Neuer Hafen für Hapag-Lloyd Cruises

Tui bringt Tochter für 1,2 Mrd. Euro in Joint Venture mit Royal Carribean ein

Neuer Hafen für Hapag-Lloyd Cruises

hei Frankfurt – Der Touristikkonzern Tui, der auch in diesem Jahr mit substanziellen Ergebnisbelastungen durch den Ausfall der Boeing 737 Max in der Flugzeugflotte zu kämpfen hat, baut sein ertragsstarkes Kreuzfahrtgeschäft um. Die auf Luxus- und Expeditionskreuzfahrten spezialisierte Tochter Hapag-Lloyd Cruises wird für 1,2 Mrd. Euro in das gemeinsam mit Royal Caribbean betriebene Joint Venture Tui Cruises eingebracht. Damit soll die Schiffslinie – die noch vor vier Jahren als Verlustbringer eine Bürde im Tui-Portfolio war, so dass es nicht gelang, sie für einen annehmbaren Preis loszuschlagen – durch eine Internationalisierung der Marke neue Wachstumschancen erschließen. Tui behält ebenso wie der Partner Royal Caribbean weiterhin 50 % an dem Gemeinschaftsunternehmen. Digitaler Wandel im VisierDas Geschäft entlastet die Tui-Bilanz von 500 Mill. Euro Schulden und spült 700 Mill. Euro in die Kasse. Diese Mittel will der Konzern zum Schuldenabbau und zur weiteren Beschleunigung der digitalen Transformation nutzen. Für Projekte in diesem Zusammenhang ist in der Prognose für den laufenden Turnus bereits ein höherer zweistelliger Millionen-Euro-Betrag enthalten, der nach Einschätzung von Tui-Chef Fritz Joussen jedoch nicht ausreichen dürfte, um den Prozess wie gewünscht voranzutreiben.Die Transaktion sei aufgrund “der sehr starken Bilanz von Tui Cruises” weitestgehend schuldenfinanziert worden, so Joussen. Tui und Royal Caribbean geben jeweils nur 75 Mill. Euro an Eigenmitteln dazu. Tui gebe zunächst ein operatives Ergebnis von rund 43 Mill. Euro in das Joint Venture ab, erläuterte der Manager der Börsen-Zeitung. Durch schnelles Ertragswachstum bei der inzwischen operativ wieder profitablen Hapag-Lloyd Cruises sei dies indes rasch zu verschmerzen.Überdies rechnet Joussen auch nicht mit Änderungen bei der Dividende, die Tui aus dem 2008 gegründeten Gemeinschaftsunternehmen erhält. Sie belief sich im zurückliegenden Turnus auf 170 Mill. Euro. Tui Cruises, die grundsätzlich von günstigen Finanzierungsbedingungen durch Exportkreditagenturen profitiert, werde weiterhin “eine sehr moderate Verschuldung” beibehalten. Weniger kapitalintensivDurch die Änderungen der Gesellschaftsstruktur hinter der Marke könne Tui bei Kreuzfahrten “schneller und weniger kapitalintensiv” wachsen, betonte Joussen. Entsprechende Überlegungen hatte das Unternehmen bereits im Januar signalisiert. Der Konzern stößt mit dem 2008 gegründeten Gemeinschaftsunternehmen, dessen sieben Schiffe zu einer Konzernflotte von zuletzt 18 Kreuzfahrtschiffen mit einer Kapitalrendite von 23 % gehören, derzeit an Grenzen des Wachstums, weil die Werftkapazitäten für den Bau der Schiffe begrenzt sind. So kann die “Mein Schiff”-Flotte der Tui Cruises erst in den Jahren 2023, 2024 und 2026 wieder mit drei Neuzugängen rechnen. Kein StellenabbauDurch die Internationalisierung der Luxus- und Expeditionskreuzfahrten von Hapag-Lloyd Cruises soll die Marke einen deutlichen Schub bekommen. Tui rechnet aus der Transaktion auch mit zusätzlichen Wachstumssynergien, deren Nettobarwert Joussen mit rund 300 Mill. Euro beziffert. Darin spiegelt sich im wesentlichen ein geringerer administrativer Aufwand, da Hapag-Lloyd Cruises in die Plattform von Tui Cruises eingebracht wird. Ein Stellenabbau bei der Linie sei nicht vorgesehen, unterstrich der Manager.Tui hat sich zum Ziel gesetzt, das heutige Kerngeschäft mit Hotels und Kreuzfahrten durch ein wachsendes Portfolio an “Erlebnissen vor Ort” (Destination Experiences) zu ergänzen und damit das eigene Ökosystem zu stärken. Ein Investitionsschwerpunkt, in den auch die zusätzlichen freien Mittel fließen, ist daher eine digitale Plattform, über die Reisende solche Angebote buchen können und die sowohl Tui-Kunden als auch Dritten zur Verfügung steht.Dieser Erlebnismarkt wird von Experten auf ein Volumen von rund 150 Mrd. Euro global geschätzt. Die Wachstumsrate soll bei rund 7 % liegen. Der Markt ist stark fragmentiert. Tui sieht sich in einer Konsolidierungsrolle.Bei der Transaktion der Marke Hapag-Lloyd Cruises wurde Tui Cruises von Lazard beraten, Tui selbst von Bank of America.