für einen monoklonalen Antikörper zur Behandlung von Ebola erhalten.

Nach Informationen des Verbands VFA werden derzeit mehr als 620 verschiedene Medikamente darauf erprobt, ob sie wirksam gegen Co­vid-19 sein könnten. Ende September seien 260 antivirale sowie 360 andere therapeutische Ansätze in der Entwicklung gewesen – das sind Herz-Kreislauf-Medikamente, dämpfende Immunmodulatoren, um überschießende Immunreaktionen zu verhindern, Mittel zur Aufrechterhaltung der Lungenfunktion sowie Arzneimittel gegen Long Covid. Die meisten dieser Covid-Mittel seien schon gegen eine andere Erkrankung zugelassen oder waren bereits vor Beginn der Pandemie in der Entwicklung. Es befänden sich jedoch unter den in Studien erprobten Medikamenten zunehmend auch solche, deren Entwicklung erst 2020 begonnen worden sei, betont der VFA.

Deutsche Fördermittel

Auch Bundesgesundheits- und Bundesforschungsministerium haben jüngst die Förderung von Arzneimitteln gegen Covid-19 auf den Weg gebracht. Sechs Projekte wurden dafür ausgewählt, die unterschiedliche Behandlungsoptionen bieten wollen und die bereits getestete Wirkstoffe klinisch weiterentwickeln sollen. Zugesagt ist eine Fördersumme von 150 Mill. Euro. Ausgewählt wurden die Biotechfirmen Adrenomed, Apogenix, Atriva Therapeutics, Corat Therapeutics, Inflarx und ein Projekt des DRK Baden-Württemberg-Hessen. Mit allein 300 Mill. Euro hatte sich der Bund indes im vergangenen Jahr am Impfstoffentwickler Curevac beteiligt.

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